Rechtsanwalt für Berufsunfähigkeit unterstützt bei der Geltendmachung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung (Berufsunfähigkeitsrente)

Ausfüllen der Gesundheitsfragen am Bildschirm (OLG Hamm)

Das Oberlandesgericht Hamm befasste sich in seinem Beschluss vom 15.01.2024 (Az.: 20 U 223/23) ein Ausfüllen der Gesundheitsfragen am Bildschirm dem Texterfordernis genügen kann und eine Falschbeantwortung der digital gestellten Gesundheitsfragen den Versicherer zu einem leistungsbefreienden Rücktritt berechtigen kann.

Anzeige von Gefahrumständen

Am 13.01.2015 beantragte der Versicherungsnehmer, ein Lehramtsreferendar, den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Bei Antragstellung wurde unter anderem erfragt, ob der Versicherungsnehmer „in den letzten 5 Jahren von einem Arzt, Heilpraktiker oder Therapeut (z.B. Psychotherapeut) wegen Krankheiten oder Beschwerden der Psyche, des Gehirns, des Nervensystems (z. B. Depressionen, Gemütsstörung, Psychose, Neurose, Essstörung, Sprachstörrungen, Gleichgewichtsstörungen, Anfallsleiden, Lähmungen, Kopfschmerzen, Migräne, Multiple Sklerose, Fibromyalgie) untersucht, beraten oder behandelt worden“ sei. Diese Frage verneinte der Versicherungsnehmer, obwohl er im Herbst des vorherigen Jahres bei einem Neurologen in Behandlung war aufgrund von Kribbeln an den Händen, Füßen und am Oberkörper. Aufgrund dessen wurde er neurologisch und radiologisch als auch mittels eines MRT untersucht. Der Neurologe diagnostizierte zu dem Zeitpunkt noch keine Erkrankung wie Multiple Sklerose (siehe auch Berufsunfähigkeit wegen Multiple Sklerose (MS)), nahm jedoch eine Somatisierungsstörung an, was auch unter „Beschwerden der Psyche, des Gehirns, des Nervensystems“ fällt.

Die Antragsfragen hatte ein Versicherungsvertreter dem Versicherungsnehmer vorgelesen und die Antworten des Versicherungsnehmers in einen Laptop eingegeben. Anschließend war der Versicherungsvertreter die Fragen mit dem Versicherungsnehmer erneut durchgegangen, wobei der Versicherungsnehmer den Text lesen konnte. Nach dem erneuten Durchgehen unterzeichnete der Versicherungsnehmer den Versicherungsantrag auf einem Unterschriftenpad. Zusätzlich hat der Versicherungsvertreter dem Versicherungsvertreter die Fragen, seine Antworten und die Belehrung auf einem Datenträger übergeben.

Als der Versicherer Kenntnis von dem Falschbeantworten der Gesundheitsfragen erlangt, berief er sich eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung (siehe auch Die vorvertragliche Anzeigepflicht). Er erklärt daraufhin mit Schreiben vom 07.11.2018 dem Versicherungsnehmer gegenüber den Rücktritt von dem geschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag (siehe auch Rücktritt der Berufsunfähigkeitsversicherung). Daraufhin klagte der Versicherungsnehmer vor dem Landgericht Bielefeld mit dem Ziel der Feststellung des Fortbestehens des Versicherungsverhältnisses. Das Landgericht gab jedoch dem Versicherer Recht und stellte fest, dass der Versicherer wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist. Der Versicherungsnehmer legte dagegen Berufung ein.

Rechtsanwalt für Versicherungsrecht

Bundesweite Unterstützung durch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow unterstützt ihre Mandanten bundesweit in versicherungsrechtlichen Streitigkeiten mit der Berufsunfähigkeitsversicherung. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.

Zur Kontaktaufnahme

Textformerfordernis des Leistungsantrags

Der Versicherungsnehmer berief sich vor Allem darauf, dass ein Ausfüllen der Gesundheitsfragen am Bildschirm nicht die gesetzlich vorgeschriebene Textform erfülle. Die Berufung blieb jedoch ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht Hamm kam zu der gleichen Entscheidung wie das Landgericht Bielefeld. Der Rücktritt des Versicherers war auch nach Ansicht des OLG Hamm berechtigt.

Ein Rücktritt des Versicherers vom Vertragsverhältnis aufgrund des Verstoßes gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht ist zwar nur dann möglich, wenn der Versicherer selbst die nötigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass die Gesundheitsfragen des Versicherers in Textform gestellt werden müssen. Um dieser Anforderung zu genügen, müssen die Fragen konkret zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen bereitgestellt werden (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 10.10.2012 – 5 U 408/11). Mündliche Fragen sind nicht ausreichend. Weiterhin müssen die Fragen dem Antragsteller nach der Unterzeichnung dauerhaft in lesbarer Form zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus muss der Antragsteller in Textform auf die Folgen des Falschbeantworten der Gesundheitsfragen hingewiesen werden. Diese Belehrung kann in den übrigen Dokumenten integriert sein, muss sich lediglich optisch hervorheben (siehe hierzu auch Zur Doppelbelehrung im Versicherungsantrag der Berufsunfähigkeitsversicherung (OLG Saarbrücken)).

Ausfüllen der Gesundheitsfragen am Bildschirm genügt dem Textformerfordernis!

Gemäß des Oberlandesgericht Hamm ist es nicht von Bedeutung, ob die Fragen mithilfe eines Antrags in Papierform, eines Antrags der zuvor auf dem Computer ausgefüllt und dann ausgedruckt wurde oder auf dem Computer gespeichert durchgegangen wurden. Es kommt lediglich darauf an, dass der Antrag sorgsam und ohne Zeitdruck mit Zeit für Rückfragen durchgegangen wurde. Es ist nämlich nicht von vorneherein anzunehmen, dass ein Dokument auf einem Bildschirm schwerer verständlich ist als ein Papierdokument. Zeitdruck liegt bei keinem der Varianten näher und die Möglichkeit für Rückfragen besteht bei den Varianten gleichermaßen. Die Belehrung über die Folgen des Falschbeantworten der Gesundheitsfragen wurde durchgehend fettgedruckt und in einfacher Sprache gehalten.

Das Oberlandesgericht Hamm kann schließlich zu der Entscheidung, dass das Ausfüllen der Gesundheitsfragen am Bildschirm dem Textformerfordernis genügte und die wichtigsten Teile des Antrags, auf die es besonders ankommt, auffallend und leicht verständlich dargestellt wurden.

Fazit

Der Beschluss des OLG Hamm zeigt, dass das Ausfüllen der Gesundheitsfragen am Bildschirm durchaus möglich ist und den gesetzlichen Anforderungen genügen kann. Entscheidend sind die konkrete Darstellungsweise und die dauerhafte Bereitstellung der Gesundheitsfragen.

Gleichwohl ist natürlich jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die gesetzlichen Erfordernisse der Textform gewahrt sind. Im Zweifel kann es sich dabei anbieten auch auf die weiterführende Beratung eines im Versicherungsrechts spezialisierten Rechtsanwaltes zurückzugreifen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung, welche sich gerade im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung spezialisierten haben.

Ihre Versicherung zahlt nicht?

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

Zum Anwaltsprofil

Fachanwalt für Versicherungsrecht erklärt, ob das Ausfüllen der Gesundheitsfragen am Bildschirm der Textform genügt.

Mandantenstimmen:

Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.

Hinweise zu Kundenbewertungen

Bleiben Sie informiert – unser Newsletter!

Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.