
Das Oberlandesgericht Schleswig hatte sich in einem Versicherungsprozess mit der Frage zu befassen, welche Folgen eine mehrmalige Leistungsbefristung einer Berufsunfähigkeitsversicherung haben kann und ob es dadurch zu einem unbefristeten Anerkenntnis des Versicherers kommen kann (OLG Schleswig, Beschluss v. 10.02.2025 – 16 U 115/24).
Die Versicherungsnehmerin war Erzieherin und seit 2000 in einer Krippe tätig. Seit Dezember 2001 unterhielt sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung.
Ab Juli 2015 litt die Versicherungsnehmerin an den Beschwerden einer Wirbelsäulenerkrankung. Eine Operation und Medikamente halfen nicht, die Beschwerden zu lindern, woraufhin sie am 01.05.2016 Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung beantragte (siehe Der Leistungsantrag in der Berufsunfähigkeitsversicherung).
Mit Schreiben vom 20.12.2016 teilte der Versicherer der Versicherungsnehmerin mit, dass die Leistungsprüfung erst abgeschlossen werden könne, nachdem der medizinische Behandlungsverlauf und das Ergebnis der Wiedereingliederungsmaßnahmen vorlägen. Basierend auf den bis dahin vorliegenden Arztberichten erkannte der Versicherer die Berufsunfähigkeit für den Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 01.12.2016 an und erbrachte dementsprechend die Leistungen.
Die Wiedereingliederung brach die Versicherungsnehmerin ab, wie sie dem Versicherer am 09.01.2017 mitteilte. Um dies zu begründen, reichte sie eine sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme ein, die bescheinigte, dass die Wiedereingliederung aufgrund starker Schmerzen und extremer Beeinträchtigungen scheiterte. Eine Tätigkeit als Erzieherin war langfristig, möglicherweise auch dauerhaft, nicht mehr möglich.
Dagegen wendete der Versicherer ein, dass die Versicherungsnehmerin zwar der Tätigkeit als Erzieherin nicht mehr nachgehen könne, dafür jedoch eine anderweitige körperlich leichtere Tätigkeit möglich wäre. Da also die Möglichkeit einer anderen zumutbaren beruflichen Tätigkeit vorläge, lagen die Leistungsvoraussetzungen der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht vor.
Zur Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung erklärte der Versicherer jedoch, dass er weiterhin bis zum 01.10.2017, beziehungsweise bis zur Tätigkeitsaufnahme leisten würde.
Nach weiterem Schriftwechsel und einer unveränderten gesundheitlichen Situation verwies der Versicherer die Erzieherin auf eine Tätigkeit in einem Hort oder in einem Kinder-, Jugendwohn- und Erziehungsheim, da dort das Heben und Tragen von Kindern entfiele und stellte die Leistungen ab dem 01.10.2017 ein.
Mit der Leistungseinstellung gab sich die Versicherungsnehmerin nicht zufrieden und klagte vor dem Landgericht Itzehoe. Sie vertrat die Auffassung, dass die mehrmalige Leistungsbefristung in der Berufsunfähigkeitsversicherung unwirksam wäre und der Versicherer sich aus dem Grund nicht auf die Befristung berufen könne. Außerdem sei ihrer Meinung nach auch eine Verweisung nicht möglich gewesen, da diese schon zur Zeit der Anerkenntnisse möglich gewesen sei, wodurch eine spätere Nachholung nicht möglich gewesen wäre.
Der Versicherer hingegen war der Meinung, dass die Erklärungen kein Anerkenntnis, sondern nur eine Kulanzleistung dargestellt hätten. Er habe ausdrücklich mitgeteilt, dass die Leistungsvoraussetzungen nicht vorlagen. Auch die Prüfung der Verweisungsmöglichkeiten sei nicht versäumt worden, da die Berufsunfähigkeit einerseits noch nicht nachgewiesen wurde und andererseits noch von der Durchführung von Reha-Maßnahmen ausgegangen worden sei.
Das Landgericht Itzehoe entschied zugunsten der Versicherungsnehmerin, die dementsprechend fortlaufend ab Oktober 2017 die Leistungen verlangen könne (LG Itzehoe, Urt. v. 29.11.2024 – 3 O 147/20). Gegen diese Entscheidung legte der Versicherer Berufung zum Oberlandesgericht Schleswig ein.

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Die Berufung des Versicherers blieb ohne Erfolg. Auch das Oberlandesgericht Schleswig kam zu der Entscheidung, dass die Versicherungsnehmerin fortlaufend Anspruch auf die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung habe.
Die Erklärung des Versicherers vom 20.12.2016 sei zunächst als Kulanzleistung zu verstehen gewesen. Die zweite Erklärung hingegen, mit der die Leistungen verlängert wurden, war als Anerkenntnis zu verstehen, welches den Versicherer unbefristet band (hierzu auch Änderungsmitteilung nach unwirksam befristetem Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit (LG Berlin)).
Der Grund dafür sei jedoch nicht wie von der Versicherungsnehmerin vorgetragen die mehrmalige Leistungsbefristung in der Berufsunfähigkeitsversicherung, sondern lediglich die Tatsache, dass eine bloße Kulanzleistung zu dem Zeitpunkt der zweiten Erklärung nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Ein befristetes Anerkenntnis müsse grundsätzlich einen sachlichen Grund haben und auch dem Versicherungsnehmer gegenüber begründet worden sein (vgl. Sind zeitlich befristete Anerkenntnisse bei Berufsunfähigkeit zulässig? (BGH)).
Dem Versicherer lagen umfangreiche Berichte vor, die eine Berufsunfähigkeit bescheinigten. Die Argumente, dass auf Reha-Maßnahmen gewartet werde, sei nicht tragfähig gewesen. Aufgrund der langjährigen Erfahren als Krippenerzieherin war die Versicherungsnehmerin auch nicht ohne weiteres verweisbar (siehe auch Verweisungstätigkeit & Arbeitsplatzverlust bei Berufsunfähigkeit).
Schlussendlich kam das Oberlandesgericht Schleswig zu dem Entschluss, dass der Versicherer lediglich versuchte, sich vor einer endgültigen Entscheidung zu drücken. Die Leistungspflicht könne künftig nur entfallen, wenn die Berufsunfähigkeit entfiele, da auch eine Verweisung nicht mehr möglich sei.
Die Entscheidung des Oberlandesgericht Schleswig zeigt, dass eine Erklärung des Versicherers bereits ein Anerkenntnis darstellen kann, auch wenn es nicht als ein solches formuliert oder gedacht war. Die genaue Formulierung und die vorherigen Erklärungen sind im Einzelfall genau zu prüfen. Ein Anerkenntnis kann in so einem Fall nur durch ein Nachprüfungsverfahren wieder revidiert werden. Mit den Anforderungen an eine Einstellungsmitteilung beziehungsweise eine Nachprüfungsentscheidung beschäftigten sich ebenfalls die folgenden obergerichtlichen Urteile:
Besonders relevant in diesem Kontext ist auch die sogenannte Uno-Actu-Entscheidung in der Berufsunfähigkeitsversicherung, wenn Versicherer gleichzeitig ein Anerkenntnis und eine entsprechende Nachprüfung anordnet, um sich gegebenenfalls wieder von seiner Leistungspflicht zu befreien (siehe Uno-Actu-Entscheidungen).
Lehnt ein Versicherer Leistungen ab oder erkennt diese nur befristet an, bietet es sich oft an, einen im Bereich Versicherungsrecht spezialisierten Fachanwalt hinzuzuziehen. Dieser kann bei der Leistungsprüfung und gegebenenfalls im weiteren Verlauf unterstützen. Dafür stehen gerne auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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