Beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung vereinbaren viele Versicherung eine Beitragsdynamik. Eine solche Beitragsdynamik ermöglicht die Anpassung der Berufsunfähigkeitsversicherung an die Lebensumstände des Versicherungsnehmers und die Inflation, indem gegen eine Erhöhung der zu zahlenden Beiträge meist ohne erneute Gesundheitsprüfung auch die Erhöhung der bei Eintritt des Versicherungsfalls zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente erfolgt. Fraglich ist jedoch, ob es dabei zu einer Übersicherung durch Dynamisierung der Berufsunfähigkeitsversicherung kommen kann und welche Folgen sich hieraus ergeben.
Versicherte können der jährlichen Erhöhung der Berufsunfähigkeitsrenten in der Regel widersprechen. Dazu gilt es, die individuellen Vereinbarungen mit dem Versicherer zu beachten. Aber was passiert, wenn der Versicherungsnehmer den Dynamisierungen nicht widerspricht und die im Leistungsfall zu zahlende Berufsunfähigkeitsrente das Gehalt des Versicherungsnehmers übersteigt? Hier gilt Entwarnung für den Versicherungsnehmer. Da die Berufsunfähigkeit eine Summenversicherung ist, findet die Vorschrift des § 74 VVG keine Anwendung. Der Versicherer kann die Versicherungsleistung also nicht entsprechend dem Einkommen des Versicherungsnehmers anpassen, sondern muss die vertraglich zugesicherten Leistungen in voller Höhe erbringen.
Bei einer „Übersicherung“ schneidet der Versicherer also im Zweifel schlecht ab und muss dem Versicherungsnehmer trotz möglichem Missverhältnis die geforderte Berufsunfähigkeitsrente zahlen. Dieses „Problem“ versuchen manche Versicherer über eine Klausel in den AVB zu umgehen, indem sie Versicherten auferlegen, eine mögliche Übersicherung durch Dynamisierung jährlich selbst zu überprüfen und bei entsprechender Feststellung einen Widerspruch einzulegen. Auch lassen sich im Zuge dessen Klauseln finden, bei denen sich der Versicherer vorbehält, bei unterlassenem Widerspruch die Höhe der Berufsunfähigkeitsrente an das tatsächliche Gehalt des Versicherten anzupassen.
Beispielhaft könnten die entsprechenden Klauseln wie folgt lauten:
„Welche sonstigen Bestimmungen gelten für die Erhöhungen der Versicherungsleistungen?
Voraussetzung für die Dynamik von Berufsunfähigkeitsleistungen ist eine stets angemessene Relation der Rente zum Einkommen des Versicherten. Übersteigt die gesamte Jahresrente 25.200 EUR und übersteigt die Rente einschließlich bestehender Berufsunfähigkeits-anwartschaften 70 % des jährlichen Bruttoeinkommens, ist der Erhöhung zu widersprechen. Hierauf werden wir Sie in jedem Nachtrag über die Erhöhung hinweisen.
Stellen wir im Leistungsfall fest, dass zum Zeitpunkt einer Erhöhung keine angemessene Relation zum Einkommen gegeben war, sind wir von der Verpflichtung zur Leistung aus dieser Erhöhung frei. Die für diese Erhöhung aufgewendeten Beträge werden – unter Abzug bereits erhaltener Überschussanteile – unverzinst zurückerstattet.“
Aber sind diese Klauseln rechtlich haltbar?
Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow unterstützt ihre Mandanten bundesweit in versicherungsrechtlichen Streitigkeiten mit der Berufsunfähigkeitsversicherung. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.
Grundsätzlich besteht Vertragsfreiheit in Deutschland. Die Vertragsparteien können den Inhalt ihrer Verträge grundsätzlich selbst bestimmen. Besonders bei der Verwendung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen gegenüber Verbrauchern gilt aber ein besonderer Schutz für Versicherte. Die Wirksamkeit von Klauseln kann nämlich gerichtlich überprüft werden. Nach § 305 c Abs. 1 BGB könnte es sich hier um eine überraschende Klausel handeln, da Verbraucher nicht mit einer derartigen Klausel zu rechnen braucht. Dies wird besonders durch den Umstand unterstützt, dass eine Übersicherung nicht gesetzlich für die Berufsunfähigkeitsversicherung geregelt ist. Ginge man davon aus, dass es sich um eine überraschende Klausel handelt, wird sie nicht Bestandteil des Versicherungsvertrags, so dass der Versicherer sich nicht darauf berufen könnte.
Aber auch bei der Annahme einer wirksamen Einbeziehung in den Vertrag, könnte die entsprechende Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers nach § 307 BGB darstellen. So kann in einer unverständlichen Formulierung, die den Versicherungsnehmer zur Überprüfung der Übersicherung auffordert, auch Berufsunfähigkeitsanwartschaften zu berücksichtigen, eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB gesehen werden, da gegen das Transparenzgebot verstoßen (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) werden könnte. Versicherten könnte unklar sein, was von den Berufsunfähigkeits-anwartschaften überhaupt umfasst wird. So könnten neben weiteren Berufsunfähigkeitsversicherungen auch anderen Rentenansprüche gemeint sein, wie zum Beispiel die Erwerbsminderungsrente. Nimmt man einen Verstoß gegen das Transparenzgebot an, wäre die Klausel unwirksam, so dass der Versicherer sich nicht darauf berufen könnte.
Eine Dynamik in der Berufsunfähigkeitsversicherung stellt eine gute Lösung zum Ausgleich der Inflation und eine stetige Anpassung an den Lebensstandard des Versicherungsnehmers dar. Auch bezüglich der Gefahr der Übersicherung durch Dynamisierung gilt, dass die Versicherung als Summenversicherung grundsätzlich voll leisten muss. Bei Übersicherungsklauseln gilt jedoch besondere Aufmerksamkeit. Es kann sich daher durchaus empfehlen, diese Klauseln im Hinblick auf ihre Wirksamkeit durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen zu lassen.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.
Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.