Das LG Landau hatte sich mit der Frage zu befassen, welche Folgen sich für den Versicherungsschutz in einer privaten Unfallversicherung durch eine unrichtige Schadensfallmeldung des Versicherungsnehmers ergeben können. Konkret hatte der Versicherungsnehmer in der Schadensmeldung die Frage nach Krankheiten und Gebrechen des Versicherers falsch beantwortet (LG Landau, Urt. v. 15.02.2024 – 4 O 13/23).
In dem Fall vor dem Landgericht Landau begehrte der Versicherungsnehmer Leistungen aus einer Unfallversicherung. In den Unfallversicherungsbedingungen ist unter anderem bestimmt, dass der Versicherer ausschließlich für Unfallfolgen leistet. Dies sind Gesundheitsschädigungen und ihre Folgen, die durch das Unfallereignis verursacht wurden. Der Versicherer leistet hingegen nicht für Krankheiten und Gebrechen. Treffen Unfallfolgen mit Krankheiten oder Gebrechen zusammen, mindert sich bei den Leistungsarten Invaliditätsleistung und Unfallrente der Prozentsatz des Invaliditätsgrads.
Der Versicherungsnehmer erlitt einen Fahrradunfall und zog sich dabei eine Rippenprellung zu. Er zeigte den Unfall unter Vorlage des von ihm unterzeichneten Unfallberichts beim Versicherer an. Im Unfallbericht wurde angegeben, dass der Versicherungsnehmer Verletzungen an Schulter, Rippen und Knie erlitten hatte. Die Frage nach dem Bestehen von Krankheiten und Gebrechen unabhängig von den Unfallfolgen wurde mit „nein“ beantwortet. Allerdings wurde in dem Arztbericht neben der Diagnose der Rippenprellung angemerkt, dass sich infolge des Unfalls vorbestehende Schulterbeschwerden des Versicherungsnehmers verschlechtert hätten.
Der Versicherer erbrachte zunächst Leistungen. Diese stellte er jedoch wieder ein, da sich einer ärztlichen Bescheinigung entnehmen ließ, dass eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Versicherungsnehmers aufgrund der Rippenprellung nicht mehr gegeben sei.
Der Versicherungsnehmer ist jedoch der Auffassung weiterhin arbeitsunfähig zu sein und begehrte vor dem LG Landau daher die Verurteilung des Versicherers zu weiteren Leistungen aus der Unfallversicherung. Der Versicherer hingegen beantragte Klageabweisung, da die Schulterbeschwerden des Versicherungsnehmers nicht auf den Unfall zurückzuführen seien. Unfallbedingt arbeitsunfähig sei der Versicherungsnehmer lediglich aufgrund der erlittenen Rippenverletzung gewesen.
Der Versicherer stützte sich zudem auf eine arglistige Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers, die zu einer Leistungsbefreiung führe. Der Versicherungsnehmer habe eine unrichtige Schadensfallmeldung vorgenommen, indem er die Frage nach Vorerkrankungen bei der Anzeige des Versicherungsfalles wahrheitswidrig verneint habe. Der Versicherungsnehmer wendet hiergegen ein, dass nicht verlangt werden könne, dass im Unfallbericht alle durchgemachten Krankheiten und Gebrechen angegeben werden. Er habe die Frage dahingehend verstanden, dass nach zuvor erfolgten Unfallverletzungen und nicht nach allgemeinen Erkrankungen und Gebrechen gefragt werde.
Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow unterstützt Versicherte bundesweit bei der Geltendmachung von Leistungen aus Ihrer Unfallversicherung. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.
Das LG Landau entschied, dass eine unrichtige Schadensfallmeldung und damit eine arglistige Obliegenheitsverletzung vorliegt. Der Versicherungsnehmer hat die Frage nach Krankheiten und Gebrechen objektiv wahrheitswidrig mit „nein“ beantwortet, obwohl er zum Unfallzeitpunkt bereits an Schulterschmerzen litt.
Zulässig sind nur sachdienliche Fragen und Auflagen, die dem Zweck der Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit dienen, um dem Versicherer die sachgerechte Prüfung seiner Leistungspflicht zu ermöglichen. Dabei kommt es nicht auf die Einschätzung des Versicherungsnehmers, sondern auf jene des Versicherers an.
Die Auskunftspflicht erstreckt sich danach auf jeden Umstand, der zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein kann. Der erfragte Umstand muss also mittelbar oder unmittelbar für Grund oder Umfang der Leistung des Versicherers bedeutsam sein können. Dazu kann auch die Angabe solcher mit dem Schadensereignis zusammenhängender Tatsachen gehören, aus denen sich die Leistungsfreiheit des Versicherers ergibt. Der Versicherungsnehmer muss also an der Aufklärung des Sachverhalts auch insoweit mitwirken, als es um Umstände geht, die zum Verlust des Versicherungsschutzes führen können. Dem Versicherer ist hierbei ein erheblicher Beurteilungsspielraum zuzubilligen, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können.
Die streitgegenständliche Frage war vorliegend entscheidungsrelevant für den Versicherer. Dieser kann nur bei Kenntnis der vorbestehenden Krankheiten und Gebrechen prüfen, ob diese an einer unfallbedingten Gesundheitsschädigung oder deren Folge mitgewirkt haben. Der Versicherungsnehmer hätte seine Schulterbeschwerden demnach angeben müssen, nachdem der Leistungsanspruch gerade auf eine Schulterverletzung gestützt wurde.
Das LG Landau ging auch davon aus, dass die unrichtige Schadensfallmeldung auch arglistig erfolgte. Arglist liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Das ist der Fall, wenn er vorsätzlich eine Obliegenheit verletzt und dabei bewusst gegen die Interessen des Versicherers verstößt, weil er damit rechnet, dass mit seiner Obliegenheitsverletzung Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder die Leistungspflicht des Versicherers oder deren Umfang hat oder haben kann.
Die Beweislast für vorsätzliches beziehungsweise arglistiges Verhalten trägt der Versicherer. Der Beweis arglistigen Handelns ist dem Versicherer hier gelungen, so das LG Landau. Der Versicherungsnehmer wusste im Unfallzeitpunkt von den akuten Schulterbeschwerden. Vor diesem Hintergrund hat der Versicherungsnehmer im Vorliegenden eine arglistige Obliegenheitsverletzung begangen, was den Verlust des Versicherungsschutzes zur Folge hat.
Die Entscheidung des LG Landau zeigt, dass eine unrichtige Schadensfallmeldung den Verlust des Versicherungsschutzes zur Folge haben kann. Allerdings kann nicht in jeder Falschbeantwortung der Fragen des Versicherers immer ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers gesehen werden (siehe auch Verschwiegener Arztbesuch ist nicht immer Arglist (OLG Saarbrücken)). Daher kann es durchaus sinnvoll sein, sich nach einer Leistungsablehnung des Versicherers an einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu wenden und diesen mit der genauen Prüfung des Einzelfalles zu beauftragen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.
Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:
Mit unserer Kompetenz streiten wir ehrgeizig für Ihr Ziel, nämlich Ihre Interessen durchzusetzen! Wir freuen uns, dass unsere Mandanten-/-innen unser Engagement schätzen und positiv bewerten.
Verpassen Sie auch zukünftig keinen Beitrag unserer Kanzlei. Über unseren 2mal monatlich erscheinenden Newsletter erhalten Sie stets die aktuellen Beiträge unserer Kanzlei zu den Themen Versicherungsrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Vertriebsrecht, Handelsvertreterrecht und Wettbewerbsrecht. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung.