Rechtsanwalt für Berufsunfähigkeit unterstützt bei der Geltendmachung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung (Berufsunfähigkeitsrente)

Rücktritt aus Verdachtsgründen durch Berufsunfähigkeitsversicherung (BGH)

Mit der Frage, wann die Rücktrittsfrist zu laufen beginnt, wenn der Versicherer nach und nach Kenntnis von Rücktrittsgründen erhält – wann also ein Rücktritt aus Verdachtsgründen vorgenommen werden kann – hatte sich der BGH zu beschäftigen (BGH, Urt. v. 20.09.1989 – IVa ZR 107/88).

Versicherungsnehmer verschweigt Darmbeschwerden

Wenige Monate vor Abschluss des Versicherungsvertrages stellte sich der Versicherungsnehmer erstmals wegen „schon länger“ anhaltender Darmbeschwerden (siehe auch: Berufsunfähigkeit wegen Darmentzündung) bei einem Arzt vor; diagnostiziert wurde eine Colitis. Trotzdem gab er auf Nachfrage des Versicherers vor Vertragsschluss an, dass er in den fünf zurückliegenden Jahren weder bei einem Arzt in Behandlung gewesen war noch Erkrankungen am Magen oder Darm bestanden. In der Folge kam es zu einem Vertragsschluss über eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ).

Ein Jahr später erlangte der Versicherer Kenntnis davon, dass der Versicherungsnehmer schon vor Vertragsschluss bei einem Arzt in Behandlung gewesen war. Daraufhin ließ der Versicherer jedoch ein halbes Jahr verstreichen, ehe er eine Nachfrage an den behandelnden Arzt stellte, um den Sachverhalt vollends aufzuklären. Nach erfolgter Antwort erklärte der Versicherer sodann gegenüber dem Versicherungsnehmer den Rücktritt vom Versicherungsvertrag.

Rücktrittsrecht bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichten

Generell hat der Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss alle ihm bekannten, für den Vertragsschluss aus Sicht des Versicherers erheblichen Gefahrumstände anzugeben, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat (siehe auch: Die vorvertragliche Anzeigepflicht). Fragt der Versicherer nicht nach einer vorliegenden Erkrankung, ist diese nur ausnahmsweise anzugeben (siehe dazu: Die spontane Anzeigeobliegenheit).

Gibt der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig erhebliche Gefahrumstände nicht an, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten (siehe auch: Der Rücktritt des Versicherers). Vorsatz besteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht nur wusste, dass er Gefahrumstände nicht angibt, sondern dies auch wollte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer entgegen dessen handelt, was sich jeder verständigen Person in dieser Situation unbedingt aufgedrängt hätte.

Vorliegend nahm der BGH nach Anwendung dieser Grundsätze an, dass der Versicherungsnehmer hätte angeben müssen, in den fünf zurückliegenden Jahren bei einem Arzt wegen Darmbeschwerden in Behandlung gewesen zu sein. Da dies nach Feststellung der Gerichte nicht geschehen war und der BGH diesen Aspekt als erheblichen Gefahrumstand verstand, ergab sich für den Versicherer grundsätzlich ein Rücktrittsrecht.

Ihre Versicherung zahlt nicht?

Rechtsanwalt für Versicherungsrecht

Bundesweite Unterstützung durch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow unterstützt ihre Mandanten bundesweit in versicherungsrechtlichen Streitigkeiten mit der Berufsunfähigkeitsversicherung. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.

Zur Kontaktaufnahme

Rücktritt aus Verdachtsgründen

Fraglich war jedoch, ob die Rücktrittserklärung des Versicherers gegebenenfalls verfristet war. Damit der Versicherungsnehmer Klarheit über eventuell durch den Versicherer gezogene Konsequenzen des eigenen Handelns erhält und eine Rechtssicherheit hergestellt wird, muss der Versicherer innerhalb eines Monats ab Kenntnis von den einen Rücktritt begründenden Tatsachen den Rücktritt gegenüber dem Versicherungsnehmer erklären. Ansonsten muss er sich am Vertrag festhalten lassen.

Um die Frage der Verfristung beantworten zu können, musste sich der BGH zunächst fragen, wann der Versicherer eine ausreichende Kenntnis der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung hatte. Als Maßstab dafür stellte er auf den Moment ab, in dem das vorliegende Tatsachenmaterial dem Versicherer vor Augen führte, dass ein Rücktritt ernstlich in Betracht kommt. Dies dürfte generell der Fall sein, wenn vom Versicherer keine vertieften Anstrengungen vorzunehmen sind, um den Sachverhalt bis zum sicheren Wissen der Tatsachen aufzuklären.

So liegt es hier: Der BGH nahm an, dass die zeitlich früheste Kenntnis der Versicherung von der Behandlung beim Arzt bereits derart konkretisiert war, dass eine kurze Nachfrage beim behandelnden Arzt zur vollständigen Klärung ausgereicht hätte. Dies sei im vorliegenden Fall eindeutig, da die Versicherung eben dies ein halbes Jahr später bis zur Klärung des Sachverhalts vorgenommen hätte. Die Rücktrittsfrist hätte mithin in diesem frühen Zeitpunkt zu laufen begonnen und sei im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bereits abgelaufen gewesen. Der Versicherer könne nicht durch Zuwarten den Zeitpunkt der Kenntnis im Sinne der Norm hinauszögern, vielmehr sei ein Rücktritt aus Verdachtsgründen aufgrund der notwendigen schnellen Klarheit über die Zukunft des Versicherungsvertrages die einzige interessengerechte Auflösung dieser Rechtsfrage. Der Versicherer müsse sich also mangels Rücktrittsrechts am Vertrag festhalten lassen.

Fazit und Hinweise

Die mit diesem Urteil begonnene Rechtsprechungslinie mag zwar Einzelfallgerechtigkeit bringen, birgt allerdings in der Praxis Gefahren. Da der BGH die Versicherer auf das in Rede stehende Instrument – den Rücktritt aus Verdachtsgründen – verwiesen hat, dürften sich Versicherer dazu herausgefordert fühlen, bei einem Zweifel über das Vorliegen von Rücktrittsgründen tendenziell den Rücktritt zu erklären, wenn sich ein Sachverhalt nicht innerhalb eines Monats aufklären lässt, bevor weitere Nachforschungen zur Erlangung der vollständigen Kenntnis angestellt werden. Denn einen ausgesprochenen Rücktritt wieder „einzufangen“, erscheint aus Sicht eines Versicherers sicherlich deutlich attraktiver, als das Rücktrittsrecht hinsichtlich des zum Teil bekannten Sachverhalts für immer nicht mehr wirksam ausüben zu können.

Geschieht dies, kann die Beauftragung eines im Versicherungsrecht, insbesondere im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherungen, spezialisierten Anwalts ein empfehlenswertes Vorgehen sein.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

Zum Anwaltsprofil

Fachanwalt für Versicherungsrecht erklärt, ob ein Rücktritt aus Verdachtsgründen zulässig ist.

Mandantenstimmen:

Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.

Hinweise zu Kundenbewertungen

Bleiben Sie informiert – unser Newsletter!

Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.