Falschberatung durch Versicherungsvermittler, Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler Beweislast

Verletzung der Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers (OLG Jena)

In dem Urteil vom 26.01.2023 (Az.: 4 U 4/22) beschäftigte sich das Oberlandesgericht Jena mit den Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers. Konkret war zu entscheiden, ob bestimmte Beratungspflichten begründet wurden und wann eine Verletzung der Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers vorliegt.

Versicherungswechsel nach Beratung des Versicherungsmaklers

Die Versicherungsnehmerin betrieb ein metallverarbeitendes Gewerbe. Auf dem Betriebsgelände befanden sich noch weitere Firmen, die durch ihre Gesellschafter verbunden waren.

Am 13.12.2007 schloss die Versicherungsnehmerin mit einem Versicherungsmakler einen Versicherungsmaklervertrag. Bereits im Dezember 2007 vermittelte der Versicherungsmakler der Versicherungsnehmerin eine Betriebshaftpflichtversicherung. Im September 2011 kam es dann nach weiteren Beratungen des Versicherungsmaklers zum Abschluss eines neuen Sachversicherungsvertrags mit Beginn zum 01.01.2012. Der Versicherungsort war das Betriebsgelände der Versicherungsnehmerin.

Nicht versichert war das Risiko eines Diebstahls vom Außengelände, was die Versicherungsnehmerin jedoch nicht wusste. Die anderen auf dem Gelände liegenden Firmen wurden weder in dem Versicherungsmaklervertrag noch in dem Sachsicherungsvertrag ausdrücklich als Vertragspartei aufgeführt. Die Versicherungsnehmerin ging jedoch davon aus, dass auch für diese Firmen Versicherungsschutz bestünde. In der Betriebshaftungsversicherung, die 2007 abgeschlossen wurde, waren sie auch aufgenommen worden.

Im November und Dezember 2013 zeigte die Versicherungsnehmerin zwei Diebstähle von außerhalb vom Gebäude gelagertem Material an. Das gestohlene Material war im vollständigen Eigentum einer der anderen Firmen, die auf dem Betriebsgelände ansässig waren. Da der Diebstahl vom Außengelände nicht mitversichert war, klagte die Versicherungsnehmerin vor dem Landgericht Meiningen wegen der Verletzung der Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers auf Schadensersatz.

Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers verletzt?

Die Versicherungsnehmerin war der Meinung, der Versicherungsmakler hätte für den Einbezug sämtlicher Firmen in den Versicherungsvertrag sorgen müssen, da ihm bewusst war, dass mehrere verbundene Unternehmen das Betriebsgelände gemeinsam nutzten. Außerdem hätte der Versicherungsmakler darauf hinweisen müssen, dass die im Außenbereich gelagerten Gegenstände nicht versichert waren. In diesem Fall hätte die Versicherungsnehmerin den alten Versicherungsvertrag aufrechterhalten oder einen anderen Versicherungsvertrag abgeschlossen.

Darüber hinaus hätte der Versicherungsmakler die Versicherungsnehmerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über die Finanzlage des Versicherers aufklären müssen. Aufgrund der Fehlbeträge und der Tatsache, dass der Versicherer erst seit 2011 auf dem Markt tätig gewesen ist, hätte der Versicherungsmakler die Bonität des Versicherers prüfen müssen (vgl. OLG Saarbrücken: Haftung des Versicherungsmaklers für Bonität des Versicherers). Hätte die Versicherungsnehmerin von der finanziellen Lage Kenntnis gehabt, hätte sie die Verträge entweder nicht abgeschlossen oder wieder gekündigt.

Der Versicherungsmakler dagegen war der Meinung, dass er keine Hinweispflicht bezüglich des fehlenden Versicherungsschutzes für Gegenstände auf dem Außengelände gehabt hätte, da das Betriebsgelände nicht Beratungsgegenstand gewesen sei. Bei der vorherigen Versicherung sei ein Diebstahl im Außenbereich ebenfalls nicht mitversichert gewesen. Zudem habe die Versicherungsnehmerin dem Versicherungsmakler nicht mitgeteilt, dass sie auch für andere Unternehmen Versicherungsschutz benötigte. Eine Bonitätsprüfung, so der Versicherungsmakler, sei die Pflicht der Versicherungsaufsicht gewesen und ebenfalls nicht seine Pflicht als Versicherungsmakler.

Das Landgericht Meiningen wies die Klage mit seinem Urteil vom 10.11.2021 (Az.: 3 O 388/21) ab. Ein Verstoß gegen die Beratungspflichten des Versicherungsmaklers sei nicht ersichtlich gewesen. Insbesondere auch zu einer Bonitätsprüfung sei der Versicherungsmakler nicht verpflichtet gewesen. Gegen das Urteil des Landgericht Meiningen legte die Versicherungsnehmerin Berufung ein. Die Berufung blieb jedoch erfolglos.

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Kein Schadensersatz trotz Beratungspflichtverletzung!

Das Oberlandesgericht Jena kam zu der gleichen Entscheidung wie das Landgericht Meiningen. Es verneinte einen Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin. Das Oberlandesgericht Jena kam zwar zu dem Entschluss, dass die Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers vorliegend verletzt wurden. Jedoch stehe der Versicherungsnehmerin jedoch keinen Anspruch auf Schadensersatz zu, da ihr selbst kein Schaden entstanden ist.

Die Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers gehen grundsätzlich weit. Aufgrund des Maklervertrags war der Versicherungsmakler verpflichtet, gewünschten und geeigneten Versicherungsschutz zu vermitteln. Wegen der umfassenden Pflichten konnte der Versicherungsmakler als treuhänderischer Sachwalter bezeichnet werden. Nähere Informationen zur Sachwalterstellung des Versicherungsmaklers finden Sie unter BGH: Versicherungsmakler ist treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers („Sachwalterentscheidung“)). Der Versicherungsmakler musste also von sich aus bereits die zu vermittelnde Versicherung und das Risiko genauestens prüfen.

Aufgrund fehlender Beratungsdokumentation, konnte nicht bewiesen werden, dass der Versicherungsmakler den Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers hinreichend nachgekommen ist. Ein Beratungsfehler lag zunächst darin, dass der Versicherungsmakler die Versicherungsnehmerin nicht nach den mit ihr verbundenen Unternehmen gefragt und demnach beraten hatte. Auch das Nichteinbeziehen der Gegenstände auf dem Außengelände war pflichtwidrig, entschied das Oberlandesgericht Jena, da der Versicherungsmakler nicht auf die Versicherungslücke hingewiesen hat.

Letztlich entscheidend war jedoch, dass der Versicherungsnehmerin selbst kein Schaden entstanden ist. Nur die Versicherungsnehmerin ist die Vertragspartnerin des Versicherungsvertrags. Aus diesem Grund ist in Bezug auf einen Schadensersatz lediglich auf ihr Vermögen abzustellen. Das entwendete Material war jedoch vollständig Eigentum eines anderen Unternehmens. Dieses Unternehmen war weder Versicherungsnehmerin, noch wurde es in den Versicherungsvertrag mitaufgenommen.

Fazit

Das Urteil des Oberlandesgericht Jena zeigt, dass an die Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers grundsätzlich sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Regelmäßig sind jedoch nicht nur die Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers entscheidend, sondern auch sonstigen Voraussetzungen des Schadensersatzes müssen berücksichtigt werden. Liegen Unklarheiten bezüglich der Haftung des Versicherungsmaklers vor, kann es sich anbieten, auch auf die weiterführende Beratung eines im Versicherungsrechts spezialisierten Rechtsanwaltes zurückzugreifen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung, welche sich gerade im Bereich der Vermittlerhaftung spezialisiert haben. Weiterführende Informationen finden Sie auch unter Haftung und Beweislast für Beratungsfehler bei Vermittlung einer Versicherung. Weitere Informationen und Urteile zu der Thematik finden Sie auch unter der Kategorie Vermittlerhaftung.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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Rechtsanwalt Jens Reichow berichtet über Urteil zu den Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers.

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