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Unfall-Kombirente vergleichbar mit Berufsunfähigkeitsversicherung? (BGH)

Mit der Frage, ob eine sogenannte Unfall-Kombirente eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder zumindest eine ihr ähnliche Versicherung darstellt, hatte sich der BGH zu beschäftigen (BGH, Urt. v. 11.12.2024 – IV ZR 498/21). Die Verbraucherzentrale Hamburg (VZ) hatte nämlich die AXA Versicherung AG verklagt, weil diese im Jahr 2019 tausenden Kunden Verträge zur „Unfall-Kombirente“ gekündigt hatte. Im Streit stand vorliegend das Kündigungsrecht der Versicherung bzw. ob dieses rechtswirksam durch die Versicherung ausgeübt werden konnte.

Eine Unfallversicherung, die mehr versichert als einen Unfall

Zugrunde lag eine sogenannte Unfall-Kombirente, welche neben den Folgen (1.) eines Unfalls drei weitere Leistungsfälle versicherte: (2.) die definierte Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit bestimmter Organe bzw. der körperlichen und geistigen Fähigkeiten als Folge von einzeln bestimmten Krankheiten und durch Unfall, (3.) den Verlust definierter Grundfähigkeiten und (4.) die Feststellung einer Pflegestufe nach dem Sozialgesetzbuch. Der Versicherungsvertrag enthielt eine Klausel, nach welcher beiden Seiten nach frühestens drei Jahren jedes Jahr ein Kündigungsrecht zum Jahresende zustand.

Der Versicherer kündigte so dann nach Einstellung des Versicherungsmodells der Unfall-Kombirente allen Versicherungsnehmern ordentlich in Bezug auf die genannte Klausel. Daraufhin erhob ein qualifizierter Verbraucherverband Klage, den Versicherer dazu zu verurteilen, die in Rede stehende Klausel nicht zu verwenden bzw. sich nicht auf diese zu berufen.

Ist die Unfall-Kombirente eine Berufsunfähigkeitsversicherung?

Zwischen der Unfallversicherung und der Berufsunfähigkeitsversicherung besteht nicht lediglich eine Unterscheidung in den Versicherungsfällen: einerseits einem Unfall und andererseits einer festgestellten Berufsunfähigkeit; vielmehr greifen die Unterschiede in Folge der interessengerechten Ausgestaltung der Versicherungen deutlich tiefer. So verändert sich das bei einer Unfallversicherung versicherte Risiko – das eines Unfalls als spontanes Schadensereignis – nicht zwangsläufig über das Alter hinweg. Bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung hingegen wird der Eintritt des versicherten Risikos – der Berufsunfähigkeit – je nach fortgeschrittenem Alter immer größer.

Daraus folgt, dass ein Versicherungsnehmer bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung immer wahrscheinlicher eine Kündigung des Versicherungsvertrages zu erwarten hätte, je älter er wird. Ab einem bestimmten Alter wären denklogisch ein Großteil der Versicherungsverträge genau dann bereits gekündigt, wenn bei den statistisch meisten Versicherungsnehmern relativ zu allen Versicherungsfällen der Fall einer Berufsunfähigkeit in Folge jahrelanger Belastung des Körpers eintritt. Systematisch ist mithin bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung ein größerer Kündigungsschutz notwendig als bei einer Unfallversicherung.

Kein ordentliches Kündigungsrecht in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Dementsprechend gibt es bei der Berufsunfähigkeit lediglich ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer vor Vertragsschluss fahrlässig eine Anzeigeobliegenheit verletzt hat (siehe dazu: Die vorvertragliche Anzeigepflicht).

Ein ordentliches Kündigungsrecht hingegen, wie in der Klausel der Unfall-Kombirente für den Ablauf jedes weiteren Jahres ab dem dritten Vertragsjahr vereinbart wurde, gibt es aus den oben beleuchteten Gründen nicht. Sie würde den Sinn und damit die Wertigkeit der Berufsunfähigkeitsversicherung unterminieren.

Bei einer Unfallversicherung andererseits gibt es keine regelmäßige, derartige Risikoverlagerung aufgrund des Alters, da stets ein spontanes Schadensereignis versichert bleibt, dessen Eintritt im Alter nicht immer wahrscheinlicher wird. Ein vertraglich verankertes, ordentliches Kündigungsrecht ist mithin nicht systemwidrig und hebelt den Sinn der Versicherung nicht aus.

Daraus ergibt sich die Frage: Welche Art von Versicherung liegt in diesem vorliegenden Fall vor? Stellt die Unfall-Kombirente eine Unfallversicherung dar, entspricht sie den gesetzlichen Leitlinien. Stellt sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder eine ihr ähnliche Versicherung dar, widerspricht sie den gesetzlichen Leitlinien.

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Steht die Versicherung einer Berufsunfähigkeitsversicherung näher?

Dies war die vom BGH herausgearbeitete Kernfrage des Falls. Um sie zu beantworten, stellte der BGH darauf ab, welche Versicherungsart der Unfall-Kombirente zugrundeliegende Vertrag im Kern näherstand.

So prüfte der BGH, ob das Vorliegen einer Einschränkung der Arbeitsfähigkeit unmittelbar den Versicherungsfall auslöst. Insbesondere bei dem in dieser Hinsicht problematischsten Leistungsfall (2.) – die definierte Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit bestimmter Organe bzw. der körperlichen und geistigen Fähigkeiten als Folge von einzeln bestimmten Krankheiten und durch Unfall – war jedoch stets die Beeinträchtigung der Organe bzw. die körperlichen und geistigen Fähigkeiten der Anknüpfungspunkt für die Beurteilung des Versicherungsfalles, nicht die Möglichkeit, eine berufliche Tätigkeit nicht mehr wahrnehmen zu können. Daher lag nach Ansicht des BGH gerade keine Berufsunfähigkeitsversicherung oder eine ihr ähnliche Versicherung vor.

Der BGH stellte damit klar, dass nicht jeder Leistungsfall, welcher mit der Beeinträchtigung der Möglichkeit, eine berufliche Tätigkeit wie in gesunden Tagen wahrzunehmen, einhergeht, zwangsläufig zu einer Nähe mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung führen muss (zum Unfall, welcher eine Berufsunfähigkeit begründen kann, siehe: Berufsunfähigkeit nach Unfall?). Vielmehr komme es stets auf den vertraglich festgelegten Anknüpfungspunkt des Versicherungsfalles an. Seien der Verlust der körperlichen Integrität oder einer Fähigkeit bzw. nicht der Verlust der wirtschaftlichen Existenzgrundlage aus Erwerbstätigkeit Anknüpfungspunkte, liege keine Berufsunfähigkeitsversicherung oder eine ihr ähnliche Versicherung vor (dazu bereits: BGH, Urt. v. 14.06.1989 – IVa ZR 74/88; BGH, Urt. v. 26.06.2019 – IV ZR 19/18).

Infolgedessen sei die Unfall-Kombirente als Unfallversicherung zu verstehen und ein ordentliches Kündigungsrecht widerspreche nicht den gesetzlichen Leitlinien.

Fazit und Hinweise

Vorliegend hatte sich der BGH mit der Abgrenzung zwischen zwei systematisch verschiedenen Versicherungsarten, nämlich der Unfallversicherung sowie der Berufsunfähigkeitsversicherung, zu beschäftigen. Er hat es abgelehnt, dass die Unfall-Kombirente eine Art Berufsunfähigkeitsversicherung darstelle. Trotz der konsequenten Fortführung der Maßgabe, die Anknüpfungspunkte für den Versicherungsfall zu betrachten, dürfte es auch in Zukunft zu unterschiedlichen Ansichten bei Versicherungsverträgen kommen. Fraglich wird so dann stets sein, wer sich mit welchen Gestaltungsrechten vom Versicherungsvertrag lösen kann, was vorliegend auch die Kernfrage bzw. das Kernproblem war. Denn die Verbraucherzentrale Hamburg (VZ) hatte vorliegend die AXA Versicherung AG verklagt, weil diese im Jahr 2019 tausenden Kunden Verträge zur „Unfall-Kombirente“ gekündigt hatte. Die Kernfrage wurde für diese „Art der Versicherung“ jedenfalls abschließend beantwortet.

Für den Fall, dass eine Versicherung gegenüber dem Versicherungsnehmer in Bezug auf den Versicherungsvertrag Gestaltungsrechte geltend macht, wie zum Beispiel:

sollte stets ein Fachanwalt für Versicherungsrecht hinzugezogen werden, damit das Vorgehen der Versicherung anwaltlich überprüft werden kann. Dieses insbesondere im Bereich der Unfallversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung, da es sich hierbei um äußerst komplexe Themen mit entsprechend rechtlicher Fallstricke handelt.

Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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