In seinem Urteil vom 05.12.2024 (Az.: 12 U 34/24) befasste sich das Oberlandesgericht Karlsruhe mit der Rechtmäßigkeit der konkreten Verweisung bei hoher Einkommenseinbuße.
Der Versicherungsnehmer, welcher 1982 geboren wurde, schloss mit Wirkung zum 01.12.1999 eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab. Zu dem Zeitpunkt war der Versicherungsnehmer als Bankkaufmann tätig.
Anschließend wurde er Torwart bei einem Profifußballverein. Seine Tätigkeit umfasste einen zeitlichen Umfang von 3 bis 4 Stunden an 5 bis 6 Tagen pro Woche, bis er sich im März 2014 eine Knieverletzung zuzog. Am 29.09.2015 stellte der Profifußballer einen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsrente. Daraufhin erkannte der Versicherer die Berufsunfähigkeit an und begann mit der Auszahlung der Berufsunfähigkeitsrente.
Nach einer gewissen Zeit begann der Versicherungsnehmer eine Tätigkeit als Torwarttrainer auszuüben. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug bei der neuen Tätigkeit 40 Stunden. Daraufhin führte der Versicherer ein Nachprüfungsverfahren (siehe hierzu Das Nachprüfungsverfahren) durch und verwies den Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 05.09.2022 auf die Tätigkeit als Torwarttrainer. Die Zahlung der versicherten Berufsunfähigkeitsrente stellte der Versicherer ab dem 31.10.2022 ein. Außerdem sollte der Versicherungsnehmer ab dem 01.11.2022 auch die Versicherungsbeiträge wieder zahlen.
Die Leistungseinstellung begründete der Versicherer mit dem aktuell erzielten Einkommen des Versicherungsnehmers. Dieses Einkommen sei zwar um einiges geringer als das vorherige als Profifußballer, ein solch hohes Einkommen könne jedoch aufgrund des Altersaspekts so oder so nur für begrenzte Zeit erzielt werden. Die hohe Einkommenseinbuße stehe demnach der Rechtmäßigkeit der konkreten Verweisung nicht entgegen (zu den Anforderungen siehe auch Die konkrete Verweisung). Ein geringeres Einkommen wie das als Torwarttrainer sei demnach ab dem Erreichen eines gewissen Alters ohnehin zu erwarten gewesen. Außerdem genieße laut dem Versicherer die neue Tätigkeit als Torwarttrainer auch das gleiche Ansehen, da der Beruf nicht deutlich geringere Kenntnisse oder Fähigkeiten verlangt.
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Um weiterhin Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu beziehen, klagte der Versicherungsnehmer vor dem Landgericht Karlsruhe. Das Landgericht Karlsruhe entschied am 20.02.2024 (Az.: 8 O 100/23), dass die konkrete Verweisung des Versicherungsnehmers durch den Versicherer wirksam gewesen ist. Der Versicherungsnehmer hätte darlegen müssen, aus welchen Gründen die jetzige Tätigkeit als Torwarttrainer nicht mit der vorherigen Tätigkeit als Profifußballer vergleichbar sei. Diese Darlegung ist dem Versicherungsnehmer dem Landgericht Karlsruhe nach nicht gelungen.
Der Versicherungsnehmer zeigte sich mit dem Urteil des Landgericht Karlsruhe nicht zufrieden und legte Berufung ein. Das Oberlandesgericht Karlsruhe änderte das Urteil daraufhin ab und verneinte die Rechtmäßigkeit der konkreten Verweisung des Profifußballers. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war zunächst der Zeitpunkt, auf den für den Einkommensvergleich abgestellt wurde.
Grundsätzlich ist auf das Einkommen zu dem Zeitpunkt der zuletzt gesunden Tage abzustellen, das sogenannte „Stichtagprinzip“ (vgl. BGH, Urt. v. 21.04.2010 – IV ZR 8/08). Das Landgericht Karlsruhe jedoch nahm Bezug auf ein „Nach-Karriere-Einkommen“. Dafür, auf einen solchen Zeitpunkt abzustellen, gibt es jedoch weder eine gesetzliche noch eine vorliegende vertragliche Grundlage. Es ist also das Einkommen vor der Berufsunfähigkeit mit dem aktuellen Einkommen zu vergleichen.
Außerdem sei auch das Ansehen beziehungsweise die soziale Wertschätzung nicht gleichermaßen gegeben. Fußballprofis genießen ein großes gesellschaftliches Ansehen und heben sich von anderen Berufen deutlich ab. Die Tätigkeit als Torwarttrainer dagegen genieße ein deutlich geringeres Ansehen. Zwar sei es ebenfalls ein angesehener Beruf im Bereich des Profisports, im Vergleich zu einem aktiven Profifußballer oder dem Cheftrainer sind die Positionen jedoch nicht vergleichbar.
Auch in Bezug auf den Einkommensvergleich stellte das Landgericht Karlsruhe auf falsche Umstände ab, so das Oberlandesgericht Karlsruhe. So wurden für den Einkommensvergleich auch künftige/ungewisse Prämien, die nicht sicher erhalten werden, in das Jahreseinkommen als Torwarttrainer miteinbezogen. Selbst wenn man jedoch die Prämien miteinbezieht und die Jahreseinkommen miteinander vergleicht, ist das Einkommen als Torwarttrainer um 77,6% geringer als das vorherige als Profifußballer.
Aufgrund des sehr hohen Einkommens als Profifußballer ist zusätzlich zu beachten, dass ein prozentual gleicher Einkommensverlust einen Profifußballer nicht so sehr einschränkt, wie eine Person mit niedrigerem Einkommen. Die Einkommenseinbuße kann bei einem Profifußballer folglich höher sein als bei einer anderen Tätigkeit. Eine Einbuße von mehr als 70% ist jedoch auch in Anbetracht der Besonderheiten des hohen Einkommens spürbar und ausreichend, sodass die bisherige Lebensstellung nicht mehr gewahrt ist und es an der Rechtmäßigkeit der konkreten Verweisung mangelt. Nach Betrachtung aller Umstände konnte demnach nicht davon ausgegangen werden, dass der Versicherungsnehmer wieder eine Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
Das Urteil des Oberlandesgericht Karlsruhe zeigt, dass die Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit der konkreten Verweisung je nach konkreter Tätigkeit variieren können.
Macht der Versicherer von seinem Nachprüfungsrecht Gebrauch und es erfolgt eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit, so ist genau zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine solche konkrete Verweisung erfüllt sind. Im Zweifel kann es sich dabei anbieten auch auf die weiterführende Beratung eines im Versicherungsrechts spezialisierten Rechtsanwaltes zurückzugreifen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung, welche sich gerade im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung spezialisierten haben.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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