Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. befasste sich mit seinem Urteil vom 16.03.2022 mit der Frage, wann eine vom Versicherer gesetzte Frist zur Feststellung der Invalidität in der Unfallversicherung als versäumt gilt (OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 16.03.2024 – Az.: 7 U 244/20).
Der Versicherungsnehmer unterhielt eine Unfallversicherung. Es wurde eine monatliche Rente von 700 Euro versichert. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen 2012 (AUB 2012) sowie die Besonderen Bedingungen Unfall classic (Unfall classic) zugrunde. Voraussetzung für die Zahlung einer Unfallrente ist danach gemäß Nr. 2.2.1 AUB 2012 der Eintritt einer bedingungsgemäßen Invalidität von mindestens 50%. Eine Invalidität liegt vor, wenn die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist (Nr. 2.1.1 AUB 2012). Von einer Dauerhaftigkeit ist nach Nr. 2.1.1 AUB 2012 auszugehen, wenn die Beeinträchtigung voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Nr. 12 X Unfall classic bestimmt zudem, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eintreten muss, innerhalb von 18 Monaten ärztlich festgestellt wird und innerhalb von 18 Monaten nach dem Unfall geltend gemacht wird.
Am 26.03.2019 informierte der Versicherungsnehmer den Versicherer, dass er sich im Jahr 2016 beim Sport durch einen Unfall an der Hüfte verletzt habe. Der Versicherer lehnte die Leistung daraufhin mit Schreiben vom 08.04.2019 ab. Der Versicherungsnehmer erklärte daraufhin, er habe den Versicherungsfall aufgrund von psychischen Problemen erst verspätet angezeigt. Mit Bescheid vom 20.07.2018 sei ihm eine Behinderung von 50% bescheinigt worden. Auch habe der Versicherer ihn im Anschluss an seine Anzeige des Versicherungsfalls nicht über die entsprechenden Fristen belehrt. Der Versicherer lehnte die Leistung abermals ab und gab als Grund die verspätete Unfallanzeige an.
Der Versicherungsnehmer erhob sodann Klage vor dem Landgericht Wiesbaden (LG Wiesbaden, Urteil v. 18.09.2020 – Az.: 9 O 143/20). Das Landgericht Wiesbaden wies die Klage des Versicherungsnehmers jedoch ab. Der Versicherungsnehmer habe unter anderem die Frist zur Feststellung der Invalidität nicht eingehalten. Dagegen legte der Versicherungsnehmer Berufung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. ein.
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Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. wies die Berufung des Versicherungsnehmers als unbegründet zurück und entschied zugunsten des Versicherers.
Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. erklärte zunächst, dass der Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sei, da die vertraglich vereinbarte Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität nicht eingehalten worden sei (Nr. 2.1.1. X AUB i.V.m Nr. 12 X Unfall classic). So habe der Versicherungsnehmer im Berufungsverfahren eingeräumt, dass eine entsprechende ärztliche Feststellung nicht vorliege (siehe auch: Nachweis der Invalidität nach einem Unfall (LG Erfurt)). Die vorherig vom Versicherungsnehmer geltend gemachte ärztliche Feststellung datiere nach dem Zeitraum von 18 Monaten und bestimmt zudem auch keinen konkreten unfallbedingten Dauerschaden. Die Frist zur Feststellung der Invalidität sei daher nicht eingehalten worden.
Die Frist zur ärztlichen Feststellung diene dazu, schwer aufklärbare und unübersehbare Spätschäden vom Versicherungsschutz auszuschließen (siehe auch: Inhalt der ärztlichen Invaliditätsfeststellung in der Unfallversicherung (OLG Dresden)) . Aus diesem Grund führe ein Versäumnis der Frist der ärztlichen Feststellung dazu, dass der Anspruch auf eine Rente aus der Unfallversicherung schon gar nicht entstehe. Infolgedessen könne eine Versäumnis der Frist auch nicht entschuldigt werden. Die Entschuldigung des Versicherungsnehmers, er habe die fristgebundenen Erklärungen aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht vorher abgegeben können, habe aus diesem Grund kein Gewicht. Eine Wirksamkeit von Klauseln zu entsprechenden Fristregelungen sei von der Rechtsprechung bereits geklärt.
Auch die vom Versicherungsnehmer behauptete unterlassene Belehrung trage keine Relevanz, da die Feststellungsfrist im Zeitpunkt der Unfallanzeige schon abgelaufen war. Aus diesem Grund habe den Versicherer zu diesem Zeitpunkt auch keine Hinweispflicht bzgl. der Frist zur Feststellung der Invalidität mehr getroffen. Nach § 186 S.1 VVG müsse der Versicherer nur auf einzuhaltende Fristen hinweisen, nicht aber auf abgelaufene Fristen.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. zeigt, dass ein Versäumnis der Frist zur Feststellung der Invalidität schwerwiegende rechtliche Folgen haben kann. Dies spiegelt den Grundgedanken wider, dass die fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität dazu dient, schwer aufklärbare und unübersehbare Spätschäden vom Versicherungsschutz auszuschließen.
Es ist daher ratsam, sich nach einem Unfall möglichst frühzeitig über die einzuhaltenden Fristen in der Unfallversicherung zu informieren (siehe hierzu auch Die Fristen in der Unfallversicherung). Im Einzelfall kann es auch sinnvoll sein, einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu kontaktieren. Gerne berät Sie zu diesem Thema auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.
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