Das KG Berlin hatte über den Rücktritt eines Versicherers aufgrund einer Anzeigepflichtverletzung wegen Nichtangabe einer Asthmaerkrankung zu entscheiden (Beschl. v. 14.12.2018 – 6 U 27/17).
Die Versicherungsnehmerin schloss unter Einschaltung eines Versicherungsmaklers eine private Krankenversicherung ab. Im Antragsfragebogen galt es die Frage nach ambulanten Untersuchungen (auch Kontrolluntersuchungen wegen Vorerkrankungen oder Entwicklungsstörungen) und Behandlungen durch Ärzte, Heilpraktiker oder andere Personen innerhalb der letzten drei Jahre zu beantworten. Die Versicherungsnehmerin beantwortete diese mit „ja“. Allerdings verschwieg sie eine ärztliche Behandlung ihrer Asthmaerkrankung.
Der Versicherer erklärte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag, hilfsweise die Kündigung wegen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung. Die Versicherungsnehmerin habe die Gesundheitsfragen wegen Nichtangabe einer Asthmaerkrankung unvollständig beantwortet.
Die Versicherungsnehmerin begehrte daraufhin die Feststellung des Fortbestandes der Krankenversicherung. Sie behauptete, nicht nach den ärztlichen Behandlungen gefragt worden zu sein. Die Antragsfragen seien ihr darüber hinaus nicht in Textform zugegangen, da der Versicherungsmakler zum Ausfüllen des Antragsformulars ein Softwareprogramm des Versicherers verwendete. Dadurch sei er außerdem für den Versicherer tätig geworden. Sein Verhalten könne daher der Versicherungsnehmerin nicht zugerechnet werden. Darüber hinaus sei die Behandlung ohnehin nicht anzeigepflichtig. Es handelte sich lediglich um eine Untersuchung, die auf einen Verdacht hin vorgenommen worden sei. Eine Erkrankung habe nicht vorgelegen. Sie habe keine positive Kenntnis von den Umständen gehabt und daher weder vorsätzlich noch fahrlässig ihre Pflichten verletzt.
Das Landgericht Berlin wies die Klage ab, da der Rücktritt wegen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung wegen Nichtangabe der Asthmaerkrankung wirksam sei (Urt. v. 24.01.2017 – 7 O 219/15). Hiergegen wendet sich die Berufung der Versicherungsnehmerin.
Das KG Berlin entschied, dass die Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt des Versicherers hier vorlagen. Die Versicherungsnehmerin hat die ihr obliegende Pflicht verletzt, die ihr bekannten Gefahrumstände anzuzeigen, die für die Entscheidung des Versicherers zum Vertragsschluss erheblich sind.
Zunächst erklärte das KG Berlin, dass der Versicherungsmakler im Pflichtenkreis der Versicherungsnehmerin tätig geworden ist und diese sich das Verhalten des Versicherungsmaklers daher zurechnen lassen muss. Die Versicherungsnehmerin kann sich hier nicht darauf berufen, dass der Versicherer die Antragsfragen nicht in Textform gestellt habe.
Übernimmt ein Vermittler mit Wissen und Wollen einer Vertragspartei Aufgaben, die typischerweise ihr obliegen, steht der Vermittler in ihrem Lager und ist daher als ihre Hilfsperson zu betrachten. Dies gilt unabhängig von seiner etwaigen Selbständigkeit und einer Tätigkeit auch für den anderen Vertragspartner.
Die Versicherungsnehmerin berief sich hier darauf, dass der Versicherungsmakler ein Softwareprogramm des Versicherers verwendete. Der Umstand allein, dass der Versicherungsmakler über die Antragsformulare des Versicherers verfügt und diese verwendet, begründet nicht, dass er im Pflichtenkreis des Versicherers tätig wird. Die Verwendung eines Antragsformulars des Versicherers gehört zur Tätigkeit eines Versicherungsmaklers. Sie dient der organisatorischen Abwicklung beim Zustandekommen des Versicherungsvertrages.
Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob der Versicherungsmakler mit Wissen und Wollen des Versicherers Aufgaben für ihn übernommen hat, ist die Bestimmung des Pflichtenkreises des Versicherers. Der Versicherer kann nur zurücktreten, wenn er dem Versicherungsnehmer die Antragsfragen in Textform gestellt hat. Der Pflichtenkreis des Versicherers endet deshalb grundsätzlich damit, dass dem Versicherungsnehmer die Fragen in Textform zugehen. Hierzu reicht der Zugang beim beauftragten Versicherungsmakler.
Wegen seiner umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich des Versicherungsverhältnisses des von ihm betreuten Versicherungsnehmers, als dessen treuhänderischer Sachwalter bezeichnet werden. Er steht in dessen Lager und nimmt dessen Interessen wahr. (siehe auch: Zurechnung der Arglist eines Versicherungsnehmers (OLG Düsseldorf)). Der Versicherungsmakler wird daher bei der Antragsaufnahme für die Versicherungsnehmerin tätig. Somit muss sich die Versicherungsnehmerin das Verhalten des Versicherungsmaklers zurechnen lassen.
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Das KG Berlin argumentierte weiter, dass die Versicherungsnehmerin die Antragsfrage zumindest grob fahrlässig falsch beantwortet habe. Sie hat die Antragsfrage nach ambulanten Untersuchungen oder Behandlungen durch Ärzte, Heilpraktiker oder andere Personen zwar zutreffend bejaht. Jedoch teilte sie weder die ärztliche Behandlung bezüglich ihrer Asthmaerkrankung noch die Beschwerden, die sie dazu veranlassten mit. Es kommt hier nicht darauf an, ob sie Kenntnis von den konkreten Diagnosen hatte. Die Frage des Versicherers bezog sich lediglich auf ärztliche Untersuchungen und Behandlungen.
Die Versicherungsnehmerin hat hier nicht dargelegt, warum sie die ärztlichen Behandlungen nicht genannt hat. Das KG Berlin erklärt, dass die Auffassung der Versicherungsnehmerin, dass die Behandlungen vorliegend nur Verdachtsuntersuchungen darstellten und daher nicht angegeben werden müssten, angesichts der eindeutigen Formulierung der Frage nicht nachzuvollziehen ist. Es ist ohne Belang, dass die Versicherungsnehmerin glaubte, nicht an einer Krankheit zu leiden, weil nur eine einmalige Untersuchung stattgefunden habe. Aufgrund der klaren Fragestellung nach ärztlichen Untersuchungen kann sich die Versicherungsnehmerin von dem Vorwurf zumindest grober Fahrlässigkeit nicht entlasten.
Die Entscheidung des KG Berlin zeigt, dass eine Nichtangabe einer Asthmaerkrankung durchaus weitreichende Folgen für das Bestehen einer Krankenversicherung haben kann. Bei der Beantwortung von Antragsfragen sollte daher stets die genaue Frage und dessen Umfang geprüft werden (siehe auch: Auslegung von Antragsfragen des Versicherers). Letztlich bleibt aber je nach Formulierung der Antragsfrage anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob der Versicherer im konkreten Fall tatsächlich zum Rücktritt berechtigt war. Daher ist es durchaus empfehlenswert, den Rücktritt des Versicherers durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen zu lassen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.
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