Das Oberlandesgericht Nürnberg befasste sich in seinem Hinweisbeschluss vom 03.07.2024 (Az.: 8 U 848/24) mit der Frage, wann ein rückwirkend befristetes Anerkenntnis vorliegt.
Der Versicherungsnehmer war als Berufsfußballer tätig, bis er am 24.01.2020 Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung geltend machte (siehe hierzu auch Berufsunfähigkeit beantragen). Auf seinen Antrag hin erhielt er am 25.03.2020 ein Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit für den Zeitraum vom 01.08.2019 bis zum 31.03.2020. Für die genannte Dauer erhielt der Versicherungsnehmer eine Berufsunfähigkeitsrente und wurde von den Beitragszahlungen befreit. Die Befristung der Berufsunfähigkeitsrente begründete der Versicherer damit, dass der Versicherungsnehmer telefonisch mitgeteilt habe, er könne wieder als Berufsfußballer tätig sein und er sei seit Anfang März 2020 nicht mehr arbeitsunfähig geschrieben. Außerdem kann der Versicherungsnehmer wieder an Fußballspielen und an Trainingseinheiten teilnehmen. Aus diesem Grund läge keine Berufsunfähigkeit mehr vor und die Leistung wurde daher ab dem 31.03.2020 eingestellt. Der Versicherungsnehmer hingegen forderte die Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente bis einschließlich Januar 2022.
Das Oberlandesgericht Nürnberg befasste sich bezogen auf den vorliegenden Fall mit der Zulässigkeit eines befristeten Anerkenntnis (siehe auch Rückwirkend befristetes Anerkenntnis in der Berufsunfähigkeitsversicherung?). Grundsätzlich ist ein befristetes Anerkenntnis möglich, jedoch nur für die Zukunft, nicht rückwirkend (siehe auch Zulässigkeit von rückwirkend befristeten Anerkenntnissen in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BGH)). Der Grund für ein befristetes Anerkenntnis ist, dass man in noch ungewissen Fällen vorläufig entscheiden kann, bis die Prüfung abgeschlossen ist. Benötigt wird hierfür jedoch ein Element der Ungewissheit, welches in Zukunft geklärt werden soll. Dies liegt im Fall einer Rückwirkung jedoch nicht vor. Der Grund der Befristung war laut des Versicherers selbst, dass der Versicherer wieder arbeitsfähig sei und nicht der, einer Ungewissheit, die zunächst zu klären sei. Auch eine Fortsetzung der Leistungsprüfung oder eine weitere Begutachtung geht aus dem Anerkenntnis nicht hervor.
Ist ein befristetes Anerkenntnis nicht zulässig, gilt das Anerkenntnis als unbefristet abgegeben. Der Versicherer hat danach nur die Möglichkeit im Rahmen des Nachprüfverfahrens die Leistungen der Berufsunfähigkeitsrente zu beenden (siehe hierzu Das Nachprüfungsverfahren). Dazu müssten die formellen als auch materiellen Voraussetzungen des Nachprüfverfahrens vorliegen. Wenn das unbefristete Anerkenntnis bereits die Anforderungen einer Einstellungsmitteilung erfüllt, kann ein rückwirkend befristetes Anerkenntnis in eine Einstellungsmitteilung umgedeutet werden. Sind die Voraussetzungen des Nachprüfverfahrens hingegen nicht gewahrt, so gilt die Leistungspflicht des Versicherers unbefristet. Der Versicherer kann dann allenfalls ein erneutes Nachprüfverfahren einleiten. Eine weitere Möglichkeit des Versicherers bei dem Vorliegen von inhaltlichen Mängeln ist die Heilung dieser Mängel (BGH, Urteil v. 03.11.1999 – IV ZR 155/98). Eine Heilung gilt jedoch erst ab dem Zeitpunkt der Heilung und nicht rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Erklärung.
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Entscheidend in dem vorliegenden Fall war, ob die Erklärung des Versicherers überhaupt rückwirkend war und somit unzulässig. Der Versicherer erklärte das Anerkenntnis, welches bis zum 31.03.2020 gelten sollte am 25.03.2020. Dadurch würde sich das Anerkenntnis zunächst nicht nur auf einen Zeitraum in der Vergangenheit beziehen und ein befristetes Anerkenntnis könnte zulässig sein. Die monatliche Berufsunfähigkeitsrente ist jedoch am Anfang des Monats fällig. Demnach war die zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente für den März 2020 bereits fällig zu der Zeit der Erklärung des Anerkenntnisses. Weiterhin darf der Versicherer die Leistungen erst nach Ablauf des dritten Monats nach dem Zugang der Einstellungsmitteilung einstellen. Der Versicherer schuldet somit ohne Weiteres die Leistungen von April bis Juni 2020.
Die Erklärung des Versicherers genügte auch nicht den Mindestanforderungen des Nachprüfungsverfahrens. Es muss nachvollziehbar begründet werden, aus welchem Grund die Leistungspflicht, welche anerkannt wurde, wieder enden soll. Dafür sind Vergleichsbetrachtungen und daraus abgeleitete Folgerungen nötig. Der lediglich verbesserte Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers ist dafür nicht ausreichend.
Der Versicherer hat die Möglichkeit, diese inhaltlichen Mängel durch eine neue Begründung zu heilen, was der Versicherer mit Schreiben vom 28.10.2021 tat. In dem den Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens gerechten Schreiben erklärte der Versicherer, dass die Berufsunfähigkeitsrente zum 31.01.2022 eingestellt werde. Der Versicherungsnehmer erhielt demnach nach der Entscheidung des OLG Nürnberg Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum April 2020 bis Januar 2022.
Der Hinweisbeschluss des Oberlandesgericht Nürnberg zeigt, dass bei einem befristeten Anerkenntnis die genauen Daten und Umstände von großer Bedeutung sind. Wann das Anerkenntnis erklärt wird, und mit welcher Begründung kann eine gravierende Auswirkung auf die entsprechenden Leistungen haben. Weiterhin zeigt es, dass die Zulässigkeit eines befristeten Anerkenntnis nur vorliegt bei zukünftigen Ungewissheiten, welche noch zu prüfen sind.
Erklärt der Versicherer ein rückwirkend befristetes Anerkenntnis oder erfolgt eine Einstellung der Leistungen, ist genau zu prüfen, ob das rückwirkend befristete Anerkenntnis zulässig gewesen ist. Im Zweifel kann es sich dabei anbieten auch auf die weiterführende Beratung eines im Versicherungsrechts spezialisierten Rechtsanwaltes zurückzugreifen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung, welche sich gerade im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung spezialisierten haben.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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