Falschberatung durch Versicherungsvermittler, Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler Beweislast

Maklerhaftung bei fehlendem Zuraten zu einer Risikolebensversicherung? (OLG Dresden)

Das Oberlandesgericht Dresden befasste sich mit seinem Urteil vom 23.04.2024 erneut mit der Frage der Maklerhaftung bei fehlendem Zurate zu einer Risikolebensversicherung (OLG Dresden, Urteil v. 23.04.2024 – Az.: 3 U 79/23). Der Versicherungsmakler war im erstinstanzlichen Urteil des durch die Kanzlei Jöhnke & Reichow begleiteten Verfahrens unterlegen.

Maklerhaftung aufgrund fehlender Risikolebensversicherung?

Der Versicherungsmakler verwaltete die Versicherungsverträge eines Ärztepaars. Der Ehemann war Hauptverdiener. Er war zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs als Facharzt auf einer Intensivstation eines Krankenhauses tätig und behandelt auch mit Covid-19 infizierte Patienten. Seine Frau kümmerte sich um die gemeinsamen Kinder.

Im Jahr 2020 kam es auf Wunsch des Ehepaars zu einem Beratungsgespräch bezüglich einer Risikolebensversicherung auf das Leben des Ehemanns. Eine Dokumentation des Gesprächs durch den Versicherungsmakler erfolgte nicht. Auch der Inhalt des Gesprächs bleibt zwischen den Parteien streitig. Zu einer Vermittlung einer Risikolebensversicherung kam es jedenfalls nicht.

Im Oktober 2020 verstarb der Ehemann plötzlich. Die Ehefrau wandte sich sodann an den Versicherungsmakler und machte Schadenersatzansprüche geltend. Sie begründete die Maklerhaftung damit, dass der Versicherungsmakler sie und ihren Mann fehlerhaft beraten habe.

Landgericht Dresden bejaht Schadensersatzanspruch!

Das Landgericht Dresden bejahte eine Maklerhaftung und gab der Klage der Versicherungsnehmerin überwiegend statt (LG Dresden, Urteil v. 21.12.2022 – Az.: 8 O 1530/21). Der Versicherungsmakler habe sich schadensersatzpflichtig gemacht, da er seine Beratungspflicht verletzt habe. Dagegen richtete sich die Berufung des Versicherungsmaklers vor dem Oberlandesgericht Dresden. Eine ausführliche Berichterstattung über das Urteil des Landgerichts Dresden ist hier nachzulesen: Maklerhaftung wegen fehlender Risikolebensversicherung (LG Dresden)

Rechtsanwalt für Versicherungsrecht

Bundesweite Vertretung durch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow vertritt ihre Mandanten bundesweit vor Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.

Zur Kontaktaufnahme

Ablehnung einer Falschberatung durch das OLG Dresden

Das Oberlandesgericht Dresden gab der Berufung des Versicherungsmaklers statt und wies die Klage der Ehefrau vollständig ab. Eine Maklerhaftung bestünde nicht, so das OLG Dresden.

Keine Verletzung der objektiven Beratungspflicht!

Das Oberlandesgericht Dresden argumentierte, dass von einer Verletzung der objektiven Beratungspflicht des Versicherungsmaklers nicht ausgegangen werden könnte. Das von der Ehefrau dargestellte fehlende Zuraten des Versicherungsmaklers vom Abschluss einer Lebensversicherung könne keine Maklerhaftung begründen.

Eine Risikolebensversicherung sei keine absolut übliche Versicherung. Ein Versicherungsmakler sei daher nicht verpflichtet jedem Kunden den Abschluss einer solchen Versicherung vorzuschlagen. Im Falle des Ehemanns habe zudem keine besondere Gefährdungssituation vorgelegen. Die Arbeit auf der Intensivstation würde in Zusammenhang mit Covid-19 nicht die Pflicht zur Empfehlung einer Risikolebensversicherung zur Folge haben, da es eine persönliche, subjektive Entscheidung des Kunden sei, ob er aufgrund der Tatsachenlage eine Versicherung abschließe. Ein erhöhtes Todesfallrisiko habe nicht vorgelegen. Allein die Unsicherheiten, die damals im Zuge der Corona-Pandemie bestanden, seien auch nicht ausreichend, um eine besondere Gefährdungssituation zu begründen. Eine erhöhte Sterblichkeitsrate sei für entsprechendes Personal nicht festgestellt worden. Auch die Hauptverdiener-Stellung des Ehemannes begründe keine besondere Gefährdungssituation. Daher stelle das fehlende Zuraten des Versicherungsmaklers auch keine Beratungspflichtverletzung dar.

Verletzung aufgrund Äußerung spezieller Wünsche des Ehepaars?

Dem Versicherungsmakler sei auch keine Beratungspflichtverletzung in Anbetracht der subjektiven Wünsche des Ehepaars anzulasten, da er, wie von der Ehefrau behauptet, vom Abschluss einer Risikolebensversicherung explizit abgeraten habe. Die Dokumentationspflichtverletzung könne zwar zu einer Beweiserleichterung bis hin zur Beweislastumkehr führen (siehe auch: Umkehr der Beweislast bei fehlender oder unvollständiger Dokumentation (BGH)). Das führe aber wiederum nicht dazu, dass der Versicherungsmakler jegliche Behauptungen bezüglich des Gesprächs der Gegenseite widerlegen müsse. Würde von Gegenteiligem ausgegangen werden, könne der Kunde dem Versicherungsmakler bei einer Dokumentationspflichtverletzung jeglichen Beratungsinhalt anlasten, was wiederum zu einer erheblichen Maklerhaftung führen würde. Die Beweislastumkehr könne sich daher nur auf den streitigen Inhalt des Gesprächs beziehen, der dokumentationspflichtig gewesen sei.

Es handele sich bei der Risikolebensversicherung um ein leicht verständliches Versicherungsprodukt, daher sei das Ehepaar ohne große Erläuterung oder Details in der Lage gewesen, eine Entscheidung über den Abschluss einer solchen Versicherung selbst zu treffen. Dem Versicherungsmakler könne daher keine Beratungspflichtverletzung angelastet werden. Infolgedessen scheide eine Maklerhaftung aus, so das OLG Dresden.

Fazit

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden wirft im Angesicht vorangegangener Urteile des BGH zur Beweislast bei unterlassener Dokumentation erhebliche Fragen auf. Nachdem gegen die Entscheidung des OLG Dresden Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt wurde, hat dieser sich nunmehr mit der Frage der Haftung des Versicherungsmaklers zu befassen. Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte werden weiterhin über das Verfahren berichten. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auch unter: Haftung und Beweislast für Beratungsfehler bei Vermittlung einer Versicherung

Wurden Sie falsch beraten?

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

Zum Anwaltsprofil

Anwalt berichtet über Urteil zur Maklerhaftung.

Mandantenstimmen:

Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.

Hinweise zu Kundenbewertungen

Bleiben Sie informiert – unser Newsletter!

Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.