Falschberatung durch Versicherungsvermittler, Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler Beweislast

Falschberatung bei Umdeckung einer PKV (OLG Hamm)

In seinem Urteil vom 26.06.2024 (Az.: 20 U 202/23) befasste sich das Oberlandesgericht Hamm mit den Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers und dem Vorwurf der Falschberatung bei Umdeckung einer PKV.

Empfehlung zum PKV-Wechsel

Im Jahr 2018 überprüfte der Versicherungsmakler das Versicherungsportfolio des Versicherungsnehmers und seiner Familie. Die Ehefrau und die drei gemeinsamen Kinder waren bei dem Versicherungsnehmer mitversichert. In dem Beratungsprotokoll gab der Versicherungsnehmer an, er wünsche sich künftig eine höhere Beitragsstabilität. Basierend auf einer schriftlichen Analyse des Versicherungsportfolios empfiehl der Versicherungsmakler einen Wechsel der privaten Krankenversicherung. Aus der Analyse des Versicherungsmaklers ging hervor, dass die Leistungen der beiden Krankenversicherer so gut wie identisch waren. Der Beitrag des neuen Krankenversicherers wäre zunächst inklusive des Gesundheitsbonus etwas geringer und die Höhe der Selbstbeteiligung wurde unterschiedlich berechnet.

Der Versicherungsnehmer entschloss sich der Empfehlung des Versicherungsmaklers zu folgen und für sich selbst, seine Ehefrau und die Kinder die empfohlene Krankenversicherung abzuschließen. Der neue Versicherungsvertrag sollte ab dem 01.01.2019 beginnen. Der Antrag wurde von dem Versicherungsmakler aufgenommen. Dabei las der Versicherungsmakler die Gesundheitsfragen vor und beantwortete diese entsprechend den Antworten des Versicherungsnehmers und seiner Ehefrau. Der Versicherungsmakler las die Fragen zwar wörtlich oder zumindest sinngemäß vor, fügte jedoch mündlich sinnverschiebende Zusätze hinzu, sodass das Risiko einer Falschbeantwortung erhöht wurde. Dabei gab die Ehefrau des Versicherungsnehmers vorliegende Vorerkrankungen nicht an. Die Gesundheitsfragen hatte sie selbst nicht durchgelesen.

Rücktritt des Krankenversicherers

Zu einem späteren Zeitpunkt fiel dem Krankenversicherer bei der Prüfung von eingereichten Krankheitskostenrechnungen für ärztliche Behandlungen auf, dass bestimmte Vorerkrankungen nicht angegeben worden waren. Daraufhin verweigerte der Krankenversicherer die Erstattung der Behandlungskosten in weitem Umfang (siehe hierzu auch Die Kostenerstattung in der privaten Krankenversicherung (PKV)) und trat im Jahr 2021 von dem Versicherungsverhältnis zu der Ehefrau des Versicherungsnehmers aufgrund einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurück (hierzu Rücktritt vom Versicherungsvertrag und Der Rausschmiss aus der privaten Krankenversicherung). Nach einem Vergleich der Beiträge der beiden Versicherer (jeweils ohne die Kinder) stellte sich zudem heraus, dass die Beiträge der neuen Krankenversicherung auch inklusive des Gesundheitsbonus höher waren als die Beiträge der vorherigen Krankenversicherung zum Zeitpunkt der Kündigung.

Darauffolgend klagte der Versicherungsnehmer aufgrund einer Falschberatung bei Umdeckung einer PKV vor dem Landgericht Bielefeld. Konkret machte er Schadensersatzansprüche gegen den Versicherungsmakler geltend. Das Landgericht Bielefeld gab dem Versicherungsnehmer in seinem Urteil vom 31.08.2023 (Az.: 18 O 216/21) teilweise Recht.

Gegen das Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Der Versicherungsmakler macht zunächst geltend, dass er den Versicherungsnehmer maßgeblich in Bezug auf die Beitragsstabilität beraten hätte. Außerdem habe der Versicherungsnehmer es unterlassen, sich selbst ausreichend zu informieren mittels der Versicherungsbedingungen und ergänzenden Nachfragen.

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Falschberatung bei Umdeckung einer PKV

Letztendlich änderte das Oberlandesgericht Hamm das Urteil des Landgericht Bielefeld zwar teilweise, bejahte aber gleichwohl eine Falschberatung bei Umdeckung einer PKV. Dabei führte das OLG Dresden aus, dass der Versicherungsmakler verpflichtet ist, sämtliche Schäden zu ersetzen, die aus dem Versicherungswechsel entstanden sind (siehe hierzu Quasideckung: So ermittelt der BGH den Schaden des Versicherten bei einer Pflichtverletzung des Versicherungsvermittlers).

Ein Versicherungsmakler hat die Pflicht, seinen Interessenten nach ihrem Bedarf den passenden Versicherungsschutz zu empfehlen. Als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers reichen seine Pflichten dabei sehr weit (Nähere Informationen zur Sachwalterstellung des Versicherungsmaklers finden Sie unter BGH: Versicherungsmakler ist treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers („Sachwalterentscheidung“)). Vor allem bei der Empfehlung, den Versicherer zu wechseln, einer sogenannten Umdeckung, bei der ein vorheriger Vertrag gekündigt wird, wird von dem Versicherungsmakler eine besondere Sorgfalt verlangt (siehe auch Falschberatung des Versicherungsmaklers bei Umdeckung einer Lebensversicherung).

Ein wichtiger Aspekt einer Umdeckung sind die Altersrückstellungen. Diese sorgen dafür, dass die Krankenversicherung auch im höheren Alter noch bezahlbar sind und somit auch für Beitragsstabilität (weiterführend dazu Übertragung von Altersrückstellungen bei Versicherungswechsel in der privaten Krankenversicherung (OLG Dresden)). Aufgrund der sogenannten Altersrückstellungen sollte der Versicherungsmakler zunächst prüfen, ob eventuell ein Tarifwechsel bei dem bisherigen Versicherer möglich ist. Dies tat der Versicherungsmakler nicht, sondern zog lediglich andere Versicherer zum Vergleich heran. Darüber hinaus hat der Versicherungsmakler auch den Versicherungsnehmer nicht über die Folgen des Verlustes der Altersrückstellungen aufgeklärt.

Empfiehlt der Versicherungsmakler eine Umdeckung, hat er eine Deckungslücke, als auch eine Verschlechterung des Versicherungsschutzes zu verhindern (siehe auch Haftung des Versicherungsvertreters bei Umdeckung einer Berufsunfähigkeitsversicherung (OLG Saarbrücken)). Die Beratungs- und Dokumentationspflichten beziehen sich dabei nicht nur auf die Leistungen des Versicherers, sondern auch auf die gesundheitlichen Voraussetzungen des Versicherungsnehmers. Der Versicherungsmakler hat auf eine sorgfältige und gewissenhafte Beantwortung der Gesundheitsfragen hinzuwirken und über die Folgen einer Falschbeantwortung aufzuklären (siehe hierzu Hinweispflichten und Nachfragepflichten des Versicherungsmaklers (OLG Dresden)). Dadurch, dass er die Gesundheitsfragen durch sinnverschiebende mündliche Zusätze ergänzt hat, die sogar zu einer Falschbeantwortung führten, kam der Versicherungsmakler auch dieser Pflicht nicht nach.

Fazit

Das Urteil des Oberlandesgericht Hamm zeigt, dass eine Falschberatung bei Umdeckung einer PKV durchaus möglich ist. Bereits andere Gerichte haben ebenfalls eine Haftung des Versicherungsmaklers bei Umdeckung einer privaten Krankenversicherung angenommen (vgl. Falschberatung durch Versicherungsmakler bei Wechsel der Krankenversicherung (OLG Karlsruhe)). Dabei taucht auch immer wieder die Frage der Maklerpflichten im Zusammenhang mit der Beantwortung von Gesundheitsfragen auf. Bislang haben Instanzgerichte die Maklerpflichten diesbezüglich oftmals als eher gering eingestuft (vgl. Haftung des Versicherungsmaklers bei unvollständiger Beantwortung der Gesundheitsfragen (OLG Braunschweig)). Das OLG Dresden geht nunmehr offenbar von leicht höheren Beratungsanforderungen aus.

Es dürfte daher durchaus spannend sein, wie sich dieser Themenkomplex rund um die Falschberatung bei Umdeckung einer PKV in der Rechtsprechung entwickeln wird. Liegen Unklarheiten bezüglich der Maklerhaftung vor, kann es sich anbieten, auch auf die weiterführende Beratung eines im Versicherungsrechts spezialisierten Rechtsanwaltes zurückzugreifen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung, welche sich gerade im Bereich der Vermittlerhaftung spezialisiert haben. Weiterführende Informationen finden Sie auch unter Haftung und Beweislast für Beratungsfehler bei Vermittlung einer Versicherung.

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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Rechtsanwalt Jens Reichow berichtet über Urteil zur Falschberatung bei Umdeckung einer PKV.

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