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Spontane Anzeigeobliegenheit bei Multipler-Sklerose (MS) in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Trifft den Versicherungsnehmer eine spontane Anzeigeobliegenheit bei einer MS-Erkrankung (Multipler-Sklerose)? Beim Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung müssen Versicherungsnehmer neben allgemeinen Angaben auch solche zu ihrem Gesundheitszustand tätigen. Besonders bei diesen Angaben können Unklarheiten entstehen, ob auch solche Angaben zum Gesundheitszustand gehören, nach denen nicht gefragt wird. Kann in einem solchen Fall eine spontane Anzeigeobliegenheit des Versicherungsnehmers bestehen? Der nachfolgende Artikel soll am Beispiel einer MS-Erkrankung die Problematik der spontanen Anzeigeobliegenheit verdeutlichen.

Was ist eine spontane Anzeigeobliegenheit?

Bei Stellung eines Antrags auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung müssen Versicherungsnehmer zunächst solche Fragen wahrheitsgemäß und vollständig beantworten, die vom Versicherer gestellt werden. Es stellt sich die Frage, ob auch darüber hinaus für bestimmte Erkrankungen eine spontane Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers besteht, obwohl keine Abfragung dieser erfolgte (siehe auch: Spontane Anzeigeobliegenheit bei Ausfüllen des Antragsformulars?).

Nach § 19 VVG scheint es zunächst so, als treffe den Versicherungsnehmer nur eine Pflicht zur Beantwortung solcher Fragen, die auch vom Versicherer gestellt wurden. Grundsätzlich ist aber unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben anerkannt, dass ein Versicherungsnehmer Erklärungen, die die Leistungspflicht des Versicherers betreffen, in der Regel nicht unaufgefordert abgeben muss. Der Versicherte kann vielmehr abwarten, bis der Versicherer diese Informationen erfragt.

Leider kann dies in der Praxis nicht pauschal angenommen werden. In bestimmten Ausnahmefällen kann den Versicherungsnehmer auch bei fehlender Fragestellung durch den Versicherer eine sogenannte spontane Anzeigeobliegenheit treffen. Diesbezügliche Gerichtsentscheidungen sind nachfolgend zu finden: Urteile zur spontanen Anzeigeobliegenheit

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Spontane Anzeigeobliegenheit bei Multipler-Sklerose?

Besteht eine solche Ausnahme vom Grundsatz des § 19 VVG in Form einer spontanen Anzeigeobliegenheit auch bei einer MS-Erkrankung (Multipler-Sklerose)? Dazu entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Urteil vom 20.04.2018 – Az.: 12 U 156/16 (Urteilsbesprechung siehe Gilt bei MS-Erkrankung in der Berufsunfähigkeitsversicherung eine spontane Anzeigeobliegenheit? (OLG Karlsruhe)). Der Versicherungsnehmer hatte in Kenntnis seiner MS-Erkrankung eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen und machte später Leistungen aus dieser geltend. Aufgrund arglistiger Täuschung lehnte der Versicherer die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente ab und erklärte die Anfechtung. Das OLG verneinte eine arglistige Täuschung in Bezug auf eine spontane Anzeigeobliegenheit bei einer MS-Erkrankung, und zwar aufgrund der im Versicherungsantrag verkürzten Gesundheitsfragen bzw. nachfolgenden Angaben:

„Ich erkläre, dass bei mir bis zum heutigen Tage weder ein Tumorleiden (Krebs), eine HIV-Infektion (positiver AIDS-Test), noch eine psychische Erkrankung oder ein Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) diagnostiziert oder behandelt wurden. Ich bin nicht pflegebedürftig. Ich bin fähig, in vollem Umfange meiner Berufstätigkeit nachzugehen.

Nach einer MS-Erkrankung wurdes seitens des Versicherers nicht gefragt. Der „Fragenkatalog“ des Versicherers sei für den Antragsteller als abschließend anzusehen. Deshalb brauche der Antragsteller darüberhinausgehende Angaben nicht zu machen.

Ein Anspruch auf Leistung schied in diesem vorliegenden Rechtsstreit dennoch aus, da der Versicherungsnehmer den Versicherer nach Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe arglistig darüber getäuscht hatte, seinem Beruf als Orthopädietechniker „in vollem Umfang“ nachzugehen. Er hatte die vorgedruckte Frage des Versicherers nach der Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe wahrheitswidrig durch ein Ankreuzen bestätigt. Tatsächlich war der Versicherte zum Zeitpunkt des Versicherungsantrags nachweislich nicht in der Lage seiner Berufstätigkeit in vollem Umfange nachzugehen.

Fazit und Hinweis für die Praxis

Ob eine spontane Anzeigeobliegenheit bei einer MS-Erkrankung besteht, muss immer anhand des konkreten Einzelfalls entschieden werden. Besonders in Bezug auf die jeweiligen Gesundheitsfragen des Versicherungsantrags muss geprüft werden, wie diese inhaltlich formuliert sind.

Bei allgemein formulierten Fragen des Versicherers sollte stets geprüft werden, ob die einschlägige Erkrankung möglicherweise doch erfasst wird. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass bei fehlenden Fragen des Versicherers auch keine Anzeigeobliegenheit besteht. Bestehen aber Zweifel und / oder liegen außergewöhnliche Umstände vor, so ist zwingend zu einer anonymen Risikovoranfrage (siehe auch Die Risikovoranfrage in der Berufsunfähigkeitsversicherung) bei verschiedenen Berufsunfähigkeitsversicherungen zu raten, um zu prüfen, wie die Versicherungen jeweilig in Bezug auf die Erkrankung votieren. So dann kann bestenfalls im Vorfeld eine Versicherbarkeit des Antragstellers geprüft werden, bevor es in einem etwaigen Leistungsprüfungsverfahren zu rechtlichen Problemen kommen kann.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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