Krankentagegeldanspruch eines Piloten bei Fluguntauglichkeit (BGH)

Der BGH beschäftigte sich in seinem Urteil vom 27.11.2024 (Az.: IV ZR 42/24) mit dem Krankentagegeldanspruch eines Piloten und der Frage, wie der Begriff der Arbeitsunfähigkeit bei einem Piloten zu definieren ist.

Arbeitsunfähigkeit als Pilot

Der Versicherungsnehmer, welcher als Berufspilot tätig war, erlitt im Januar 2017 eine Beinvenenthrombose, woraufhin er arbeitsunfähig wurde und Ansprüche aus seiner Krankentagegeldversicherung geltend machte. Das Krankentagegeld erhielt der Versicherungsnehmer für drei Monate, bis die Zahlungen ab dem 25.10.2017 eingestellt wurden. Der Versicherer machte geltend, dass kein weiterer Krankentagegeldanspruch eines Piloten bei Fluguntauglichkeit bestünde. Der Versicherungsnehmer habe seiner Tätigkeit nämlich nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern lediglich aufgrund des Fehlens des Zeugnisses des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA) nicht nachgehen können.

Der Versicherungsnehmer klagte vor dem Landgericht Frankfurt am Main und begehrte die Fortzahlung des Krankentagegeldes. Das Landgericht Frankfurt am Main gab dem Versicherungsnehmer überwiegend Recht und verurteilte den Versicherer zur weiteren Zahlung eines Krankentagegeldes (LG Frankfurt/Main, Urt. v. 06.04.2020 – 30 O 288/19). Der Versicherer legte jedoch Berufung ein, welche überwiegend erfolglos blieb (OLG Frankfurt, Urt. v. 01.03.2024 – 7 U 96/20). Daraufhin kam es zur Revision beim Bundesgerichtshof.

Ende des Krankentagegeldanspruch eines Piloten

Maßgeblich für die Entscheidung des BGH war die Frage, wann der Krankentagegeldanspruch eines Piloten endet. Laut den Versicherungsbedingungen des Versicherungsvertrages endete der Krankentagegeldanspruch eines Piloten, wenn keine Arbeitsunfähigkeit und kein Behandlungsbedarf mehr vorliegen. Eine solche Arbeitsunfähigkeit liegt dem Versicherungsvertrag zufolge dann vor, wenn die versicherte Person ihrer beruflichen Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise nachgehen kann und dieser oder einer anderweitigen Tätigkeit auch nicht nachgeht (siehe auch: Fluguntauglichkeit gleichbedeutend mit Arbeitsunfähigkeit? (OLG Köln)).

Aus den Tarifbedingungen ging ebenfalls hervor, dass Fluguntauglichkeit und Arbeitsunfähigkeit bei fliegendem Personal, also Piloten und Kabinenpersonal, gleichbedeutend sind. Die Anforderungen an die Flugtauglichkeit sind jedoch deutlich höher als die der Arbeitsunfähigkeit. Ohne eine gültige Flugtauglichkeitsbescheinigung darf ein Pilot jedoch nicht fliegen und ist dadurch als Berufspilot arbeitsunfähig, da die Ausübung der fliegerischen Tätigkeit untrennbar mit der behördlichen Tauglichkeitsbescheinigung verbunden ist. Um also als Berufspilot wieder als arbeitsfähig zu gelten, bedarf es der behördlichen Genehmigung, die Genesung allein ist nicht ausreichend.

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BGH: Fluguntauglichkeit gleichgestellt mit Arbeitsunfähigkeit!

Mit seiner Entscheidung gab der BGH dem Berufungsgericht, dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 01.03.2024 – 7 U 96/20), Recht. Der Grund dieser Entscheidung war die Auslegung der zugrunde liegenden Klauseln des Versicherungsvertrags. Die Klauseln richten sich an einen eng begrenzten Personenkreis, bestehend aus Piloten und Kabinenpersonal. Entscheidend war die Auslegung aus der Sicht dieses Personenkreises. Der Begriff der Fluguntauglichkeit wurde nicht weiter definiert, woraufhin für einen nicht-juristischen durchschnittlichen Versicherungsnehmer, die Gleichstellung von Fluguntauglichkeit und Arbeitsunfähigkeit maßgeblich für das Verständnis über den Krankentagegeldanspruch eines Piloten ist.

Weiterhin war dem Versicherungsvertrag zu entnehmen, dass die Krankentagegeldversicherung eines Piloten vor Verdienstausfall als Folge von Krankheit oder Unfällen schützen soll. Somit dient die Versicherung auch der sozialen Absicherung erwerbstätiger Personen. Für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer lässt sich folglich ableiten, dass sich das Leistungsversprechen auch auf den Fall bezieht, dass es an einer Wiedererlangung der Flugtauglichkeit fehlt. Das Versicherungsverhältnis sichert demnach auch die zeitliche Lücke zwischen dem Entfallen der medizinischen Arbeitsunfähigkeit beziehungsweise der Fluguntauglichkeit und dem Wiedererlangen der Flugtauglichkeit ab. Bis zu der behördlichen Entscheidung durch das LBA besteht für den Versicherungsnehmer nämlich keine Flugtauglichkeit.

Hätte der Versicherer den Begriff der Fluguntauglichkeit ausschließlich nach medizinischen Kriterien verstehen wollen, hätte er dies in den Vertragsbedingungen unzweifelhaft klarstellen müssen. Dieses tat der Versicherer aus genannten Gründen gerade nicht. Es bestand daher ein weiterführender Krankentagegeldanspruch des Piloten.

Fazit und Hinweise

Das begrüßenswerte Urteil des BGH zeigt, dass grundsätzlich die Fluguntauglichkeit mit der Arbeitsunfähigkeit gleichgestellt wird. Stellt der Versicherer die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag ein, ist genau zu prüfen, ob dies rechtmäßig ist. Der BGH hat mit seiner Entscheidung eine lang umstrittene Rechtsfrage geklärt, nämlich ob das Flugpersonal so lange Ansprüche auf Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit hat, bis das Luftfahrtbundesamt über die Wiedererlangung der Flugerlaubnis entscheidet. Viele Krankentagegeldversicherungen haben die Leistungen nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit nämlich sofort eingestellt, so dass jedoch eine Lücke bis zur Wiederteilung der Lizenz bestand. Diese Lücke hat der BGH nun geschlossen. Im Einzelfall kommt natürlich immer auf die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen an.

Im Zweifel kann es sich dabei anbieten auch auf die weiterführende Beratung eines im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwaltes zurückzugreifen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung, welche sich gerade im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung spezialisiert haben.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Fachanwalt für Versicherungsrecht erklärt, wann ein Krankentagegeldanspruch eines Piloten besteht.

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