Leistungsansprüche aus der Restschuldversicherung bei Suizid (OLG Schleswig)

Das Oberlandesgericht Schleswig befasste sich in seinem Urteil vom 30.09.2024 (Az.: 16 U 126/23) mit der Thematik der Leistungsansprüche aus der Restschuldversicherung bei einem Suizid. Dabei ging es auch darum, wer diese Leistungsansprüche überhaupt geltend machen kann.

Absicherung durch Restschuldversicherung bei Suizid?

Für die spätere Klägerin und ihren Ehemann bestand ab Mai 2021 eine Restschuldversicherung für die Rückzahlung eines Darlehensvertrags. Dabei kam der Vertrag in Form eines Gruppenversicherungsvertrages zustande, bei dem der Darlehensgeber der Versicherungsnehmer und die Eheleute versicherte Personen waren. In den Versicherungsbedingungen waren Informationen darüber enthalten, an wen die Leistungen der Restschuldversicherung zu zahlen sind und Sonderregelungen, sollte es sich um einen Tod durch Suizid gehandelt haben.

Am 17.02.2022 suizidierte sich der Ehemann, da er aufgrund von Oberbauchschmerzen davon ausging, an einer alkoholinduzierten Leberzirrhose erkrankt zu sein. Mittels ärztlicher Untersuchungen ließ sich die Erkrankung jedoch nicht bestätigen. Es war davon auszugehen, dass der Ehemann unter einer schweren Angststörung mit depressiven Anteilen litt. Außerdem hinterließ der Ehemann seiner Frau einen Abschiedsbrief, aus dem hervorging, dass der Ehemann fest davon ausging, durch den Alkoholkonsum bereits tödlich erkrankt zu sein und sich deswegen suizidierte.

Der Darlehensgeber setzte den Restschuldversicherer über den Todesfall in Kenntnis, woraufhin dieser wiederum einmalig die fällige Rate zahlte. Die Ehefrau, die nicht im Besitz des Versicherungsscheins war, verlangte weitergehende Leistungen aus dem Versicherungsverhältnis, was der Restschuldversicherer hingegen verweigerte. Die Ehefrau behauptete, dass ihr Mann aufgrund einer schweren Angststörung nicht mehr Herr seiner Sinne war und von der Angststörung beherrscht wurde. Ohne diese Angststörung hätte sich ihr Ehemann nicht das Leben genommen.

Der Versicherer erwiderte, dass nicht zu erkennen gewesen sei, dass der Ehemann sich krankheitsbedingt ohne freie Willensbestimmung das Leben genommen habe. Außerdem sei die Ehefrau nicht berechtigt gewesen, Leistungsansprüche aus der Restschuldversicherung geltend zu machen, da sie selbst keine Versicherungsnehmerin ist. Die Leistungsansprüche aus der Restschuldversicherung hätte lediglich der Darlehensgeber als Versicherungsnehmer geltend machen können.

Leistungsansprüche aus der Restschuldversicherung?

Mit dem Ziel, Leistungsansprüche der Restschuldversicherung für die noch übrige Darlehenssumme geltend zu machen, klagte die Ehefrau am 07.11.2022 vor dem Landgericht Itzehoe. Das Landgericht Itzehoe wies ihre Klage jedoch ab. Nach Auffassung des LG Itzehoe war die Ehefrau als versicherte Person nicht aktivlegitimiert. Gegen die Entscheidung des Landgericht Itzehoe vom 14.07.2023 (Az.: 3 O 97/22) legte die Ehefrau Berufung ein.

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OLG Schleswig entscheidet zugunsten von Ehefrau

Die Berufung der Ehefrau hatte weitestgehend Erfolg. Das Oberlandesgericht Schleswig entschied, dass die Klage der Ehefrau begründet war.

Nach der Klageabweisung durch das Landgericht Itzehoe ermächtigte der Darlehensgeber nämlich die Ehefrau mit Schreiben vom 31.07.2023 dazu, einen Anspruch auf die Zahlung an den Versicherungsnehmer geltend zu machen. Die Geltendmachung eines solchen Anspruchs war nur dann möglich, wenn die Ehefrau als versicherte Person im Besitz des Versicherungsscheins war oder über eine Zustimmung des Versicherungsnehmers verfügte. In dem Schreiben war eine solche Zustimmung jedoch enthalten, wodurch sie ab dem Zeitpunkt des Schreibens legitimiert war, die Leistungsansprüche aus der Restschuldversicherung geltend zu machen.

Zudem entschied das Oberlandesgericht Schleswig, dass die Voraussetzungen, dass der Suizid „in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit“ begangen worden ist, vorlagen. Eine solche freie Willensbestimmung war ausgeschlossen, wenn der Betroffene nicht in der Lage war, unbeeinflusst von vorliegenden Geistesstörungen zu handeln und zu entscheiden (vgl. BGH, Urt. v. 05.12.1995 – XI ZR 70/95). Für den Suizid des Ehemannes lagen keine nachvollziehbaren Motive vor. Er war zwar der Annahme, aufgrund der Leberzirrhose einen qualvollen Tod zu sterben, dies wurde von der Ärztin jedoch mehrmals verneint und zusätzlich teilte die Ärztin ihm mit, dass von einer vollständigen Regeneration der Leber auszugehen sei. Trotz dessen beschäftigte er sich im Internet fast ausschließlich mit Informationen zur Leberzirrhose und verschiedenen Suizidmöglichkeiten. Dies sprach für eine Angststörung (siehe auch Versicherungsschutz bei Suizid wegen Depressionen (LG Mönchengladbach)).

Auch die Tatsache, dass er einen Abschiedsbrief hinterließ und der Inhalt des Briefes, ließen nicht auf einen anderweitigen Suizidgrund schließen (siehe hierzu auch Beweis eines Suizids durch Abschiedsbrief (OLG Köln)). Die Vorstellungen des Ehemannes seien daher auf dieser Grundlage objektiv wahnhafte Gedanken gewesen, die auf keiner tatsächlichen Grundlage beruhten. Somit war eine freie Willensbildung ausgeschlossen, was bedeutet, dass Leistungsansprüche aus der Restschuldversicherung bestanden.

Fazit

Lehnt der Versicherer die Leistungen aus der Restschuldversicherung wegen eines Suizids ab, so sind oftmals die genauen Umstände des Todes von Bedeutung. Im Zweifel kann es daher empfehlenswert sein, eine Leistungsablehnung durch einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt überprüfen zu lassen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen und Entscheidungen zu dem Thema finden sie unter Zahlt die Lebensversicherung nach einem Suizid?

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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Rechtsanwalt Jens Reichow erklärt, welche Leistungsansprüche aus der Restschuldversicherung bei Suizid bestehen.

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