Das Landgericht Münster befasste sich in seinem Urteil vom 06.08.2024 (Az.: 115 O 244/23) mit der Repräsentantenstellung bei Gebäudebrand. Der Bewohner des Gebäudes hatte im Rahmen einer Selbsttötung ein ganzes Gebäude in Brand gesetzt, welches dabei komplett zerstört wurde.
Der Bewohner des Gebäudes war zunächst auch dessen Eigentümer. Für das Gebäude wurde am 15.08.1996 eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen. Im Januar 2019 wurde das Gebäude an die späteren Kläger veräußert. Der Eigentumsübergang wurde dem Wohngebäudeversicherer nicht angezeigt aber ins Grundbuch eingetragen, wodurch die Versicherung auf die Käufer der Immobilie überging.
Die Käufer der Immobilie gewährten dem Voreigentümer ein lebenslanges Wohnrecht in dem Gebäude. Er wohnte nicht nur in dem Gebäude, sondern führte dort auch ein Künstleratelier. Er hatte somit auch ein wirtschaftliches Interesse an der Erhaltung des versicherten Gebäudes, wodurch sich seine Rechtsstellung von der eines Mieters oder Pächters unterschied.
Am 02.10.2020 geriet das Gebäude in Brand und wurde vollständig zerstört. Der Bewohner des Hauses wurde tot aufgefunden. In dem abgebrannten Haus wurden Benzinkanister gefunden, die höchstwahrscheinlich von dem Bewohner selbst stammten. Der Brand wurde durch mehrere Brandherde ausgelöst. Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass sich der Bewohner durch einen Brand selbst töten wollte.
Die Käufer der Immobilie machten den Schaden bei dem Wohngebäudeversicherer geltend. Der Wohngebäudeversicherer regulierte daraufhin einen Teil des Schadens. Die Käufer der Immobilie verlangten jedoch zusätzlich die Zahlung der Differenz zu dem Neuwertschaden.
Der Wohngebäudeversicherer war der Meinung, er sei von der Leistung befreit worden, da der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt wurde. Dem Versicherer nach ist der Brand durch Brandstiftung unter Verwendung eines Brandbeschleunigers entfacht, was sich aus den mehreren Brandherden schließen lässt. Das Handeln des Bewohners sei den Versicherungsnehmern zuzurechnen, da der Bewohner als Voreigentümer, Nutzungsberechtigter und unmittelbarer Eigenbesitzer Repräsentant der Versicherungsnehmer war (siehe auch Brandstiftung durch mit Vertragsverwaltung betrauten Repräsentanten (BGH)).
Außerdem wendete der Versicherer ein, dass das Gebäude unterversichert war und ihm die Veräußerung an die Versicherungsnehmer nicht angezeigt wurde. Das hätte dazu geführt, dass die Leistungspflicht geringer gewesen wäre oder er das Versicherungsverhältnis unter Kenntnis des Eigentümerwechsels beendet hätte.
Die Käufer der Immobilie behaupteten, dass der Bewohner nicht die Absicht hatte, das ganze Gebäude, sondern lediglich sich selbst, in Brand zu setzen. Außerdem sei ihnen das Verhalten des Bewohners nicht zuzurechnen, da der Bewohner nicht als Repräsentant der Versicherungsnehmer anzusehen sei. Die Risikoverwaltung sei dem Bewohner nämlich nicht zugekommen und außerdem war auch das lebenslange Wohnrecht kein Grund, dass der Bewohner als Repräsentant galt.
Bezüglich der Unterversicherung machten die Versicherungsnehmer geltend, dass diese nicht zu einer Leistungsfreiheit führe und außerdem auf eine damalige Falschberatung des Versicherers beruhe.
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Das Landgericht Münster entschied, dass die Versicherungsnehmer keinen weiteren Anspruch auf Versicherungsleistungen gegen den Versicherer hatten.
Einen sicheren und überzeugenden Beweis, dass das Handeln des Bewohners vorsätzlich war, hat der Versicherer nach Ansicht des Landgericht Münsters erbracht. Bzgl. der Anforderungen an die Beweispflicht verwies das LG Münster auf die Rechtsprechung des BGH (siehe hierzu BGH, Urteil vom 22.11.2006 – Az.: IZ ZR 21/05). Auch wenn das Ziel des Bewohners lediglich seine Selbsttötung war, hat er den Brand des kompletten Gebäudes billigend in Kauf genommen. Der Vorsatz musste sich dafür nicht zwingend auf den konkreten Schaden beziehen. Vorsätzliches Handeln lag bereits dann vor, als der Bewohner die Ausbreitung des Brandes billigend in Kauf genommen hat.
Weiterhin stimmte das Landgericht Münster der Auffassung des Versicherers zu, dass das Handeln des Bewohners den Versicherungsnehmern zuzurechnen sei. Der Bewohner war als Repräsentant der Versicherungsnehmer anzusehen. Der Bewohner und Voreigentümer war ein risikoverwaltender Repräsentant der Versicherungsnehmer bezüglich des abgebrannten Gebäudes. Dies wurde zum einen mit dem wirtschaftlichen Interesse des Bewohners begründet, als auch damit, dass der Bewohner das Grundstück und das Gebäude verwaltet und beherrscht hat. Aufgrund seiner Position, die ihn von Mietern oder Pächtern unterschied, wurden ihm Ausbesserungs-, Erneuerungsaufwendungen und alle weitergehenden Instandhaltungsmaßnahmen übertragen. Er musste zwar Rücksicht auf die Eigentümer nehmen, war jedoch ansonsten befugt, selbstständig bedeutende Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Eine solche Befugnis haben Mieter oder Pächter nicht.
Durch die Zurechnung des Handelns des Repräsentanten wurde der Versicherer von der Leistungspflicht befreit. Die Entscheidungen über die Unterversicherung, den Eigentümerwechsel oder den Beratungsfehler waren daher nicht weiter entscheidungserheblich. Infolge der Repräsentantenstellung bei Gebäudebrand bestand sowieso kein Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen.
Das Urteil des Landgericht Münster zeigt, dass sich eine Repräsentantenstellung bei Gebäudebrand stets aus den genauen Umständen des Einzelfalls ergibt und nicht pauschal angenommen oder abgelehnt werden kann. Bei Streitigkeiten mit dem Versicherer kann es sich daher durchaus empfehlen, einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.
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