Das OLG Düsseldorf hatte über die Anfechtung einer privaten Krankenversicherung (PKV) wegen Arglist eines Versicherungsmaklers durch Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen zu entscheiden (Urt. v. 10.03.2017 – 4 U 191/15).
Der Versicherungsnehmer, der als selbstständiger Handwerker tätig war, unterhielt eine private Krankenversicherung. Er litt unter anderem an Herzproblemen. Zudem wurden bei ihm Bluthochdruck, Diabetes sowie Leber- und Stoffwechselprobleme diagnostiziert. Aufgrund der Diagnosen kontaktierte der Versicherungsnehmer einen als Versicherungsmakler tätigen Bekannten. Dieser sollte ihm einen günstigeren Krankenversicherungsschutz vermitteln.
Der Versicherungsmakler stellte einen vom Versicherungsnehmer unterschriebenen Versicherungsantrag beim Versicherer. In diesem Antrag waren sämtliche Gesundheitsfragen, bis auf die Frage nach einer Fehlsichtigkeit, verneint. Der Versicherer nahm den Antrag an. Daraufhin kündigte der Versicherungsmakler den vorherigen Versicherungsvertrag des Versicherungsnehmers. Der Versicherer erklärte später die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den Rücktritt vom Krankenversicherungsvertrag.
Der Versicherungsnehmer behauptet, er habe dem Versicherungsmakler von seinen Gesundheitsproblemen berichtet. Den vom Versicherungsmakler ausgefüllten Antrag habe er ohne weiteres Lesen unterschrieben. Die unzutreffenden Gesundheitsangaben im Antrag habe er nicht bemerkt. Sie seien ihm erst im Nachhinein aufgefallen. Zudem vertrat er die Ansicht, dass er sich das Verhalten des Versicherungsmaklers nicht zurechnen lassen müsse. Dieser erhielt für die erfolgreiche Vermittlung eine Provision und stehe daher vielmehr im Lager des Versicherers.
Der Versicherer hingegen vertrat die Auffassung, der Versicherungsnehmer und der Versicherungsmakler hätten gemeinsam gehandelt. Sie hätten gewusst, dass der Versicherer einen Antrag aufgrund der Vorerkrankungen des Versicherungsnehmers nicht angenommen hätte. Zudem könne die Arglist eines Versicherungsmaklers dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden. Der Versicherungsmakler sei für den Versicherungsnehmer, nicht für den Versicherer tätig geworden.
Das Landgericht Wuppertal wies die Klage des Versicherungsnehmers ab (Az.: 5 O 72/15). Der Versicherer habe den Versicherungsvertrag aufgrund der Falschangaben im Versicherungsantrag wirksam angefochten. Das Handeln des Versicherungsmaklers sei dem Versicherungsnehmer zuzurechnen. Der Versicherungsnehmer ging hiergegen in Berufung und begehrte nun vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf festzustellen, dass der Versicherungsvertrag weder durch Rücktritt noch durch Anfechtung erloschen ist.
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Das OLG Düsseldorf entschied, dass der Versicherer den Krankenversicherungsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat. Versicherungsnehmer müssen sich die Arglist eines Versicherungsmaklers zurechnen lassen, wenn dieser in ihrem Pflichtenkreis tätig wird.
Der Versicherer wurde vorliegend über gefahrenerhebliche Umstände getäuscht. Der Versicherungsantrag enthält grob falsche Angaben, da Gesundheitsfragen unzutreffend mit „nein“ beantwortet wurden. Das OLG Düsseldorf erklärte, dass es unerheblich sei, ob die Falschangaben auf unzutreffende Angaben des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherungsmakler oder auf einen Entschluss des Versicherungsmaklers zurückzuführen sind. Das Handeln des Versicherungsmakler ist hier dem Versicherungsnehmer zuzurechnen.
Der Versicherungsmakler steht vorliegend nicht im Lager des Versicherers. Dies würde voraussetzen, dass der Versicherungsmakler für den Versicherer tätig geworden ist. Daran fehlt es, wenn der Vermittler, wie hier, dem Versicherer als rechtsgeschäftlicher Vertreter des Versicherungsinteressenten gegenübertritt.
Übernimmt ein Vermittler mit Wissen und Wollen einer Vertragspartei Aufgaben, die typischerweise ihr obliegen, steht der Vermittler in ihrem Lager. Er wird in ihrem Pflichtenkreis tätig und ist als ihre Hilfsperson zu betrachten. Dies gilt unabhängig von einer etwaigen Selbständigkeit und einer Tätigkeit auch für den Vertragspartner. Der Versicherungsmakler ist als Sachverwalter für den Versicherungsnehmer tätig (siehe hierzu Sachwalterurteil). Dabei obliegen dem Versicherungsmakler umfangreiche Hinweis- und Beratungspflichten gegenüber seinem Kunden. Er steht damit im Lager des Versicherungsnehmers. Anzeigepflichtverletzungen des Versicherungsmaklers muss sich der Versicherungsnehmer demnach zurechnen lassen.
Der Versicherungsmakler nahm vorliegend ausschließlich die Interessen des Versicherungsnehmers wahr. Er suchte nach auf die Bedürfnisse und Wünsche des Versicherungsnehmers abgestimmte Angebote. Er bereitete den Versicherungsantrag vor und gab sie zur Unterschrift dem Versicherungsnehmer. Damit wurde er in der Sphäre des Versicherungsnehmers tätig.
Unerheblich ist hier, dass der Versicherungsmakler eine Provision des Versicherers erhalten hat. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Vermittlers an Vertragsabschlüssen mit einem bestimmten Versicherer genügt nicht um anzunehmen, dass der Vermittler vom Versicherer mit dem Abschluss von Verträgen betraut sein muss. Somit lagen hier keine besonderen Umstände vor, die eine Zurechnung des Wissens des Maklers zum Versicherer und nicht zum Versicherungsnehmer rechtfertigen können.
Die Beweislast für arglistig falsche Angaben trägt der Versicherer. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein genügen nicht, um den Schluss auf eine arglistige Täuschung zu rechtfertigen (siehe auch Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen in der Berufsunfähigkeitsversicherung muss nicht Arglist sein (BGH)). Die Annahme der Arglist setzt vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (siehe auch Anfechtung der PKV wegen Nichtangabe von Arztbesuchen (OLG Hamm)). Es lag hier auf der Hand, dass die gesundheitlichen Probleme des Versicherungsnehmers von erheblicher Bedeutung für die Risikoprüfung des Versicherers sind, so das OLG Düsseldorf. Die Falschangaben über den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers sollten die Entscheidung des Versicherers über eine Antragsannahme beeinflussen. Vor diesem Hintergrund konnte der Versicherer den Vertrag wirksam anfechten. Damit ist dieser als von Anfang an nichtig anzusehen.
Der Fall vor dem OLG Düsseldorf zeigt, dass sich ein Versicherungsnehmer die Arglist eines Versicherungsmaklers gegebenenfalls zurechnen lassen muss. Die Beantwortung von Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag sollte also nicht leichtfertig vorgenommen werden (siehe auch: Auslegung von Antragsfragen des Versicherers). Gleichwohl ist nicht jede Falschbeantwortung einer Gesundheitsfrage als Arglist einzustufen. Versicherer sind daher nicht in jedem Fall zur Anfechtung oder zum Rücktritt berechtigt. Es kann somit durchaus empfehlenswert sein, nach einer Anfechtung und/oder einem Rücktritt des Versicherers die Expertise eines im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.
Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:
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