Wann liegt eine Arbeitsunfähigkeit, wann eine Berufsunfähigkeit vor? Ist der Versicherungsnehmer nicht mehr im Stande, seiner bisherigen Tätigkeit nachzugehen, stellt sich die Frage, welche Ansprüche geltend gemacht werden können und ob die Arbeitsunfähigkeit gleichbedeutend mit Berufsunfähigkeit ist.
Ein Anspruch auf Leistungen aufgrund von Arbeitsunfähigkeit ist zunächst nicht immer an eine Arbeitsunfähigkeitsversicherung geknüpft. Die Ansprüche können grundsätzlich auch im Rahmen der Krankenversicherung geltend gemacht werden. Die Arbeitsunfähigkeit tritt ein, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlechterung der Krankheit in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit nachzugehen (siehe auch: Fluguntauglichkeit gleichbedeutend mit Arbeitsunfähigkeit? (OLG Köln)).
Leistungspflichtig ist dann zunächst bei gesetzlich Krankenversicherten, die gesetzliche Krankenkasse. Bei Privatversicherten muss die private Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankentagegeld enthalten, da kein zusätzlicher Anspruch auf ein gesetzliches Krankengeld besteht. Der Arbeitnehmer kann zunächst einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich zur Fortzahlung des Entgelts für bis zu 6 Wochen verpflichtet.
Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung tritt der Anspruch auf Krankengeld bei gesetzlich Versicherten und Krankentagegeld bei privat Versicherten anstelle der Entgeltfortzahlung (siehe auch: Arbeitsunfähigkeit in Krankentagegeldversicherung bei möglicher Umorganisation (OLG Dresden)). Der Anspruch bei der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst 70 Prozent des regelmäßig erzielten Bruttoarbeitsentgelts und maximal 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts. Bei einer privaten Versicherung bestimmt sich die Höhe des Anspruchs nach dem individuellen Vertrag.
Für die Geltendmachung des Anspruchs muss der Versicherte dem Versicherer die Arbeitsunfähigkeit nachweisen. Der Anspruch gilt ab dem Tag, an dem ein Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat. Auch, wie lange der Anspruch besteht, unterscheidet sich bei der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung. Der Anspruch auf Krankengeld einschließlich der Entgeltfortzahlung wegen derselben Krankheit beschränkt sich bei der gesetzlichen Krankenversicherung auf 78 Wochen innerhalb von drei Jahren. Für die private Krankenversicherung gilt wiederum die individuelle vertragliche Vereinbarung.
Um Leistungen aufgrund einer Berufsunfähigkeit zu beziehen, muss der Arbeitnehmer zunächst eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen haben und sodann die Voraussetzungen dieser erfüllen. Die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit richten sich nach dem individuellen Versicherungsvertrag. Meist liegt eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherungsnehmer zu mehr als 50 Prozent berufsunfähig ist.
Eine Arbeitsunfähigkeit ist also nicht gleichbedeutend mit einer Berufsunfähigkeit. Eine Arbeitsunfähigkeit führt nicht automatisch zu einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit.
Tritt die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ein, hat der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente gegenüber dem Versicherer (Der Leistungsantrag in der Berufsunfähigkeitsversicherung). Dabei schützt die Berufsunfähigkeit die Gefahr, einen bestimmten Beruf voraussichtlich dauerhaft nicht mehr ausüben zu können. Die Vereinbarung von abstrakten oder konkreten Verweisungsmöglichkeiten ist jedoch möglich. Auch die Länge der Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente bei bestehender Berufsunfähigkeit richtet sich nach dem individuellen Vertrag.
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Neben einer eigenständigen Krankentagegeldversicherung kann auch die Berufsunfähigkeitsversicherung eine Arbeitsunfähigkeitsklausel enthalten. Diese sogenannte AU-Klausel kann zu der Frage führen, ob eine Arbeitsunfähigkeit gleichbedeutend mit Berufsunfähigkeit ist.
Diese Frage ist im Ergebnis jedoch zu verneinen. Berufsunfähigkeitsversicherungen begrenzen die Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit regelmäßig sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch was die weiteren Voraussetzungen eines Leistungsantragsverfahrens angeht. In zeitlicher Hinsicht unterscheidet sich die Leistungsdauer in der Regel zwischen 6 und 24 Monaten. Manche Versicherungen knüpfen die Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit auch daran, dass zwingend ein Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit gestellt wird. Andere Versicherungen schreiben dem Vertrag die AU-Leistungen wieder „gut“, manche BU-Versicherungen leisten nur einmalig für einen begrenzten Zeitraum. Wurden die Leistungen „aufgebraucht“, können dieses nicht noch einmal angerufen werden. Vor diesem Hintergrund kann die Frage, ob Arbeitsunfähigkeit gleichbedeutend mit Berufsunfähigkeit aufgrund von AU-Klauseln ist, durchaus verneint werden.
Kann der Versicherungsnehmer nun bei Unterhaltung mehrerer Versicherungen auch mehrfache Leistungen beziehen? Zunächst gilt für gesetzlich Krankenversicherte, dass ein gleichzeitiger Bezug von Krankengeld und Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung mit AU-Klausel möglich sein kann. Selbes gilt für eine privat abgeschlossene Krankentagegeldversicherung in Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung.
Anderes gilt im Zusammenspiel einer Krankentagegeldversicherung und einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Meist ist dann für den Eintritt einer Berufsunfähigkeit ein Ausschluss eines Anspruchs auf Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung vereinbart. Selbes gilt für das Zusammenspiel der AU-Klausel und der Berufsunfähigkeit in einem gemeinsamen Versicherungsvertrag. Es gilt aber, dass immer auf die individuellen vertraglichen Vereinbarungen geachtet werden muss.
Ist es Versicherten nicht mehr möglich, ihrem gewohnten Beruf nachzugehen, geht es nicht nur um gesundheitliche, sondern auch um finanzielle Sorgen. Gerade dann ist ein umfassender Versicherungsschutz von großer Bedeutung. So sollten gesetzlich Krankenversicherte besonders über den Abschluss einer privaten Krankentagegeldversicherung oder einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit AU-Klausel nachdenken. So können Höhe und Dauer der Leistung individuell bestimmt werden, um möglichen finanziellen Engpässen entgegenzuwirken. Doch auch Privatkrankenversicherte sollten besonders auf die Bedingungen des Versicherungsvertrages achten. Um im Krankheitsfall bestmöglich abgesichert zu sein, sollte immer der Abschluss einer zusätzlichen Versicherung in Betracht gezogen werden. Weitere Artikel unter: Berufsunfähigkeit
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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