Rechtsanwalt für Berufsunfähigkeit unterstützt bei der Geltendmachung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung (Berufsunfähigkeitsrente)

Beeinflussung der Rücktrittsfrist durch Versicherer? (BGH)

Mit der Frage, wann die Rücktrittsfrist beginnt, wenn der Versicherer zunächst Rückfragen unterlässt – wie sich also eine Beeinflussung der Rücktrittsfrist durch den Versicherer auswirkt – hatte sich zum wiederholten Male der BGH durch Urteil vom 28.11.1990 (IV ZR 219/89) zu beschäftigen.

Erklärung des Rücktritts unmittelbar nach Dienstunfähigkeit des Versicherungsnehmers

Ungefähr ein Jahr nach Abschluss einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung schied ein Oberbrandmeister wegen einer Dienstunfähigkeit aus dem Dienst aus. Die Dienstunfähigkeit rührte unstreitig von einer Erkrankung der Halswirbelsäule her. Neun Monate nach dem Ausscheiden aus dem Dienst erklärte der Versicherer sodann den Rücktritt vom Vertrag. Der Versicherer führte als Grund an, dass der Versicherungsnehmer vor Vertragsabschluss falsche Angaben getätigt hätte. Tatsächlich war der Versicherungsnehmer bereits vor Beantwortung der vom Versicherer gestellten Fragen zu körperlichen Beschwerden in den letzten fünf Jahren vor Vertragsschluss in Behandlung wegen Rückenbeschwerden gewesen. Der Versicherungsnehmer hatte bei Antragsstellung auf Abschluss des Versicherungsvertrags gegenüber einem im Lager des Versicherers stehenden Agenten einen Hexenschuss als Diagnose angegeben. Daraufhin hatte die Anschrift des behandelnden Arztes für Rückfragen genannt und diese war im Antragsbogen vermerkt worden.

Rücktrittsrecht bei Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht

Generell hat der Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss alle ihm bekannten, für den Vertragsschluss aus Sicht des Versicherers erheblichen Gefahrumstände anzugeben, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat (siehe auch: Die vorvertragliche Anzeigepflicht). Fragt der Versicherer nicht nach einer vorliegenden Erkrankung, ist diese nur ausnahmsweise anzugeben (siehe dazu: Die spontane Anzeigeobliegenheit).

Gibt der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig erhebliche Gefahrumstände nicht an, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten (siehe auch: Der Rücktritt des Versicherers). Vorsatz besteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht nur wusste, dass er Gefahrumstände nicht angibt, sondern dies auch wollte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer entgegen dessen handelt, was sich jeder verständigen Person in dieser Situation unbedingt aufgedrängt hätte.

Vorliegend stand nach Ansicht des BGH nicht fest, dass der Versicherungsnehmer von über der von ihm angesprochenen Hexenschuss hinausgehenden Erkrankung seiner Wirbelsäule Kenntnis hatte. Es war im Verfahren vor den Instanzgerichten nach Ansicht des BGH keine ausreichende Tatsachenbasis für den Schluss auf die positive Kenntnis geschaffen worden. Ob tatsächlich eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung vorlag und dem Versicherer mithin ein Rücktrittsrecht zukam, ließ der BGH dementsprechend offen. In einem solchen Fall wird die Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

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Beeinflussung der Rücktrittsfrist durch den Versicherer?

Trotzdem ließ es sich der BGH nicht nehmen, seine Rechtsprechung zur ausreichenden Kenntnis des Versicherers für das Ingangsetzen der Frist zur Erklärung des Rücktritts nach einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung zu ergänzen (siehe grundlegend: Rücktritt aus Verdachtsgründen durch Berufsunfähigkeitsversicherung).

Der BGH stellte klar, dass die von ihm entwickelten Kriterien weiterhin Bestand hätten: In bestimmten Situationen solle es vom Versicherer zu erwarten sein, bei stark erhärtetem Verdacht auf das Vorliegen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung kurzfristig – während des Laufs der einmonatigen Rücktrittsfrist – weitere Untersuchungen anzustreben. Maßgeblich stellt er dabei auf Situationen ab, in dem das vorliegende Tatsachenmaterial dem Versicherer vor Augen führt, dass ein Rücktritt ernstlich in Betracht kommt. Generell dürfte dies der Fall sein, wenn durch den Versicherer keine vertieften Anstrengungen vorzunehmen sind, um den Sachverhalt vollends aufzuklären. Dafür ist es notwendig, dass der Versicherungsnehmer zumindest das mögliche Krankheitsbild in seinen Angaben bereits angerissen und dem Versicherer die Möglichkeit gegeben hat, die Gefahrerheblichkeit der Erkrankung einzuschätzen.

Dies war nach Ansicht des BGH im vorliegenden Fall nicht zweifellos auszuschließen. Es sei zumindest möglich, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer hinsichtlich des Hexenschusses sowie der Badekur so viele Ansatzpunkte mitgeteilt habe, dass der Versicherer den nahenden Vertragsschluss jedenfalls in Zweifel hätte ziehen müssen. Es liege in seinem Verantwortungsbereich, jene Zweifel an der Gefahrerheblichkeit der Erkrankung durch die einfache Nachfrage beim vom Versicherungsnehmer angegebenen behandelnden Arzt auszuräumen. Der Versicherer habe dabei kein Wahlrecht, ob er dies ab Kenntnis der den Verdacht begründenden Tatsachen ausübe oder erst nach Geltendmachung von der Berufsunfähigkeit. Die ausreichende Kenntnis, um die Frist für die Erklärung des Rücktritts in Gang zu setzen, sei mithin möglicherweise bereits vor Vertragsschluss gegeben gewesen.

Fazit und Hinweise

Der BGH ergänzt und erweitert seine Rechtsprechung. Der Fokus des BGH lag weniger auf der bereits entschiedenen Frage der zeitlichen Zumutbarkeit für Nachforschungen innerhalb der Frist, sondern vielmehr auf dem Umstand, dass es nach nicht erfolgter Rückfrage beim behandelnden Arzt überdies schwierig sein dürfte, überzeugend die Gefahrerheblichkeit der mitgeteilten Erkrankung zu argumentieren. In der Praxis dürfte die Linie, wann dem Versicherer genügend Tatsachenmaterial zu Verfügung steht, dass er weitere Nachforschungen anstellen muss, häufig schwierig zu bestimmen sein. Dies begründet die Sorge, dass Versicherer im Zweifel zunächst ihr Rücktrittsrecht ausüben und sodann weitere Nachforschungen anstellen werden, um ihr Rücktrittsrecht nicht vollends wegen Fristablaufs zu verlieren und nicht mit dem Vorwurf konfrontiert werden, es läge eine Beeinflussung der Rücktrittsfrist durch den Versicherer vor.

Nach einem erklärten Rücktritt kann es daher für einen Versicherungsnehmer günstig sein, sich Unterstützung in Form von im Versicherungsrecht, insbesondere im Bereich der Berufsunfähigkeit spezialisierten Anwälten an die Seite zu holen. Auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte unterstützt Sie in diesem Fall gern.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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Fachanwalt für Versicherungsrecht erklärt, ob eine Beeinflussung der Rücktrittsfrist durch Versicherer möglich ist.

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