Die DSGVO sieht unter anderem auch einen Auskunftsanspruch von Versicherungsnehmern gegenüber ihrer Versicherung vor. Man kann kostenfrei Informationen über verarbeitete, personenbezogene Daten von dem Versicherungsunternehmen anfordern. In den Erwägungsgründen zur DSGVO finden sich einige Fälle, an die der Verordnungsgeber bei der Schaffung des Auskunftsanspruches gedacht hat. Ob der Auskunftsanspruch jedoch nur aus diesen – also Datenschutz – Gründen geltend gemacht werden darf und was noch unter personenbezogene Daten zu fassen ist, war Gegenstand der Entscheidung des OLG Koblenz bzw. der Vorlage an den EuGH (OLG Koblenz, Beschl. v. 19.10.2022 – 10 U 603/22).
Die Versicherungsnehmerin unterhält seit 1997 eine private Kranken- und Pflegeversicherung (PKV). Die Versicherung hat das Recht, die Versicherungsbeiträge bei Änderung bestimmter Faktoren anzupassen, sofern sie die Anpassung und die maßgeblichen Gründe dem Versicherungsnehmer schriftlich mitteilt.
Die Versicherungsnehmerin geht von einer unwirksamen Beitragserhöhung für die Jahre 2011-2014 aus und verlangt vom ihrer Versicherung Auskunft über die Höhe der Anpassungen sowie der dazugehörigen Begründungen in Form von Anschreiben und Nachträgen zum Versicherungsschein.
Nachdem das LG Trier die Klage in erster Instanz abwies, befasste sich das OLG Koblenz als Berufungsinstanz mit diesen Rechtsfragen. Das OLG Koblenz sieht mangels einschlägiger Normen im nationalen Recht die einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage in Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Für dessen Anwendung hält das OLG jedoch eine Auslegung des Unionsrechts für notwendig, sodass es folgende Fragen im Wege der Vorabentscheidung an den EuGH vorlegte:
Das OLG möchte die Frage beantwortet wissen, ob es einem offensichtlich unbegründeten und exzessiven Antrag gem. Art. 12 Abs. 5 DSGVO gleichkommt, wenn der Antrag nicht aus den in Erwägungsgrund 63 DSGVO genannten Gründen gestellt wird. Die Versicherungsnehmerin verfolge nicht das dort genannte Ziel, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu überprüfen. Sie möchte vielmehr die Wirksamkeit der Beitragserhöhungen prüfen. Zudem werden Angaben angefordert, die der Versicherten bereits schriftlich mitgeteilt wurden.
Das OLG favorisiert eine eher einschränkende Auslegung des Auskunftsanspruches nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Zwar ergaben andere Vorlageentscheidungen bereits, dass ein solcher Anspruch an die Zwecke aus den Erwägungsgründen nicht gebunden ist. Die Zweifel des Gerichts hinsichtlich des Bestehens eines Auskunftsanspruches rühren jedoch unter anderem daher, dass die Versicherungsnehmerin Unterlagen anfragt, die ihr bereits übersendet wurden. Denn auch wenn Art. 12 Abs. 5 DSGVO einen exzessiven und somit missbräuchlichen Antrag erst bei mehrmaliger Wiederholung annimmt, könne es in die Bewertung mit einfließen, dass die Unterlagen bereits übersendet wurden.
Bedenken hat das OLG auch hinsichtlich der Tatsache, dass die angefragten Unterlagen der Prüfung etwaiger Rechtsansprüche dienen soll. Denn das könne potenziell ein in der deutschen Zivilprozessordnung nicht vorgesehenes Instrument zur Beweisausforschung „durch die Hintertür“ einführen. Der Antragsteller könne zunächst prüfen, ob genug Substanz für eine Klage vorliege. Daraus ergebe sich ein prozessual entscheidender Vorteil dadurch, dass er seiner Darlegungs- und Beweislast sehr viel leichter nachkommen könne, indem er eine faktische Aufklärungspflicht der gegnerischen Partei begründe. Eine solche Wirkung habe der Verordnungsgeber bei Erlass der Verordnung nicht vorgesehen.
Für den Fall, dass der EuGH grundsätzlich auch ohne den von Erwägungsgrund 63 DSGVO erfassten Zweck einen Auskunftsanspruch bejaht, soll der EuGH zudem die Reichweite des Anspruches klären. Insbesondere geht es darum, ob die Angaben zur Beitragsanpassung sowie deren Begründungen personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO darstellen.
Früheren Entscheidungen des EuGH nach sind personenbezogene Daten alle Informationen, die hinsichtlich Inhaltes, Zweck, oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft sind. Das bezweifelt das OLG jedoch im konkreten Fall.
Die erfragten Angaben zur Beitragsanpassung, insbesondere die Höhe dieser Beitragsanpassung, betreffe zwar das Versicherungsverhältnis zwischen der Versicherung und dem Versicherten. Jedoch betreffen diese Angaben auch alle anderen Versicherungsnehmer, die ein Versicherungsverhältnis in demselben Tarif haben. Deshalb sei fraglich, ob die Verknüpfung mit einer bestimmten Person zu bejahen ist.
Diese Verknüpfung bezweifelt das OLG erst recht hinsichtlich der Begründungen zu den Beitragserhöhungen. Zwar könne der Wortlaut der Begründungen tatsächlich dafür entscheidend sein, ob die Erhöhung wirksam ist. Trotzdem seien keine speziell auf die einzelne Person bezogenen Informationen enthalten, sondern sie gelten wiederum für alle Versicherungsnehmer desselben Tarifes. Zudem haben die Begründungen keine direkten Auswirkungen auf das Versicherungsverhältnis, denn die Beitragsanpassung erfolge unabhängig von dieser Begründung.
Sollte der Auskunftsanspruch bestehen, stellt sich die Frage, in welcher Form die begehrten Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen. Denn ob die Informationen als Kopie zur Verfügung herausgegeben, oder bloß der Inhalt weitergegeben muss, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut Art. 15 Abs. 3 DSGVO.
Diese Frage ist in der Literatur größtenteils umstritten. Das OLG schließt sich eher der restriktiveren Ansicht an, die die Form der Zurverfügungstellung dem Verpflichteten überlassen möchte. Lediglich die Art der Daten seien von Art. 15 Abs. 1 DSGVO als verpflichtend erfasst. Dafür spreche auch, dass Daten inhaltlich zu verstehen seien, und keine Regelung hinsichtlich der Form treffen. Weiterhin sei die Intention des Verordnungsgebers nicht die Schaffung eines Anspruches auf Herausgabe von Unterlagen gewesen, sondern auf die reine Informationsbeschaffung beschränkt.
Ob Angaben über Beitragserhöhungen und die dazugehörigen Begründungen Gegenstand eines Auskunftsanspruches sein können, beschäftigt die Gerichte immer wieder. Auch wird immer wieder diskutiert, in welcher Form die Daten zur Verfügung gestellt werden müssen. Eine einheitliche Rechtsprechung gibt es dazu bis dato nicht.
Das OLG Koblenz tendiert in seiner Vorlage dazu, einen Auskunftsanspruch hinsichtlich Angaben zur Beitragserhöhung und Begründungen abzulehnen. Auch die Form der Auskunft liege eher im Ermessen des Auskunftspflichtigen. Es bleibt zu hoffen, dass die Vorlage des OLG an den EuGH mehr Klarheit hinsichtlich der Reichweite und des Umfanges des Auskunftsanspruches aus der DSGVO verschafft.
Bei Fragen und Rechtsproblemen zum Thema Auskunftsanspruch bzw. Datenschutz empfiehlt es sich stets einen Fachanwalt für IT-Recht hinzuziehen. Weitere interessante Urteile zum Datenschutzrecht sind nachfolgend zu finden: Auskunftsansprüche (DSGVO).
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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