Verschweigen einer depressiven Vorerkrankung (OLG Saarbrücken)

Das OLG Saarbrücken hatte darüber zu entscheiden, ob ein Versicherer den Beweis arglistiger Täuschung bei Verschweigen einer depressiven Vorerkrankung durch den Versicherungsnehmer erbracht hat (Urt. v. 20.06.2018 – 5 U 55/16).

Versicherungsnehmerin verschweigt depressive Vorerkrankung

Die Versicherungsnehmerin schloss unter Mitwirkung eines Versicherungsvertreters eine private Krankenversicherung ab. Das Antragsformular enthielt verschiedene Fragen zur Gesundheit. Aufgrund der Angaben der Versicherungsnehmerin nahm der Versicherer den Antrag ohne Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge an.

Die Versicherungsnehmerin stellte einen Antrag auf Kostenübernahme, nachdem sie stationär behandelt worden war. Grund hierfür war die Diagnose einer psychischen Störung und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen. Aufgrund eines Abhängigkeitssyndroms wurde die Versicherungsnehmerin stationär in der psychiatrischen Abteilung aufgenommen.

Im Rahmen einer daraufhin eingeleiteten Leistungsprüfung erhielt der Versicherer vom Vorversicherer Leistungsaufzeichnungen. Aus diesen ergab sich, dass die Versicherungsnehmerin schon zuvor aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode und einer weiteren depressiven Episode in Behandlung war. Zudem wurde die Versicherungsnehmerin wegen psychischer Störung und Verhaltensstörungen durch Alkohol stationär behandelt.

Der Versicherer erklärte daraufhin die Anfechtung und hilfsweise den Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Die Versicherungsnehmerin habe über gefahrenerhebliche Umstände getäuscht.

Die Versicherungsnehmerin forderte zunächst vor dem Landgericht Saarbrücken die Feststellung des Fortbestehens des Krankenversicherungsvertrages. Sie habe den Versicherungsvertreter mündlich über alle Umstände unterrichtet. Das LG Saarbrücken gab der Klage statt, da der Versicherer den Beweis einer arglistigen Täuschung nicht erbracht habe (Urt. v. 29.09.2016 – 14 O 135/15). Hiergegen wendet sich die Berufung des Versicherers.

Beweis einer arglistigen Täuschung wurde erbracht

Das OLG Saarbrücken entschied, dass der Versicherer den Beweis einer arglistigen Täuschung hingegen erbracht habe. Der Vertrag ist damit aufgrund der Arglistanfechtung rückwirkend nichtig.

Täuschung durch Verschweigen einer depressiven Vorerkrankung

Der Versicherer konnte vor dem OLG Saarbrücken beweisen, dass die Versicherungsnehmerin bei der Beantragung des Versicherungsvertrages wesentliche, ausdrücklich erfragte und gefahrenerhebliche Umstände verschwiegen hat. Sie hat die im Antragsformular gestellten Gesundheitsfragen in mehrfacher Hinsicht unrichtig beantwortet. Darin liegt ein Verstoß gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht und eine Täuschung des Versicherers.

Der Annahme einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht steht nicht entgegen, dass das Antragsformular unter Mitwirkung eines Versicherungsvertreters ausgefüllt wurde. Das OLG Saarbrücken stellt klar, dass ein objektives Verschweigen einer depressiven Vorerkrankung alleine nicht genügt, um eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht anzunehmen. Dies gilt jedenfalls, sofern die Gesundheitsfragen, wie hier, von einem Versicherungsvertreter nach den mündlichen Angaben der Versicherungsnehmerin ausgefüllt werden.

Hier hat die Versicherungsnehmerin behauptet, den Versicherungsvertreter zutreffend unterrichtet zu haben. In diesem Fall kann der Versicherer nicht allein mit dem Inhalt des vom Versicherungsvertreter ausgefüllten Antragsformulars den Beweis einer arglistigen Täuschung führen. Maßgeblich für die Frage, ob die Versicherungsnehmerin objektiv falsche Angaben gemacht hat, sind allein die Angaben, die mündlich gegenüber dem Versicherungsvertreter gemacht wurden. Hier hat die Versicherungsnehmerin den Versicherungsvertreter nicht wahrheitsgemäß über die anlässlich des stationären Aufenthalts getroffenen ärztlichen Feststellungen, hier der psychischen Störung sowie der Verhaltensstörungen durch Alkohol unterrichtet. Zudem hat sie hinsichtlich der im Antrag angegebenen stationären Behandlung nicht alle Beschwerden und ärztlichen Feststellungen vollständig mitgeteilt. Durch das Verschweigen einer depressiven Vorerkrankung hat die Versicherungsnehmerin somit über gefahrenerhebliche Umstände getäuscht.

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Beweis der Arglist

Das OLG Saarbrücken erklärte ferner, dass die Versicherungsnehmerin auch arglistig handelte. Arglistiges Handeln ist anzunehmen, wenn die Versicherungsnehmerin gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass dieser sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrags beeinflusst werden kann. Die Versicherungsnehmerin muss erkennen und billigen, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (siehe auch: Anfechtung der PKV wegen Nichtangabe von Arztbesuchen (OLG Hamm)).

Da es sich bei der Arglist um eine innere Tatsache handelt, ist der Beweis in der Praxis meist nur aufgrund von Indizien zu führen. Für ein arglistiges Verhalten der Versicherungsnehmerin spricht es, wenn diese Erkrankungen verschwiegt, die ihr offensichtlich erheblich für das versicherte Risiko erscheinen mussten. Dies ist anzunehmen, wenn namentlich schwere, chronische oder schadensgeeignete oder immer wieder auftretende dauerhafte Erkrankungen oder Beeinträchtigungen vorliegen. Gibt die Versicherungsnehmerin gewisse Umstände, etwa Untersuchungen und ärztliche Behandlungen stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die Verschwiegenen an, folgt daraus, dass sie sich der Gefahrenerheblichkeit tatsächlich bewusst war.

Ferner erklärt das OLG Saarbrücken, dass es der Versicherungsnehmerin vorliegend nicht gelungen ist plausibel darzulegen, wie und warum es zum Verschweigen einer depressiven Vorerkrankung gekommen ist. Vor diesem Hintergrund nahm das OLG Saarbrücken eine arglistige Täuschung an.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken zeigt, dass der Versicherer im Falle einer Arglistanfechtung darlegen muss, dass der Versicherungsnehmer arglistig objektiv falsche Tatsachen behauptete. Die Annahme der Arglist kann im Einzelfall dadurch entkräftet werden, dass der Versicherungsnehmer plausibel darlegt, einen Anlass für die Falschangaben zu haben, um den Versicherer zum Vertragsschluss zu bewegen (siehe auch: Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen in der Berufsunfähigkeitsversicherung muss nicht Arglist sein (BGH)). Ob der Versicherer tatsächlich zur Anfechtung oder zum Rücktritt berechtigt ist, hängt also von den Umständen des Einzelfalls ab. Daher kann es sich durchaus empfehlen, nach einer Anfechtung und/oder einem Rücktritt die Expertise eines im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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Rechtsanwalt für Versicherungsrecht berichtet über Urteil zum Verschweigen einer depressiven Vorerkrankung.

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