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Arglistige Täuschung durch Durchstreichen des Antwortfeldes (OLG Koblenz)

Das OLG Koblenz hatte sich mit Beschluss vom 28.04.2008 (Az.: 10 U 1262/07) mit der Frage zu befassen, ob durch das Durchstreichen des Antwortfeldes eine arglistige Täuschung des Versicherten gegeben sein kann.

Durchstreichen des Antwortfeldes

Der Versicherungsnehmer beantragte den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Bei Antragsstellung beantwortete der Versicherte die Frage, ob er in den letzten fünf Jahren anderweitig Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen beantragt oder abgeschlossen habe, nicht ausdrücklich, sondern strich das Antwortfeld komplett durch. Tatsächlich hatte er jedoch kurz zuvor eine andere Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung beantragt; dieser Antrag wurde von dem anderen Versicherer etwa zwei Wochen vor der streitgegenständlichen Antragstellung wegen der gesundheitlichen Situation des Versicherungsnehmers abgelehnt.

Nachdem der Versicherer später Kenntnis von dieser anderweitigen Antragstellung und Ablehnung erhalten hatte, erklärte er die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Der Versicherungsnehmer erhob daraufhin Klage und begehrt die Feststellung des Fortbestandes des Versicherungsvertrages. Erstinstanzlich wies das Landgericht die Klage ab. Hiergegen richtet sich nun die Berufung des Versicherungsnehmers.

Falschbeantwortung der Frage berechtigt Versicherer zur Anfechtung

Die Berufung hatte keine Aussicht auf Erfolg und das Oberlandesgericht Koblenz wies die Berufung daher durch Beschluss zurück. Das OLG Koblenz stellte fest, dass der Versicherer zur Anfechtung des Versicherungsvertrages berechtigt gewesen ist und diese Anfechtung auch wirksam erklärt hat.

Erklärungsgehalt vom Durchstreichen des Antwortfeldes?

Der Versicherungsnehmer hatte die Antragsfrage, ob er in den letzten fünf Jahren anderweitig Lebens- oder Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen abgeschlossen habe, unzutreffend beantwortet. Zwar habe er die Frage nicht ausdrücklich beantwortet, sondern vielmehr das Antwortfeld komplett durchgestrichen. Welche Bedeutung dem Durchstreichen des Antwortfeldes zukomme, sei indes eine Frage der Würdigung im Einzelfall. Das OLG Koblenz betont dabei, dass eine vereinheitlichte Interpretation verboten ist.

Vorliegend müsse insbesondere berücksichtigt werden, dass es erstinstanzlich unstreitig war, dass der Versicherungsnehmer Kenntnis von der zeitlich nur kurz zurückliegenden Ablehnung der anderen Versicherung gehabt hat. Vor diesem Hintergrund ging das OLG Koblenz davon aus, dass der Versicherungsnehmer der Beantwortung der Frage ausweichen wollte, um dem Versicherer nicht seinerseits auch einen Grund für die Ablehnung seines Antrages zu liefern. In Anbetracht dessen sei der Erklärungsgehalt des Durchstreichens des Antwortfeldes im vorliegenden Fall mit „Nein“ zu bewerten.

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Arglistiges Verschweigen des anderweitig gestellten Antrags

Ferner ging das OLG Koblenz davon aus, dass die objektiv falsche Angabe arglistig gemacht worden ist. Denn von einem arglistigen Verhalten sei dann auszugehen, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entsteht und diese ihn zu einer Erklärung veranlasst, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben hätte. Diese Voraussetzung habe der Versicherungsnehmer vorliegend erfüllt, so das OLG Koblenz.

Auf Arglist als innere Tatsache könne zwar regelmäßig nur auf Grundlage von Indizien geschlossen werden. Somit sei Voraussetzung für die Annahme einer arglistigen Täuschung, dass der Versicherungsnehmer mit wissentlich falschen Angaben von Tatsachen oder dem Verschweigen anzeigepflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, den Versicherungsantrag anzunehmen, Einfluss ausüben will und sich dabei bewusst ist, dass der Versicherer den Antrag möglicherweise nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben macht.

Vorliegend lege jedenfalls der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Ablehnung des anderen Antrags und dem Ausfüllen des streitgegenständlichen Antrags nahe, dass der Versicherungsnehmer bewusst die Frage nach anderweitig gestellten Anträgen vermieden hat, damit der Versicherer insofern keine Nachforschungen anstellt, um dann möglicherweise ebenfalls zu einer Ablehnung zu kommen.

Durchstreichen aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts

Zwar habe der Versicherungsnehmer mit dem Durchstreichen des Antwortfeldes die Frage weder ausdrücklich bejaht noch verneint, da er keine dieser Antwortmöglichkeiten angekreuzt habe. Aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts enthalte das Durchstreichen aller Antwortmöglichkeiten auf eine Frage allerdings die Erklärung „Es gibt zu dieser Frage nichts zu beantworten“ im Sinne von „Diese Fragestellung betrifft mich nicht“. Aus dem Kontext des Versicherungsantrags stelle sich das Durchstreichen des Antwortfeldes so dar, dass der gesamte Fragenkomplex hinsichtlich bestehender oder beantragter Lebens-/Berufsunfähigkeitsversicherungen den Versicherten nicht betreffen.

Das Durchstreichen des Antwortfeldes könne aus der Sicht des objektiven Erklärungsempfängers richtigerweise nur in dem Sinne gewertet werden, dass der Versicherungsnehmer keine derartigen Anträge bei irgendeinem Versicherer gestellt und auch keine derartigen Versicherungen anderweitig abgeschlossen hat. Damit liege schließlich auch keine unklare Antwort vor, die zu einer Nachfrage des Versicherers hätte führen müssen. Vielmehr stelle das Durchstreichen ein arglistiges Verschweigen des anderweitigen Antrags dar.

Fazit

Das Durchstreichen des Antwortfeldes ist grundsätzlich anhand des konkreten Einzelfalles zu bewerten. Wie die Entscheidung des OLG Koblenz zeigt, kann dies aber durchaus als Verneinung der Antragsfrage gewertet werden. Dies wiederum kann dann durchaus Ansatzpunkt für eine arglistige Täuschung und Anfechtung des Versicherers sein.

Die Anforderungen an einen Verstoß gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht sollten gleichwohl nicht unterschätzt werden. Beruft sich ein Versicherer auf einen Verstoß gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht, so kann es durchaus sinnvoll sein, einem im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung des Einzelfalles zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow zur Verfügung.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtanwalt erklärt, eine arglistige Täuschung durch Durchstreichen des Antwortfeldes in Betracht kommt

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