Das Landgericht Krefeld befasst sich in seinem Urteil vom 08.05.2024 mit der Frage, ob eine Bindung der Pflegetagegeldversicherung an ein Pflegegutachten besteht (LG Krefeld, Urteil v. 08.05.2024 – Az.: 2 O 260/22).
Der Versicherungsnehmer unterhielt eine private Kranken- und Pflegetagegeldversicherung. Auch der Sohn des Versicherungsnehmers wurde in den Vertrag als Versicherter mit einbezogen. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die ergänzende Pflegekrankenversicherung zugrunde. Diese enthielten unter anderem folgende Bestimmungen:
„§ 6 Abs. 2 Nachweise
Für Eintritt, Grad und Fortdauer der Pflegebedürftigkeit, die Eignung, Notwendigkeit und Zumutbarkeit von Maßnahmen zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit ist das für die soziale Pflege oder private Pflegeversicherung erstellte Gutachten sowie die Leistungszusage der sozialen Pflege oder privaten Pflegeversicherung maßgeblich.“
Im August 2021 beantragte der Versicherungsnehmer die Zahlung eines Pflegetagegeldes für seinen Sohn. Zuvor hatte ein medizinischer Dienst im Auftrag der B-Pflegekasse dem Versicherungsnehmer ab dem 01.06.2021 den Pflegegrad III seines Sohnes aufgrund einer ADHS-Erkrankung bestätigt. Die B-Pflegekasse sprach dem Versicherungsnehmer daraufhin Pflegeleistungen für seinen Sohn zu.
Der Versicherer der privaten Kranken- und Pflegetagegeldversicherung schloss hingegen die Leistungsprüfung nicht ab. Er gab an, der Versicherungsnehmer habe die notwendigen Informationen zur Überprüfung der Voraussetzungen der Leistung in der Pflegetagegeldversicherung nicht vorgelegt. Zudem bezweifelte er schon, ob ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall tatsächlich vorliege. Daraufhin erhob der Versicherungsnehmer Klage vor dem Landgericht Krefeld und begehrte die Verurteilung des Versicherers zur Zahlung des entsprechenden Pflegetagegeldes.
Das Landgericht Krefeld sprach dem Versicherungsnehmer einen Anspruch auf das geforderte Pflegetagegeld vom 01.08.2021 bis zum 31.04.2026 zu. Ein Anspruch über den genannten Zeitpunkt hinaus bestünde hingegen nicht.
Das Landgericht Krefeld stellte zunächst fest, dass die Voraussetzungen der Leistung in der Pflegetagegeldversicherung nach dem Versicherungsvertrag unstrittig erfüllt seien. So reiche nach § 6 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die ergänzende Pflegekrankenversicherung als Nachweis der Pflegebedürftigkeit aus, wenn ein für die soziale Pflegepflichtversicherung erstelltes Gutachten sowie die Leistungszusage der sozialen Pflegepflichtversicherung vorliegen. Beide Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall durch die Leistungszusage der B-Pflegekasse und dem von ihr beauftragten Gutachten erfüllt. Es bestünde also eine Bindung der Pflegetagegeldversicherung an das Pflegegutachten.
Infolgedessen sei eine Verpflichtung zur Leistung des Versicherers ab Antragsstellung anzunehmen. Da die B-Pflegekasse eine Überprüfung der Leistungszusage für März 2016 angekündigt habe, seien auch die Versicherungsleistungen des Versicherers der privaten Kranken- und Pflegetagegeldversicherung auf diesen Zeitpunkt zu beschränken.
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Auch auf die Zweifel des Versicherers komme es nicht an. Dazu führt das Landgericht Krefeld fort, dass durch die Regelung des § 6 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die ergänzende Pflegekrankenversicherung eine im Ansatz unwiderlegliche Vermutung zu Lasten des Versicherers formuliert werde. Die Klausel sei vergleichbar mit einer Beamtenklausel in der Berufsunfähigkeitsversicherung (siehe hierzu Dienstunfähigkeitsversicherung), da auch hier der Versicherer die Leistungsüberprüfung an einen Dritten übergebe. Durch einen solchen Mechanismus solle einerseits eine doppelte Leistungsüberprüfung vermieden werden. Andererseits solle widersprüchlichen Entscheidungen vorgebeugt werden.
Es sei aber auch festzustellen, dass eine Bindung der Pflegetagegeldversicherung an das Pflegegutachten nicht ausnahmslos bestünde. Die Voraussetzungen, unter denen eine solche Bindung der Pflegeversicherung an das Pflegegutachten wegfalle, seien aber noch nicht geklärt. In Betracht würde zunächst ein Rechtsmissbrauch durch den Versicherungsnehmer kommen, wie er auch in der Beamtenklausel vorgesehen sei. Auch sei denkbar, dass sich der Versicherer die Leistung verweigern könne, wenn die Voraussetzungen einer Rücknahme der Leistungsbewilligung der gesetzlichen Pflegekasse vorliegen würden. Zuletzt komme eine tatsächliche Rücknahme der Leistungsbewilligung der gesetzlichen Pflegkasse in Betracht (§ 45 Abs. 2 SGB X). Der Versicherer habe aber keine der vorgetragenen Varianten im vorliegenden Fall geltend gemacht. Im Ergebnis bestünde daher eine Bindung der Pflegetagegeldversicherung an das Pflegegutachten.
Das Urteil des Landgerichts Krefeld zeigt, dass die Voraussetzungen der Leistung in der Pflegetagegeldversicherung zunächst bereits dann erfüllt sind, wenn die Versicherungsbedingungen eine Bindung der Pflegetagegeldversicherung an das Pflegegutachten vorsehen und ein Pflegegutachten der Pflegekasse die Pflegebedürftigkeit bestätigt. Dies vereinfacht die Geltendmachung des Pflegetagegeldes für Versicherte merklich.
Allerdings können sich die Versicherungsbedingungen in der Pflegetagegeldversicherung von Versicherer zu Versicherer auch unterscheiden. Es ist daher zu prüfen, ob die konkret vereinbarten Versicherungsbedingungen eine Bindung der Pflegetagegeldversicherung an ein Pflegegutachten vorsehen oder nicht. Es bedarf also der genauen Prüfung des Einzelfalles. Hierzu kann es sich anbieten, einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt mit der genauen Prüfung des Falles zu beauftragen. Gerne unterstützt Sie auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auch unter: Pflegetagegeldversicherung
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