Doppelte Subsidiaritätsklausel in der Auslandsreisekrankenversicherung (BGH)

Der BGH befasste sich in seinem Urteil vom 10.07.2024 mit einer doppelten Subsidiaritätsklausel in der Auslandsreisekrankenversicherung (BGH, Urteil v. 10.07.2024 – Az.: IV ZR 129/23).

Mehrfachversicherung in der Auslandsreisekrankenversicherung

Der Versicherungsnehmer unterhielt eine Auslandskrankenschutzversicherung (Versicherer zu Erstens). Zudem verfügte er über eine Kreditkarte einer Bank, die mit einem anderen Versicherer einen Gruppenversicherungsvertrag einschließlich einer Auslandsreisekrankenversicherung zugunsten der Kreditkarteninhaber abgeschlossen hatte (Versicherer zu Zweitens). Beide Versicherungsbedingungen enthielten unter anderem den Zusatz, dass, wenn im Schadensfall eine Entschädigung aus anderen Versicherungsverträgen beansprucht werden kann, diese Leistungsverpflichtungen vorgehen (sog Subsidiaritätsklausel).

Am 13.11.18 flog der Versicherungsnehmer für seine geplante Reise von Frankfurt nach Miami. Der Rückflug war für den 27.04.2019 geplant. Bei ihm bestand die Erkrankung Diabetes Mellitus Typ 2. Aufgrund seiner Erkrankung begab sich der Versicherungsnehmer vom 06.12. bis 10.12. in stationäre Behandlung. Der Versicherer zu Erstens zahlte 34.091,90 € für die Krankenhausbehandlung und Transportkosten in Höhe von 449,37 €. Umfasst waren auch die Kosten für einen Dienstleister, den so bezeichneten „Provider“, der von dem Versicherer zu Erstens im Rahmen der Abrechnung mit dem Krankenhaus beauftragt worden war.

Der Versicherer zu Zweitens lehnte seine Leistungspflicht ab und berief sich auf eine Ausschlussklausel seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Er gab an, die Erkrankungen des Versicherungsnehmers hätten bereits bei Buchung der Reise bestanden. Im Übrigen verweis er auf die eigene Subsidiaritätsklausel.

Der Versicherer zu Erstens verlangte sodann von dem zweiten Versicherer den hälftigen Innenausgleich der gezahlten Kosten gemäß § 78 Abs. 2 VVG. Schlussendlich klagte er vor dem Landgericht Köln (LG Köln, Urteil v. 09.11.2022 – Az.: 20 O 710/21). Das Landgericht gab der Klage statt, dagegen richtet sich die Berufung des zweiten Versicherers vor dem Oberlandesgericht Köln (OLG Köln, 16.06.2023 – Az.: 20 U 360/22). Gegen die Zurückweisung der Berufung ging der zweite Versicherer vor dem Bundesgerichtshof in Revision.

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Zurückverweisung an das Oberlandesgericht Köln!

Der Bundesgerichtshof entschied zugunsten des Versicherers zu Zweitens und verwies das Verfahren zurück an das Oberlandesgericht Köln. Der Versicherer zu Zweitens könne sich nicht auf die eigene Subsidiaritätsklausel berufen, da von einer Intransparenz der Klausel auszugehen sei. Es sei aber nicht klar, ob das unter anderem geforderte anteilige Entgelt für den Provider vom Anspruch umfasst sei.

Kein Ausschluss wg. bestehender Erkrankung

Der Bundesgerichtshof führte zunächst an, dass die Klausel des zweiten Versicherers, die den Ausschluss bei einer bereits vorher bestehenden Erkrankung regle, unwirksam sei. Sie verstoße nach § 307 Abs. S. 2 BGB gegen das Transparenzgebot.

Die in der Klausel genannten nicht abschließenden Beispiele seien nicht ausreichend, um dem Versicherungsnehmer zu vermitteln, welche weiteren „bekannten medizinischen Zustände“ gemeint seien. Auch würden sie keine einheitliche Voraussetzung für die Schwere oder die Dauer der Krankheit bestimmen. Besonders relevant sei auch, dass die Klausel kein Kausalitätsverhältnis zwischen dem Versicherungsfall und der Krankheit bestimme. Im Ergebnis sei dem Versicherungsnehmer daher aufgrund der Intransparenz der Klausel nicht möglich zu bestimmen, ob sein „bekannter medizinischer Zustand“ unter die Klausel falle oder nicht.

Mehrfachversicherung trotz Subsidiaritätsklausel?

Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass bei einem Vorliegen von doppeltem Versicherungsschutz, von einer Mehrfachversicherung ausgegangen werden kann (§ 78 Abs. 1 VVG). Da beide Versicherer von einer Subsidiaritätsklausel Gebrauch machen würden, seien diese ergänzend dahin auszulegen, dass sie sich gegenseitig aufheben. Daher bestehe zunächst ein Anspruch des Versicherers zu Erstens gegenüber dem zweiten Versicherer aus § 78 Abs. 2 VVG.

Der Versicherer der Auslandskrankenversicherung habe aber keinen Anspruch auf die Kosten der Beauftragung eines Dienstleisters, da die Kosten nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag und den Versicherungsbedingungen des zweiten Versicherers nicht erfasst seien. Bezüglich der Geschäftsführung ohne Auftrag erklärte der BGH, dass noch festgestellt werden müsse, ob der Versicherer zu Erstens überhaupt ein Geschäft für den Versicherer zu Zweitens besorgt habe, da unklar sei, ob der Versicherer zu Erstens bei der Beauftragung des Providers wusste, dass ein Leistungsanspruch des Versicherten gegenüber einem weiteren Versicherer bestand.

Die angefochtene Entscheidung sei daher aufzuheben und im vollen Umfang an das Oberlandesgericht Köln zurückzuverweisen.

Fazit

Kreditkarten sehen häufig Sonderleistungen, wie z.B. eine Auslandreisekrankenversicherung vor. Das Urteil des Bundesgerichtshofs veranschaulicht, dass sich eine Auslandreisekrankenversicherer jedoch nicht ohne Weiteres auf eine Subsidiaritätsklausel seiner Versicherungsbedingungen berufen kann. Außerdem kann sich der Versicherer auch nicht stets darauf berufen, dass die Erkrankung bereits bei Antritt der Reise bestand.

Bei einer Ablehnung der Leistung durch den Versicherer kann daher die weiterführende rechtliche Beratung durch einen im Versicherungsrecht tätigen Rechtsanwalt durchaus sinnvoll sein. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie auch unter Private Krankenversicherung

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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