Unterfallen Uhren mit Goldgehäuse der Entschädigungsgrenze für Wertsachen? (LG Berlin)

Das LG Berlin hatte sich mit Urteil vom 29.12.2016, Az. 7 O 141/16, mit der Thematik der Entschädigungsgrenzen im Rahmen der Sachversicherung (Hausratversicherung) auseinanderzusetzen gehabt.

Diebstahl einer Uhr

Die Klägerin machte Ansprüche aus einer Hausratversicherung geltend, die ihr inzwischen verstorbener Ehemann seit September 2009 bei der Beklagten auf der Basis der VHB 2000 unterhielt. Versichert war der Hausrat zum Neuwert u.a. gegen Schäden durch Einbruchsdiebstahl bei einer Versicherungssumme in Höhe von ursprünglich 104.800 €.

Die Klägerin meldete der Beklagten dabei einen Einbruchsdiebstahl in die versicherte Wohnung wegen zwei entwendeter Rolex-Uhren. Die Beklagte prüfte so dann den Versicherungsfall und leistete an die Klägerin für Wertsachen gemäß Nr. 1 c VHB insgesamt 20.000 €. Die unverbindlichen Preisempfehlungen betrugen für die eine Uhr 24.250 € und für die andere Uhr 25.800 €.

In § 19 VHB ist zu den Entschädigungsgrenzen für Wertsachen einschließlich Bargeld u.a. Folgendes geregelt:

  1. Wertsachen sind […]
  2. c) Schmucksachen, Edelsteine, Perlen, Briefmarken, Telefonkarten, Münzen und Medaillen, sowie alle Sachen aus Gold oder Platin,
  3. Die Entschädigung für Wertsachen ist je Versicherungsfall auf insgesamt 20 Prozent der Versicherungssumme begrenzt, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.
  4. Ferner ist für Wertsachen, die sich außerhalb verschlossener mehrwandiger Stahlschränke mit einem Mindestgewicht von 200 kg … befinden, die Entschädigung je Versicherungsfall begrenzt auf 1.000 EUR für Bargeld … insgesamt 20.000 EUR für Wertsachen gemäß Nr. 1 c.

Die Klägerin war mit der Entschädigungsleistung des Versicherers der Höhe nach jedoch nicht zufrieden, denn sie war der Ansicht, dass die Uhren nicht den Entschädigungsgrenzen aus den Versicherungsbedingungen unterfallen würden. Die Klägerin forderte so dann je Uhr eine weitere Versicherungsleistung in Höhe von 15.000 €.

Die Beklagte legte jedoch Widerklage ein und begehrte die Feststellung, dass der Klägerin hinsichtlich der beiden streitgegenständlichen Uhren keine Ansprüche zustehen.

Die rechtliche Würdigung des LG Berlin:

Das LG Berlin wies die Klage der Klägerin als unbegründet ab. Die Widerklage der Beklagten hatte jedoch Erfolg:

Die Klägerin hat aufgrund der behaupteten Entwendung der Uhren keinen Anspruch gegen die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag, denn beide Uhren unterfallen den in § 19 VHB geregelten Entschädigungsgrenzen für Wertsachen. Es handelt sich bei den Uhren jedenfalls um Wertsachen, konkret um Sachen aus Gold im Sinne der § 19 Nr. 1 c. VHB. Dies ist das Ergebnis der Auslegung der Klausel (siehe auch BGH, Urteil vom 16.3.1983, Az. IVa ZR 111/81; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.12.1993, Az. 12 U 249/93). Dabei kann dahinstehen, ob die Uhren auch als Schmucksachen anzusehen sind.

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Auslegung der Versicherungsbedingungen

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht, wobei es dabei auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse ankomme (vgl. BGH, Urteil vom 17.2.2016, Az. IV ZR 353/14; BGH, Urteil vom 23.6.1993, Az. IV ZR 135/92).

Ein solcher Versicherungsnehmer wird dem Wortlaut der Klausel zunächst entnehmen, dass „alle Sachen aus Gold“, also insbesondere auch unabhängig davon, ob sie als Schmucksachen anzusehen sind, den Wertgrenzen unterfallen sollen. Im allgemeinen Sprachgebrauch steht jedoch die „goldene Uhr“ geradezu sprichwörtlich für eine Sache aus Gold.

Der verständige Versicherungsnehmer wird zur endgültigen Beantwortung der Frage, ob auch Sachen, die nicht ganz aus Gold bestehen, den Wertgrenzen unterliegen sollen, sodann den für ihn erkennbaren Zweck der Klausel in den Blick nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 25.7.2012, Az. IV ZR 201/10). Erkennbarer Sinn und Zweck von § 19 VHB ist es, das Risiko des Versicherers in sinnvoller Weise zu begrenzen, denn das Diebstahlsrisiko ist besonders groß bei Sachen von geringer Größe und erkennbar hohem Wert, die leicht entwendet werden können.

Besondere Gefährdung von Goldsachen

Die besondere Gefährdung von Goldsachen liegt hierbei auch in der Tatsache, dass ein Dieb sich den reinen Materialwert des Goldes durch Umarbeiten oder Einschmelzen verhältnismäßig leicht zunutze machen kann. Das gilt auch dann, wenn der Materialwert des Goldes den Wert der ganzen Sache – wie hier – nicht erreicht. Ein Dieb nimmt nämlich auch die Vernichtung höherer Sachwerte oder auch Markenwerte in Kauf, um sich den Materialwert des Goldes zunutze machen zu können. Deshalb sind Goldsachen auch dann, wenn sie nicht ganz aus Gold bestehen, ihr Wert aber vom Materialwert des Goldanteils – wie vorliegend – wesentlich mitbestimmt wird, dem Diebstahlsrisiko in höherem Maße ausgesetzt als andere Sachen.

Die Entschädigung für Wertsachen gemäß Nr. 1 c. ist nach § 19 Nr. 3 c. VHB auf insgesamt 20.000 € begrenzt. Für Wertsachen gemäß Nr. 1 c. VHB hat die Beklagte aufgrund des streitgegenständlichen Versicherungsfalls jedoch unstreitig bereits 20.000 € gezahlt. Weitergehende Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu, da im Ergebnis für beide Uhren die vorliegenden Entschädigungsgrenzen gelten.

Hinweis für die Praxis:

Das Urteil überzeugt im Ergebnis, wenn gleich lange Streit um die Auslegung der Klausel bestand und viele Versuche gescheitert waren, die Begrenzungsklausel der Versicherer auszuhebeln. Dabei musste jedoch stets auf den Einzelfall abgestellt werden, da die Uhren zu unterschiedlichen teilen und zu unterschiedlichen Verhältnissen aus Gold und / oder Platin bestanden, so dass die streitgegenständliche Klausel auch jeweils einer anderen Auslegung zugänglich war. Bestehen jedoch wesentliche Teile des Gegenstandes aus Gold, kann – wie vorliegend – dahinstehen, ob unter die Klausel auch Gegenstände fallen, die nicht zumindest überwiegend aus Gold hergestellt sind. Im Ergebnis war damit der in der Klausel genannte Goldbegriff erfüllt.

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Lehnt der Versicherer Leistungen aus dem Versicherungsvertrag ab, so sollte spätestens zu diesem Zeitpunkt Expertenrat hinzugezogen werde. Die Kanzlei blickt dabei auf eine Vielzahl von Versicherungs- und Leistungsfällen gegen Versicherungen zurück und kann Ihnen deswegen mit Erfahrung und Kompetenz dienen. Die Rechtsanwälte der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte vertreten die Mandanten bundesweit. Weitere Informationen und Rechtsprechungen haben wir für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Hausratversicherung“ zusammengefasst.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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