Das Oberlandesgericht Karlsruhe befasste sich in seinem Beschluss vom 15.02.2006 mit der Frage, wann von einer Falschberatung bei Abschluss einer Lebensversicherung durch den Versicherungsmakler ausgegangen werden kann (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 15.02.2006 – Az.: 15 W 59/05).
Die Mutter des Versicherten schloss im Jahr 1999 drei Lebensversicherungsverträge ab, in denen der Sohn als Versicherter eingesetzt wurde. Die Lebensversicherungsverträge sollten als finanzielle Absicherung besonders für die Ausbildung des Versicherten für die Zukunft dienen. Es handelte sich um fondsgebundene Lebensversicherungen. Die Mutter des Versicherten wurde dabei von ihrer Versicherungsmaklerin beraten.
Im Jahr 2002 verstarb die Mutter des Versicherten. Der Versicherte verlangte von der Versicherungsmaklerin sodann Schadensersatz in Höhe von 104.450,00 Euro aufgrund einer Falschberatung bei Abschluss einer Lebensversicherung. Er gab an, seine Mutter habe bei Abschluss der Lebensversicherung nicht nur eine Absicherung durch einen Ansparvorgang erstrebt. Es sei ihr auch um eine Absicherung ihres Sohnes im Falle ihres Todes gegangen. Die Versicherungsmaklerin hätte daher dafür Sorge tragen müssen, dass die Mutter als versicherte Person eingetragen worden wäre. Dann wären dem Sohn im Falle des Todes seiner Mutter entsprechende Leistungen zugeflossen.
Der Versicherte erhob Klage mit gleichzeitigem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor dem Landgericht Heidelberg (LG Heidelberg, Beschluss v. 05.07.2005 – Az.: 3 O 209/05). Das Landgericht Heidelberg wies den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurück, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Der Versicherte verfolgte sein Anliegen mit einer Beschwerde gegen den Beschluss vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe weiter.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte den Beschluss des Landgerichts Heidelberg und wies die Beschwerde des Versicherten zurück.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe stellte zunächst fest, dass zwischen der Mutter des Versicherten und der Versicherungsmaklerin ein wirksamer Maklervertrag zu Stande gekommen sei. Daher habe die Versicherungsmaklerin gegenüber der Mutter des Versicherten umfangreiche Pflichten zu erfüllen, da sie treuhänderische Sachverwalterin des Auftraggebers ist und als seine Interessenvertreterin handele. Es sei aber keine hinreichende Wahrscheinlichkeit ersichtlich, dass im Hauptverfahren eine schadensursächliche Pflichtverletzung der Versicherungsmaklerin festgestellt werden lasse.
Zunächst sei ein Versicherungsmakler grundsätzlich dazu verpflichtet, den objektiv notwendigen Versicherungsbedarf seines Kunden zu ermitteln. Im Zuge dessen dürfe er seinem Kunden nur objektiv notwendige und sinnvolle Versicherungsverträge vorschlagen. Dagegen habe die Versicherungsmaklerin nicht verstoßen. Objektiv seien die unterhaltenen Lebensversicherungsverträge ein sinnvolles Sparprogramm und dazu geeignet, eine finanzielle Vorsorge für den Versicherten zu bilden. Auch die Aufnahme des Sohnes als versicherte Person sei sinnvoll gewesen, da die Risikozuschläge im Vergleich zu einem Erwachsenen als versicherte Person geringer seien. So sei der Spareffekt der Lebensversicherung gesteigert worden.
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Eine Falschberatung bei Abschluss einer Lebensversicherung ergebe sich auch nicht aus einer objektiven Notwendigkeit zur Absicherung des Todesfallrisikos der Mutter, auf die die Versicherungsmaklerin hätte hinweisen müssen. Grundsätzlich sei die Absicherung des Todesfallrisikos im Privatkundengeschäft eine subjektive Frage. Beim Abschluss einer Lebensversicherung, die besonders der späteren Ausbildung des Kindes zugutekommen soll, sei eine Notwendigkeit der Absicherung des Todesfallrisikos nicht gegeben. Die Versicherungsnehmerin sei daher auch nicht dazu verpflichtet gewesen, die Mutter des Versicherten auf eine zusätzliche Absicherung des Todesfallrisikos hinzuweisen. Eine Falschberatung bei Abschluss einer Lebensversicherung aufgrund objektiver Gesichtspunkte liege aus diesem Grund nicht vor.
Eine Falschberatung bei Abschluss einer Lebensversicherung könne sich aber auch aus den subjektiven Bedürfnissen der Mutter ergeben. Die Versicherungsmaklerin sei als treuhänderische Sachverwalterin des Auftraggebers verpflichtet, auf dessen persönlichen Absicherungsbedürfnisse einzugehen. Auch diesbezüglich könne aber keine Pflichtverletzung festgestellt werden. Schon aus objektiver Sicht sei der Abschluss der Verträge mit dem Sohn als versicherte Person auch im Angesicht der Absicherung im Todesfall der Mutter sinnvoll gewesen. Der Sparerfolg sei durch den Sohn als versicherte Person deutlich höher gewesen.
Ein so baldiger Tod der Mutter sei bei Vertragsabschluss auch äußerst unwahrscheinlich gewesen, da sie zum damaligen Zeitpunkt erst 37 Jahre alt gewesen sei. Zudem sei festzustellen, dass die Mutter zwei weitere Lebensversicherungen mit ihr als versicherte Person abgeschlossen hatte. Es bestand demnach schon ein gewisser Schutz für das Todesfallrisiko der Mutter. Die Mutter des Versicherten habe sich daher aufgrund der Beratung der Versicherungsmaklerin dazu entschieden, mit den drei anderen Lebensversicherungen einen höheren Sparerfolg zu erreichen, der dem Sohn dann zu Beginn seiner Ausbildung zugutekomme.
Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Mutter nicht wusste, was unter dem Begriff des „Versicherten“ zu verstehen sei, da sie als Innendienstmitarbeiterin der Versicherungsmaklerin tätig war. Daher könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Mutter des Versicherten geglaubt habe, ihr Todesfall sei mit den Lebensversicherungen abgedeckt.
Eine Falschberatung bei Abschluss einer Lebensversicherung könne daher nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei demnach zu Recht vom Landgericht Heidelberg zurückgewiesen worden.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe zeigt, dass eine Falschberatung bei Abschluss einer Lebensversicherung sich sowohl nach subjektiven als auch nach objektiven Elementen bestimmt. Auch wenn das OLG Karlsruhe in dem vorliegenden Fall eine Falschberatung bei Abschluss einer Lebensversicherung abgelehnt hat, so geht die Haftung des Versicherungsmaklers oftmals sehr weit. In vielen Fällen können Versicherte daher durchaus verlangen, so gestellt zu werden, wie sie bei ordnungsgemäßer Beratung gestanden hätten (siehe auch: Quasideckung: So ermittelt der BGH den Schaden des Versicherten bei einer Falschberatung des Versicherungsvermittlers). Besteht der Verdacht einer Falschberatung durch den Versicherungsmakler, kann die Beratung durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt durchaus hilfreich sein. Gerne berät Sie dabei auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow. Weitere Artikel unter: Haftung und Beweislast für Beratungsfehler bei Vermittlung einer Versicherung
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