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Überprüfung der Dienstunfähigkeit durch Versicherer? (OLG Düsseldorf)

Die Auszahlung einer Rente an den Beamten wird seitens der Dienstunfähigkeitsversicherung an die Versetzung in den Ruhestand des Beamten geknüpft. Der Dienstherr entscheidet über diese Ruhestandsversetzung. Unter welchen Umständen die Entscheidung des Dienstherrn verbindlich den Eintritt des Versicherungsfalls feststellt, beleuchtet nachstehendes Urteil (OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.04. 2003 – 4 U 175/02).

Briefzustellerin beantragt Leistungen wegen Dienstunfähigkeit

Die versicherte Beamtin war Posthauptschaffnerin. Sie war als Briefzustellerin tätig. Sie unterhielt eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit einer sogenannten Beamtenklausel. Die versicherte Dienstunfähigkeit lag nach den Bedingungen vor, wenn:

„(1) Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

Zudem wurde der Versicherungsfall „Berufsunfähigkeit” im Sinne einer „echten“ Dienstunfähigkeitsklausel erweitert:

(10) Berufsunfähigkeit liegt auch vor, wenn ein versicherter Beamter vor Erreichen der gesetzlich vorgeschriebenen Altersgrenze infolge seines Gesundheitszustandes wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit entlassen oder in den Ruhestand versetzt wird.“

Ein arbeitsmedizinisches Gutachten attestierte der Versicherungsnehmerin einen fortgeschrittenen Verschleiß des linken Kniegelenks. Infolge der Krankheit war sie als Briefzustellerin nicht mehr einsetzbar. Sie war nicht mehr im Stande ihre Amtspflichten zu erfüllen. Der Dienstherr versetzte sie in Folge ihres Gesundheitszustandes in den Ruhestand.

Die Berufsunfähigkeitsversicherung bestritt den Eintritt des Versicherungsfalls und verweigerte die Rentenzahlungen. Die Versicherung vertrat die Ansicht, dass sie ein Recht habe zu überprüfen, ob die Beamte nicht anderweitig berufstätig sein könnte.

Allgemeine Dienstunfähigkeit aufgrund des Gesundheitszustands?

Um die vertraglich zugesicherten Leistungen beanspruchen zu können, müsste die Beamte im Sinne der Versicherungsbedingungen berufsunfähig sein. Die Bedingungen sehen im Sinne einer „echten“ Dienstunfähigkeitsklausel vor, dass die versicherte Berufsunfähigkeit eintritt, wenn die Beamtin infolge ihres Gesundheitszustandes wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit entlassen oder in den Ruhestand versetzt wird. Der Dienstherr versetzte die Beamtin nach eigeholtem Arztgutachten aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand. Er erkannte die Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen damit an. Der Versicherungsfall trat foglich ein.

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Ist die Dienstunfähigkeitsversicherung an die Feststellung des Dienstherrn gebunden?

Die Versicherung verweigerte dennoch die Leistung. Nach Ansicht der Berufsunfähigkeitsversicherung stehe ihr ein eigenes Überprüfungsrecht des Gesundheitszustandes zu, so ihre Ansicht. Allerdings könnte sich die unwiderlegliche Bindungswirkung der Entscheidung des Dienstherrn aus der Klausel ergeben. Versicherungsbedingungen müssen ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlicher nicht fachkundiger Versicherungsnehmer verstehen muss. Der Entscheidung des Dienstherrn muss von Gesetzeswegen eine ärztliche Begutachtung vorgehen. Diese Attestierung wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer als abschließende Feststellung bezüglich des Gesundheitszustandes verstehen. Somit besteht nicht ohne weiteres ein Grund für die erneute Begutachtung der Gesundheit durch die Berufsunfähigkeitsversicherung.

Außerdem formuliert die Klausel gerade kein zusätzliches Erfordernis. Der Versicherungsfall tritt nach der Interessenlage des Versicherungsnehmers allein dadurch ein, dass der Dienstherr die allgemeine Dienstunfähigkeit bejaht. Die Bindungswirkung der Feststellung ist insbesondere deshalb anzunehmen, weil der Beamte sonst keine Sicherheit darüber hat, ob die Frühpensionierung vom Versicherer akzeptiert wird.

Die Entscheidung des Dienstherrn ist somit abschließend und die Versicherung kann den Eintritt des Versicherungsfalls nicht widerlegen.

„Echte“ oder „Unechte“ Dienstunfähigkeitsklausel?

Die Verbindlichkeit der Entscheidung besteht nur für die Berufsunfähigkeit im Sinne einer „echten“ Dienstunfähigkeitsklausel. Es reicht allein die Entscheidung zur Versetzung in den Ruhestand aus. Anders verhält sich die Bindungswirkung bei einer „unechten“ Dienstunfähigkeitsklausel. Der Versicherer behält sich hierbei die Widerlegung der Gesundheitsgründe vor. Die Entscheidung des Vorgesetzten hat dann keine alleinige Bindungswirkung.  Somit kommt es bezüglich der Bindungswirkung im Einzelfall auf den Gehalt der Klausel an.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Das Urteil ist wegweisend für die Verbindlichkeit von Entscheidungen des Dienstherrn. Diese haben im Anwendungsbereich der „echten“ Dienstunfähigkeitsklausel verbindliche Wirkung für die Berufsunfähigkeitsversicherung. Der Versicherungsfall tritt hierbei allein durch die gesundheitsbedingte Versetzung in den Ruhestand ein. Zu beachten ist, dass nur bei einer „echten“ Dienstunfähigkeitsklausel die Entscheidung des Dienstherrn letztverbindlich ist. Verwendet der Versicherer eine „unechte“ Dienstunfähigkeitsklausel behält er sich eine eigene Überprüfung der Gesundheit vor und kann die Regelung des Dienstherrn widerlegen.

Es sollte stets ein Fachanwalt für Versicherungsrecht mit der Klärung von Leistungsansprüchen gegen den Versicherer betraut werden. Nachfolgend ist eine lesenswerte Zusammenfassung, die auch die Abgrenzung von “echten” und “unechten” Dienstunfähigkeitsklauseln erläutert, zu finden: „Dienstunfähigkeitsversicherung“.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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