Erfolglose Unterlassungsklage vor AG Kassel gegen die Zusendung von Werbe-E-Mails

Ist die Zusendung einer bloßen Check-Mail im Rahmen eines Double-Opt-In-Prozesses (DOI-Verfahren) für den Online-Bezug eines Newsletters unerlaubte Werbezusendung? Darüber hatte das AG Kassel zu befinden (AG Kassel, Urt. v. 26.04.2022 – 435 C 1051/21)

Was war geschehen?

Der in A wohnhafte Kläger betreibt als Gesellschafter eine Firma für Telekommunikationsdienstleistungen, für die er auch handlungsbevollmächtigt ist, und daneben noch eine Einzelfirma für Consulting-Dienstleistungen. Die Beklagte betreibt u.a. einen Online-Shop für Fleisch- und Wurstwaren.

Der Kläger mahnte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20.11.2020 die Beklagte wegen der Zusendung unverlangter E-Mail-Werbung ab. Die Beklagte reagierte hierauf nicht. Der Kläger behauptet, er habe am 14.11.2020 unaufgefordert von der Beklagten an seine E-Mail-Anschrift eine E-Mail erhalten. Die Beklagte hatte dem Kläger eine Check-Mail zugesandt, um die Eintragung in ihren Newsletter durch den DOI-Prozess zu überprüfen. Der Kläger sah darin einen Rechtsverstoß, da er sich gar nicht angemeldet hätte. Die Angaben zur Person der Beklagten genügten nicht den rechtlichen Anforderungen. Er ist der Ansicht, dies stelle eine Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Es handele sich um eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3a UWG, dass sich die Behandlung einer solchen E-Mail nicht darin erschöpfe, sie nur mittels eines Mausklicks wieder zu löschen. Mit der Klage begehrt der Kläger die Unterlassung der Zusendung von Werbe-E-Mails und die Erstattung der Abmahnkosten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger die von ihm benannte E-Mail erhalten habe. Ihr System funktioniere so, dass ein Besucher Ihrer Webseite sich unter Angabe einer E-Mail-Adresse für den Bezug ihres Newsletters anmelden könne. Erst wenn über den Link der Anmelde-E-Mail eine Bestätigung erfolge, speichere das System Daten. Die Beklagte habe die E-Mail-Adresse des Klägers nicht über einen Adresshandel erworben. Der Kläger müsse die E-Mail vom 14.11.2020 angefordert haben. Unaufgefordert geschehe solches nicht. Darüber hinaus sei die Abmahntätigkeit des Klägers rechtsmissbräuchlich, weil er in einer Vielzahl von Angelegenheiten mit gleich gelagertem Sachverhalt Abmahnungen ausbringe.

Die Entscheidung des AG Kassel

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das angerufene Gericht ist für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Zwar weise § 14 Abs. 1 UWG alle Rechtsstreitigkeiten aus dem UWG streitwertunabhängig ausschließlich den Landgerichten zu. Vorliegend handele es sich jedoch nicht um einen Rechtsstreit nach den Vorschriften des UWG. Soweit sich der Kläger darauf beruft, geschehe dies lediglich im Rahmen eines Anspruches aus §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 BGB. Da dieser ein Wert von weniger als 5.000 € habe, ist die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gegeben.

Kein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 BGB!

Dem Kläger stehe jedoch kein solcher Anspruch aus § 823 Abs. 1, 2, 1004 BGB zu und auch nicht aus einer anderen Rechtsgrundlage. Denn die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches nebst der Abmahnkosten sei rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB i. V. m. § 8c Abs. 1, 2 Nr. 1, 2 UWG.

Das Gericht führt zunächst an, dass § 8c Abs. 1, 2 UWG jedenfalls in seinem Rechtsgedanken bereits deswegen für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits herangezogen werden könne, weil sich der Kläger zu Begründung seines Unterlassungsanspruches ebenfalls der entsprechenden Anwendung lauterkeitsrechtlicher Vorschriften bzw. des daraus sendenden Rechtsgedankens bedient, hier des § 7 Abs. 2 Nr. 3a UWG.

Nach § 8c Abs. 1, 2 UWG stelle sich eine Abmahnung und auch die nachfolgende gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruches dann als unwirksam bzw. unbegründet heraus, wenn sie sich unter Abwägung der Gesamtumstände als missbräuchlich darstellt, insbesondere wenn die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche vorwiegend dazu dient, Ansprüche auf Aufwendungsersatz oder Rechtsverfolgungskosten oder einer Vertragsstrafe zu generieren bzw. eine erhebliche Anzahl von gleichartigen Verstößen mittels Abmahnung und/oder Klage geltend gemacht wird, die außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit des Abmahnenden stehen. Dies sei vorliegend gegeben, mein das AG Kassel.

Planmäßiges Vorgehen?

Im Streitfall habe die Beklagte durch die Präsentation von Ablichtungen von Internetseiten gewichtige Indizien vorgebracht. Diese sprechen für ein planmäßiges Vorgehen des Klägers, welches wiederum nicht vorrangig seinem eigenen Schutzinteresse vor der Zusendung von unerbetenen Werbe-E-Mails diene. Die Nennung einer konkreten abmahnenden Person in derartigen Seiten deute nach Auffassung des Gerichts darauf hin, dass es sich um ein massenhaftes Erscheinungsphänomen handelt, weil die Betreiber dieser Seiten darauf angewiesen sind, dass die Leser sich bzw. ihre Problemsituation darin wiederfinden, um eventuell selbst wieder eine eigene Geschäftstätigkeit des Seitenbetreibers daran anknüpfen zu können (z.B. den Erhalt eines Auftrags zur Abwehr einer Abmahnung bzw. einer entsprechenden Rechtsprüfung).

Handelt es sich um ein singuläres Ereignis, sei die Nennung des Namens der abmahnenden Partei uninteressant, gegebenenfalls sogar die Erwähnung der Fallkonstellation. Hier finden sich auf den von der Beklagten vorgelegten Internetseiten jedoch nicht nur die Bezeichnung des Klägers und seines auch in diesem Rechtsstreit auftretenden Prozessbevollmächtigten, sondern auch Sachverhaltsschilderungen, die dem hier streitgegenständlichen Vorgang sehr ähnlich sind, wenn nicht sogar entsprechen.

Angemessenheit der Abmahnung

Weiter führt das AG Kassel wie folgt aus: Liegt somit ein gewichtiges Indiz dafür vor, dass eine Vielzahl von Abmahnungen vom Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten ausgebracht worden sind, so stelle sich die Frage, ob dies dem Geschäftsbetrieb des Klägers angemessen ist. Er habe hierzu behauptet, seine betrieblichen E-Mail-Postfächer würden dadurch belastet.

Soweit er weiter vorgetragen hat, er betreibe eine Firma für Telekommunikationsdienstleistungen, so dürfte dies gleichwohl nicht zu einer Belastung führen, weil innerhalb seiner betrieblichen Organisation ohnehin Sichtung und Abschichtung von E-Mails dann an der Tagesordnung stehe. Das Eingehen eines Kostenrisikos durch Erteilung von Abmahnungsaufträgen könne sich dann schnell als unwirtschaftlich erweisen, weil nicht ohne weiteres damit zu rechnen sei, dass Kostenerstattungsansprüche durchsetzbar und gegebenenfalls in der Zwangsvollstreckung ohne weiteres zu befriedigen sind. Dies gelte erst recht dann, wenn sich nachfolgend Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegende entspannen. Denn daraus könne eine nicht unerhebliche Belastung für die wirtschaftlichen Ergebnisse der Unternehmen des Klägers bzw. für seine eigene Einkommenssituation entstehen, gegebenenfalls auch wegen der Sekundärhaftung für Gerichtskosten, so das Gericht.

Vor diesem Hintergrund komme es auf die üblichen Streitfragen der Parteien nicht mehr an, insbesondere nicht darauf, ob entgegen des Klagevorbringens keine unerbetene E-Mail von der Beklagten versendet wurde, ob ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3a UWG vorliegt oder ob in sonstiger Weise eine unzumutbare Belästigung beim Kläger vorlag.

Fehlt es solchermaßen an einem Hauptanspruch, so könne der Kläger auch nicht die Nebenforderungen – Erstattung der Abmahnkosten – beanspruchen.

Das Vorgehen der Beklagten war rechtmäßig!

Demgegenüber stehe der vom Kläger auch eingeräumte geringfügige Aufwand für das Löschen unerbetenen Werbe-E-Mails durch einfachen Mausklick. Dies gelte insbesondere dann, wenn es sich um eine E-Mail der hier streitgegenständlichen Art wie diejenige der Beklagten vom 14.11.2020 handelt. Denn es sei nicht damit zu rechnen, dass für den Fall einer ausbleibenden Bestätigung der E-Mail-Anschrift des Empfängers einer solchen Werbung Folge-E-Mails eingehen. Erst recht gelte dies dann, wenn nach dem insoweit nachvollziehbaren Vortrag der Beklagten im Termin vom 26.04.2022 im System der Beklagten die Empfängeranschrift einer solchen E-Mail händisch eingegeben werden muss und nicht durch einen automatisierten Vorgang eingesetzt werden kann.

Folglich komme es auch nicht darauf an, dass die in der E-Mail vom 14.11.2020 verwendete E-Mail-Anschrift des Klägers bereits Gegenstand eines vom Kläger erfolgreich bekämpften Adresshandels war und nach dem Vorbringen des Klägers dessen belastete E-Mail-Anschrift sei (im Unterschied zu seinen sonstigen), meint das Gericht.

Fazit

Das Urteil kann im Ergebnis überzeugen. Das AG Kassel hat sich in hiesigen Fall jedoch mehr auf die Rechtsmissbräuchlichkeit der klägerisch geltend gemachten Ansprüche konzentriert als auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der vorliegenden Zusendung von Werbe-E-Mail. Werbung in E-Mails ist stets ein wettbewerbsrechtlich brisantes Thema. Daher hätte sich das Gericht im Streitfall intensiver mit der Zusendung der Werbe-E-Mail beschäftigen und dazu eine detailliertere rechtliche Einschätzung vornehmen sollen.

Stets ist zu empfehlen, dass Vermittler auf entsprechende „Werbung“ in E-Mails verzichten sollten, um sich nicht angreifbar zu machen. Für den richtigen Auftritt im Rechtsverkehr sollten stets versierte Fachanwälte für Gewerblichen Rechtsschutz konsultiert werden.

Weitere Informationen zum Thema Wettbewerbsrecht sind hier zu finden: „Wettbewerbsrecht“. Insbesondere zum Thema „Werbung & Marketing“ sind nachfolgend interessante Urteilsbesprechungen zu finden: HIER

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Rechtsanwalt Björn Jöhnke

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