Das Kammergericht Berlin sich mit seiner Entscheidung vom 04.04.2017 (Az. 6 U 130/15) mit der Beendigung der Versicherungsfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung durch den rückwirkenden Bezug von Berufsunfähigkeitsrenten zu befassen gehabt. Dabei auch mit der Frage, ob die Krankenversicherung den Versicherten einen gesonderten Hinweis hätte dahingehend erteilen müssen, dass die Versicherungsfähigkeit mit dem rückwirkenden Bezug von BU-Renten endet.
Die klagende Versicherungsnehmerin begehrte von der beklagten Versicherung aus einem privaten Krankenversicherungsvertrag die Erstattung der Kosten von verschiedenen unstreitig medizinisch notwendigen Heilbehandlungen. Die beklagte Krankenversicherung erklärte jedoch die Aufrechnung mit einem Teil des geltend gemachten Anspruchs auf Rückzahlung erbrachter Leistungen aus der ebenfalls bestehenden Krankentagegeldversicherung. Dieses wegen nachträglich im gleichen Zeitraum von anderen Versicherern erbrachten Leistungen aus zwei privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen. Den Rest der geltend gemachten Forderung auf Leistungserstattung verfolgte die beklagte Versicherung im Rahmen einer gerichtlichen Widerklage.
Das Kammergerichtlich stellte in seiner vorgenannten Entscheidung das Folgende fest:
„Der Versicherer ist nicht verpflichtet den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass auch der rückwirkende Bezug von Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung nach dem Ende der Leistungszeit des Versicherers zu einem Rückzahlungsanspruch auf Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung führt.“
Der Klägerin steht der Anspruch auf Erstattung der abgerechneten Behandlungskosten aus dem mit der beklagten Versicherung geschlossenen Vertrag über eine Krankenversicherung nicht zu, denn der Anspruch ist gemäß § 389 BGB wegen der erklärten Aufrechnung mit dem Anspruch auf Rückzahlung von Krankentagegeldleistungen erloschen. Auch die Widerklage ist begründet, denn der beklagten Versicherung steht ein Anspruch auf Rückzahlung von Krankentagegeldleistungen im Zeitraum ab Mai 2012 bis Juli 2013 gemäß § 11 MB/KT in Verbindung mit § 12 TB/KT sowie § 812 Abs. 1 S. 2 BGB zu.
Gemäß § 11 MB/KT ist der Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit oder der Eintritt Berufsunfähigkeit einer versicherten Person dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Erlangt der Versicherer von dem Eintritt dieses Ereignisses erst später Kenntnis, so sind beide Teile verpflichtet, die für die Zeit nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses empfangenen Leistungen einander zurück zu gewähren.
Die Klausel verweist auf die Regelung in § 15 b) MB/KT, dessen Voraussetzungen in Verbindung mit Abs. 1 der zusätzlich geltenden TB/KT vorliegen. Danach soll die Leistungspflicht der beklagten Versicherung mit Eintritt von Berufsunfähigkeit enden mit der Option des Abschlusses einer Anwartschaftsversicherung.
Das Gericht stellt weiterhin fest, dass dem Eintritt der Berufsunfähigkeit der Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente gleichsteht. Die Klägerin hat nämlich unstreitig ab dem 01.02.2012 Leistungen aus zwei bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherungen erhalten.
Die Klauseln der zugrunde liegenden Versicherungsvertrages sind wirksam. Durch die Möglichkeit zum Abschluss einer Anwartschaftsversicherung im Hinblick auf die Krankentagegeldversicherung wird beim Eintritt von Berufsunfähigkeit dem Interesse des Versicherten Rechnung getragen, bei einer späteren Besserung des Gesundheitszustandes, die unvorhergesehen eintritt und die Berufsunfähigkeit beendet, wieder den Schutz der Krankentagegeldversicherung im Krankheitsfall zu beanspruchen (vgl. BGH v. 22.01.1992 – IV ZR 59/91).
Dass die Klägerin nicht für den identischen Zeitraum sowohl Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung, als auch aus der Berufsunfähigkeitsversicherung erhalten kann, stellt keine unangemessene Benachteiligung der Versicherten dar.
Gemäß § 192 Abs. 5 VVG ist der Versicherer bei einer Krankentagegeldversicherung verpflichtet, den als Folge von Krankheit oder Unfall durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen. Damit wird jedoch kein Leitbild vorgegeben, welche Voraussetzungen konkret für den Anspruch auf Zahlung vereinbart werden dürfen, wie insbesondere der Begriff der Arbeitsunfähigkeit definiert ist. Die Berufsunfähigkeitsversicherung und der Begriff der Berufsunfähigkeit sind in § 172 Abs. 1 und 2 VVG geregelt. Danach ist Voraussetzung für die Berufsunfähigkeit, dass der Versicherungsnehmer voraussichtlich auf Dauer seinen zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben kann.
Diese gesetzlichen Regelungen stehen Klauseln nicht entgegen, die die Voraussetzungen für Ansprüche zur Abgrenzung beider Versicherungsarten so definieren, dass nicht Leistungen aus beiden Versicherungen gleichzeitig bezogen werden können. Sie begründen deswegen auch keine Bedenken gegen eine Klausel in den Bedingungen der Krankentagegeldversicherung, die ein Ende der Leistungspflicht für den Fall vorsieht, dass Berufsunfähigkeit eintritt.
Der BGH hat bereits ausgeführt, dass Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit unterschiedliche Arten einer gesundheitlich bedingten Beeinträchtigung sind, die einander – jedenfalls typischerweise – ausschließen. Niemand kann deshalb erwarten, dass er aus ärztlicher Sicht, auf die in den Bedingungswerken für Krankentagegeld- wie Berufsunfähigkeitsversicherung und ebenso im Sozialversicherungsrecht abgestellt zu werden pflegt, als arbeits- und zugleich berufsunfähig beurteilt wird.
Die Krankentagegeldversicherung soll nur den Schaden ausgleichen, der im Falle von Arbeitsunfähigkeit durch Verdienstentgang entsteht, nicht aber Schäden, die darauf beruhen, dass eine wegen Berufsunfähigkeit gezahlte Rente einen Verdienstausfall nicht in der Höhe abdeckt, wie es die Krankentagegeldzahlungen vermöchten.
Hier liegt nach den Bedingungen in § 1 Abs. 3 MB/KT Arbeitsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, während gemäß § 15 b) MB/KT Berufsunfähigkeit eingetreten ist, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist. Durch die Gegenüberstellung des Begriffspaares “vorübergehend” und “auf nicht absehbare Zeit” wird dem Versicherten hinreichend der Umfang des Versicherungsschutzes verdeutlicht (vgl. BGH v. 11. 9. 2013 – IV ZR 303/12).
Auch überzeugt die Argumentation der Klägerin nicht, in der Klausel hätte darauf hingewiesen werden müssen, dass eine Rückforderung der Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung auch dann erfolgen kann, wenn die Zahlung der Berufsunfähigkeitsversicherung erst nach dem Leistungsende der Krankentagegeldversicherung erfolgt. Die Klägerin war vorliegend nicht schutzwürdig, denn Versicherte müssen sich Gedanken dazu machen, ob die tatbestandlichen Leistungsvoraussetzungen vorliegen.
Die Klägerin konnte sich nach den vorliegenden Bedingungen nicht für den identischen Zeitraum sowohl “vorübergehend” als auch “auf nicht absehbare Zeit” für unfähig gehalten haben, ihren bisherigen Beruf auszuüben. Mithin bedurfte es insoweit keiner weiteren Hinweise im Vertrag auf die Folgen eines doppelten Leistungsbezuges.
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Hat die Beklagte vorliegend eine Berufsunfähigkeit ursprünglich erst zum April 2013 angenommen und die Leistungen zum 29.07.2013 hin eingestellt, hatte es die Klägerin in der Hand, Leistungen aus den Berufsunfähigkeitsversicherung erst ab April 2013 zu beantragen. Beantragte und bezog sie gleichwohl Leistungen für einen zurückliegenden Zeitraum ab dem 01.02.2012 aus diesen Versicherungen, geschah dies auf ihr eigenes Risiko, die vom Beklagten erhaltenen Krankentagegeldleistungen erstatten zu müssen. Sie wusste auch, dass sie sich widersprüchlich verhielt, wenn sie gegenüber der beklagten Versicherung für diesen Zeitraum einen vorübergehenden Zustand behauptet hatte, während sie gegenüber den Berufsunfähigkeitsversicherern einen Dauerzustand vortrug.
Es verhilft der Berufung der Klägerin auch nicht zum Erfolg vorzutragen, im Sozialrecht gelte der Grundsatz, dass sie wenigstens die höhere Leistung behalten dürfe. Denn die Klägerin übersieht, dass es hier um rein vertragliche – und damit privatrechtliche – Vereinbarungen geht, für die Regelungen der gesetzlichen Sozialversicherung nicht anwendbar sind.
Es liegt auch kein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip vor, denn auch die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung dienen der Absicherung eines Verdienstausfalls der Klägerin wegen Krankheit. Sie bleiben allerdings in der Höhe hinter den Leistungen der Krankentagegeldversicherung zurück. Damit ist die Klägerin jedoch nicht schutzlos im Hinblick auf die Folgen einer Erkrankung.
Das Urteil kann nur bedingt überzeugen. Auf der einen Seite dürfte anhand der Versicherungsbedingungen schon hinreichend klar sein, dass ein gleichzeitiger Bezug von Leistungen – aus der Krankentagegeldversicherung und der Berufsunfähigkeitsversicherung – sich ausschließen. Auch haben beide Versicherungen unterschiedliche Absicherungsziele mit entsprechend unterschiedlichen Definitionen. Auf der anderen Seite findet jedoch der Umstand vorliegend keine Berücksichtigung, dass der Versicherte kaum einen Einfluss auf die Leistungsregulierung der beiden verschiedenen Versicherungen hat, insbesondere nicht auf diejenige der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Berufsunfähigkeitsversicherung hat eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Würdigung der eingereichten medizinischen Unterlagen. Diese Leistungsregulierung kann dazu führen, dass ein BU-Versicherer für einen anderen Zeitraum anerkennt, als der Versicherte beantragt hat. Denn wann sich der Versicherte selbst – und damit subjektiv – für berufsunfähig hält, kann abweichen von medizinischen Einschätzungen, welche die subjektive Einschätzung des Versicherten bestenfalls objektivieren. Bei weiteren Zweifeln holen BU-Versicherer erfahrungsgemäß ehedem ein medizinisches Gutachten ein. Eine Begrenzung der Ansprüche seitens des Versicherten mittels des Leistungsantrages dürfte damit für den Versicherer nicht bindend sein, sodass diebbezüglich das Urteil an der Praxis vorbei geht.
Im Ergebnis unterliegt der Versicherte damit am Ende der Leistungseinschätzung der Versicherung. Von daher besteht naturgemäß ein Klärungsbedürfnis des Versicherten hinsichtlich genauerer Versicherungsbedingungen mit entsprechenden Definitionen, damit der Übergang von Krankentagegeld zur Berufsunfähigkeit klarer geregelt wird. Bis dahin bleibt es bei dem „Mythos des Nahtlosübergangs KT./.BU“.
Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Krankentagegeldversicherung“ zusammengefasst.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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