Der BGH hatte über den Rücktritt trotz Verletzung der Hinweispflichten im Falle einer privaten Krankenversicherung zu entscheiden (Urt. v. 12.03.2014 – IV ZR 306/13).
Der Versicherungsnehmer schloss eine privaten Krankenversicherung ab. Im Antragsformular des Versicherers beantwortete der Versicherungsnehmer die Frage nach Krankheiten und Beschwerden in den letzten drei Jahren mit „nein“. Auch die Frage nach psychotherapeutischen Behandlungen verneinte er.
Der Versicherer erklärte einige Monate später die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Der Versicherer behauptete, der Versicherungsnehmer habe verschiedene Erkrankungen verschwiegen, deretwegen er in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Darunter Hypercholesterinämie, Myalgie, Lumbago, Rheuma sowie Beschwerden im Halswirbelsäulenbereich und eine depressive Episode.
Der Versicherungsnehmer begehrte zunächst vor dem Landgericht Bonn sowie vor dem Oberlandesgericht Köln die Feststellung des Fortbestehens seines Versicherungsvertrages. Dieser sei weder durch Rücktritt noch durch Anfechtung wirksam beendet worden. Der Versicherer argumentierte, der Versicherer habe seine Hinweispflicht verletzt, sodass kein Rücktritts- oder Anfechtungsrecht bestünde.
Das OLG Köln entschied, dass der Versicherer wirksam vom Versicherungsvertrag zurückgetreten sei. Allerdings sei der Vertrag nicht infolge der Anfechtung nichtig geworden, da der Versicherer die Anfechtungsfrist nicht gewahrt habe. Den wirksamen Rücktritt des Versicherers begründete das OLG Köln jedoch mit einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Er habe verschiedene gefahrerhebliche Erkrankungen verschwiegen, wegen denen er in ärztlicher Behandlung war. Diese wären für die Risikoprüfung des Versicherers relevant gewesen. Ferner kann sich der arglistig handelnde Versicherungsnehmer nicht auf die Verletzung der Hinweispflicht des Versicherers berufen. Es bestehe in solchen Fällen also ein Recht des Versicherers zum Rücktritt trotz Verletzung der Hinweispflichten.
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Der BGH schloss sich der Entscheidung des OLG Köln an und erklärte, dass der Versicherer vom Vertrag zurücktreten kann, wenn der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht verletzt hat. Der Versicherer müsste den Versicherungsnehmer zwar vorher über die aus einer Verletzung der Anzeigepflicht resultierende Rücktrittmöglichkeit belehren. Eine fehlende Belehrung ist jedoch unschädlich, sofern der Versicherungsnehmer arglistig handelt.
Die zuvor umstrittene Frage nach der Hinweispflicht des Versicherers bei Arglist des Versicherungsnehmers beantwortete der BGH damit soweit, dass es in diesem Fall auf die Erfüllung der Hinweispflicht nicht ankommt (zu den Hinweispflichten siehe auch Zur Doppelbelehrung im Versicherungsantrag der Berufsunfähigkeitsversicherung (OLG Saarbrücken)). Zur Begründung führt der BGH systematische Erwägungen an. Die Belehrungspflicht des Versicherers bezieht sich lediglich auf den Rücktritt, die Kündigung sowie die Vertragsanpassung. Im Falle der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung sieht das Gesetz keine derartige Belehrung vor. Indessen kann es für die Belehrungspflicht keinen Unterschied machen, ob der Versicherer im Falle des Vorliegens einer arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer anficht oder vom Vertrag zurücktritt. Dies kann etwa von Fragen der Rechtzeitigkeit der Anfechtungserklärung oder des Rücktritts abhängen, ohne dass ersichtlich ist, warum sich dies auf die Frage der Belehrungspflicht auswirken sollte.
Zudem dienen die Belehrungspflichten dem Schutz des Versicherungsnehmers. Der arglistig handelnde Versicherungsnehmer ist jedoch nicht gleichermaßen schutzbedürftig. Die vom Gesetzgeber bezweckte Information über die Folgen eines Verstoßes gegen die Anzeigepflicht verfehlt für den arglistig handelnden Versicherungsnehmer ihr Ziel. Dieser weiß, dass er vertragswidrig Falschangaben macht, um den Versicherer zum Abschluss eines Vertrages zu veranlassen, den er bei wahrheitsgemäßer Unterrichtung in dieser Form nicht geschlossen hätte. Somit besteht ein Recht des Versicherers zum Rücktritt trotz Verletzung der Hinweispflichten.
Der Fall vor dem BGH zeigt, dass ein Rücktritt trotz Verletzung der Hinweispflichten möglich ist. Gerade im Bereich der privaten Krankenversicherung kann dies schwerwiegende Folgen für Versicherungsnehmer haben, da Versicherungsnehmer gerade im Bereich der privaten Krankenversicherung essentielle auf den Versicherungsschutz angewiesen sind. Versicherungsnehmer sollten die Beantwortung der Gesundheitsfragen also nicht leichtfertig vornehmen. Gleichwohl ist in der Rechtsprechung durchaus anerkannt, dass nicht jede Falschbeantwortung einer Gesundheitsfrage arglistig ist und den Versicherer zur Anfechtung oder Rücktritt vom Versicherungsvertrag berechtigt (siehe auch Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen in der Berufsunfähigkeitsversicherung muss keine Arglist sein (BGH)). Daher kann es sich durchaus empfehlen, nach einer Anfechtung und/oder Rücktritt des Versicherers die Expertise eines im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.
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