Das Oberlandesgericht Hamm beschäftigte sich in seiner Entscheidung vom 11.05.1995 (Az.: 18 U 57/94) mit der Frage einer Beratungspflicht bei Änderung der Rechtsprechung. Konkret ging es darum, dass ein Versicherungsmaklers es unterlassen hatte einen Gynäkologen auf den sich durch eine geänderte Rechtsprechung veränderten Haftungsrahmen und damit verbundenen höheren Versicherungsbedarf bezüglich seiner Berufshaftpflichtversicherung zu informieren.
Der Versicherungsnehmer, von Beruf Gynäkologe, ließ seine Versicherungsverträge fortlaufend von einer Versicherungsmaklerin betreuen und verwalten. 1979 trat der Versicherungsnehmer in eine Berufshaftpflichtversicherung ein, in der unter anderem Vermögensschäden bis zu 25.000 DM versichert waren.
Im Jahr 1987 stellte der Versicherungsnehmer bei einer damals 37-jährigen Patientin eine Schwangerschaft in der zehnten Woche fest. Nach einer unterbliebenen Fruchtwasseruntersuchung gebar die Patientin ein Kind mit Trisomie 21. Daraufhin machten die Eltern des Kindes einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Versicherungsnehmer geltend. Der Versicherungsnehmer sollte den Unterhaltsaufwand, eine monatliche Unterhaltsrente und den Unterhaltsmehrbedarf wegen der Pflegebedürftigkeit leisten.
Der Versicherungsnehmer machte daraufhin Leistungen gegenüber seiner Berufshaftpflichtversicherung geltend. Der Berufshaftpflichtversicherer verweigerte jedoch die Deckung des Schadens, der über 25.000 DM hinausging. Darauffolgend nahm der Versicherungsnehmer die Versicherungsmaklerin in Regress mit der Begründung, sie habe ihn unzureichend beraten.
Zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dem Eintritt des Versicherungsfalls hatte sich im Jahr 1980 die Rechtsprechung bezüglich Unterhaltsschäden geändert (vgl. BGH, Urt. v. 18.03.1980 – VI ZR 105/78). Der Versicherungsnehmer argumentierte daher, die Versicherungsmaklerin hätte ihn auf die Änderung der Rechtsprechung hinweisen und die Schließung der durch die Änderung der Rechtsprechung entstandene Lücke im Versicherungsschutz empfehlen müssen. Eine solche Beratungspflicht bei Änderung der Rechtsprechung habe die Versicherungsmaklerin verletzt.
Der Versicherungsnehmer klagte auf die Anerkennung, ihn von den Unterhaltsansprüchen, soweit diese 25.000 DM überschreiten, freizustellen. Das Landgericht Essen wies die Klage erstinstanzlich ab, woraufhin der Versicherungsnehmer Berufung einlegte und seine Interessen vor dem Oberlandesgericht Hamm weiterhin verfolgte.
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Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass die Versicherungsmaklerin wegen einer Verletzung der Beratungspflicht bei Änderung der Rechtsprechung aus dem geschlossenen Versicherungsmaklervertrag zum Schadensersatz verpflichtet ist und gab damit dem Versicherungsnehmer Recht.
Als Versicherungsmaklerin traf sie eine weitreichende Verpflichtung, den Versicherungsnehmer in Bezug auf seine Versicherungsangelegenheiten zu beraten und zu betreuen. Dazu zählte auch, für ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers kurzfristig für Schutz zu sorgen.
Dabei musste die Versicherungsmaklerin von sich aus die bestehenden Risiken und Versicherungslücken ausfindig machen und den Versicherungsnehmer dementsprechend beraten. Die nicht erfolgte Aufklärung über die entstandene Versicherungslücke stellte eine Verletzung der Beratungspflicht bei Änderung der Rechtsprechung dar. Die Versicherungslücke zu schließen hätte den Versicherungsnehmer nur gering belastet, weshalb davon auszugehen war, dass der Versicherungsschutz seitens des Versicherungsnehmers nicht abgelehnt worden wäre, wenn dem Versicherungsnehmer die Notwendigkeit klar gewesen wäre.
Weiterhin entschied das Oberlandesgericht Hamm, dass die Beratungspflichtverletzung fahrlässig war. Mit der einer Versicherungsmaklerin zukommenden Sorgfalt hätte sie erkennen müssen, dass den Versicherungsnehmer als Gynäkologe ein erhöhtes Haftungsrisiko traf. Auch eine Mitschuld des Versicherungsnehmers selbst war auszuschließen, da der vollständige Versicherungsschutz eben genau die Aufgabe der Versicherungsmaklerin war und nicht die des Versicherungsnehmers selbst.
Das Urteil des Oberlandesgericht Hamm zeigt, dass an die Pflichten von Versicherungsmaklern sehr hohe Anforderungen gestellt werden und es schnell zu einer Beratungspflichtverletzung eines Versicherungsmaklers kommen kann. Dies betrifft nicht nur die Beratung im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages, sondern auch die weitere Verwaltung des Versicherungsvertrages (hierzu auch Die Betreuungspflichten des Versicherungsmaklers).
Wer genau die Verantwortung für Lücken im Versicherungsschutz trägt, ist jedoch stets im Einzelfall zu prüfen. Liegen Unklarheiten bezüglich der Haftung des Versicherungsmaklers vor, kann es sich anbieten, auch auf die weiterführende Beratung eines im Versicherungsrechts spezialisierten Rechtsanwaltes zurückzugreifen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung, welche sich gerade im Bereich der Vermittlerhaftung spezialisiert haben. Weiterführende Informationen finden Sie auch unter Haftung und Beweislast für Beratungsfehler bei Vermittlung einer Versicherung. Weitere Informationen und Urteile zu der Thematik finden Sie auch unter der Kategorie Vermittlerhaftung.
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