Der BGH hatte sich mit der Wirksamkeit einer Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu befassen, wonach die Kostenerstattung für Psychotherapie an die Behandlung durch einen niedergelassenen approbierten Arzt geknüpft war (Urt. v. 15.02.2016 – IV ZR 192/04).
Der Versicherungsnehmer unterhält eine private Krankenversicherung. Er suchte wegen Partnerschaftsproblemen eine psychologische Beratungsstelle auf. Durch einen Psychoanalytiker wurde bei ihm eine reaktive Depression bei chronischem Partnerkonflikt mit narzisstisch-depressiver Persönlichkeitsstruktur festgestellt. Daraufhin unterzog sich der Versicherungsnehmer einer analytischen Psychotherapie mit zunächst 80 Sitzungen. Anschließend verlangte er vom Versicherer eine Kostenerstattung für Psychotherapie.
Der Versicherer lehnte den Antrag des Versicherungsnehmers ab. Er führte zur Begründung an, dass die Behandlung bei einem niedergelassenen approbierten Arzt, nicht aber bei einem Psychologischen Psychotherapeuten hätte durchgeführt werden müssen. Hierzu verwies er auf die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen. Dort heißt es: „Der Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf die Psychotherapie, soweit sie medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit ist und von einem niedergelassenen approbierten Arzt oder in einem Krankenhaus durchgeführt wird.”
Der Versicherungsnehmer argumentierte, er habe keinen ärztlichen Psychotherapeuten für eine analytische Psychotherapie finden können. Zudem sei die Klausel, nach der sich eine Erstattung auf die Behandlung durch approbierte Ärzte beschränke, unwirksam. Sie schränke das Wahlrecht des Versicherungsnehmers ein. Zudem seien die wenigen ärztlichen Psychotherapeuten nicht in der Lage, den Bedarf der Bevölkerung für eine angemessene psychotherapeutische Versorgung abzudecken. Dem Versicherer entstünden durch eine Kostenerstattung auch keine Nachteile, da die Gebührenordnung für psychologische Psychotherapeuten auf die Gebührenordnung für Ärzte verweise.
Der Versicherer hingegen beruft sich auf die Wirksamkeit der Klausel. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Versicherungsnehmer nicht in der Lage war, in absehbarer Zeit einen Therapieplatz bei einem psychoanalytisch tätigen Arzt zu bekommen.
Hiergegen wendete sich der Versicherungsnehmer zunächst vor dem Landgericht Lüneburg (Az.: 8 O 164/03) und dem Oberlandesgericht Celle (Az.: 8 U 169/03). In den Vorinstanzen blieb der Versicherungsnehmer jedoch erfolglos.
Der BGH entschied, dass die Begrenzung der Kostenerstattung für Psychotherapie auf die Behandlung durch einen approbierten Arzt zulässig ist. Die Klausel kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Versicherungsschutz auch Behandlungen durch einen Psychologischen Psychotherapeuten umfasst. Vielmehr besteht ein berechtigtes Interesse des Versicherers die Erstattung für Psychotherapie auf Behandlungen durch niedergelassene Ärzte zu beschränken.
Nach der Auffassung des Versicherungsnehmers stellt die streitige Klausel eine unangemessene Benachteiligung dar. Sie sei mit der Gleichstellung der Psychologischen Psychotherapeuten mit ärztlichen Psychotherapeuten nicht vereinbar.
Zwar liegt dem Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten (PsychThG) eine solche Gleichstellung zugrunde. Jedoch bezieht sich dieses auf die gesetzliche Krankenversicherung. Es befasst sich weder mittelbar noch unmittelbar mit der privaten Krankenversicherung, sodass sich ein derartiges Leitbild der Regelungen für die gesetzliche Krankenversicherung nicht auch auf die private Krankenversicherung bezieht.
Der BGH erklärte, dass der Versicherungsnehmer, der eine private Krankenversicherung abschließt, nicht erwarten kann, dass er damit so versichert ist, als wäre er Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse. Dies lässt sich durch die Strukturunterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung erklären. Vielmehr haftet der Versicherer in der privaten Krankenversicherung nur „im vereinbarten Umfang” für Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlungen wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonst vereinbarte Leistungen (siehe hierzu BGH: Was ist eine Krankheit im Sinne der PKV?). Eine Gleichstellung von ärztlichen und Psychologischen Psychotherapeuten kann somit in der privaten Krankenversicherung nicht verlangt werden.
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Der BGH erklärte, dass die Beschränkung auch keine den Vertragszweck gefährdende Einschränkung der Rechte des Versicherungsnehmers darstellt.
Nicht jede Leistungsbegrenzung bedeutet für sich genommen schon eine Gefährdung des Vertragszwecks. Eine solche kommt vielmehr erst in Betracht, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht. Es ist für einen Versicherungsnehmer, der die Kostentragung des Versicherers begehrt nicht unzumutbar, sich für eine medizinisch notwendige Psychotherapie bei einem Arzt in Behandlung zu begeben. Der Versicherungsnehmer konnte hier nicht überzeugend darlegen, dass nicht ausreichend ärztliche Psychotherapeuten zur Verfügung standen. Es fehlte vorliegend an einer hinreichenden Tatsachenbehauptung des Versicherungsnehmers, dass es in zumutbarer Entfernung keinen ärztlichen Psychotherapeuten gegeben habe, bei dem er sich in angemessener Zeit hätte behandeln lassen können.
Im Übrigen erklärte der BGH, dass es der Wirksamkeit der streitigen Klausel nicht entgegenstehen würde, wenn sich der Versicherer nach Treu und Glauben ausnahmsweise nicht darauf berufen dürfte, weil es im Einzelfall keine zumutbare Möglichkeit gab, einen ärztlichen Psychotherapeuten oder ein Krankenhaus aufzusuchen.
Der BGH entschied, dass der Versicherer ein berechtigtes Interesse daran hat, die Kostenerstattung für Psychotherapien auf Behandlungen durch niedergelassene approbierte Ärzte oder im Krankenhaus zu beschränken. Dies ergibt sich schon daraus, dass diese selbst oder in enger Zusammenarbeit mit Ärzten im Krankenhaus auch zur Beurteilung körperlicher Leiden ihrer Patienten und deren Wechselwirkungen mit den seelischen Beschwerden in der Lage sind. Das kann dazu beitragen, eine Fehlbehandlung überwiegend körperlich bedingter Leiden durch eine Psychotherapie zu vermeiden beziehungsweise sie durch Maßnahmen auf dem Gebiet der somatischen Medizin wirkungsvoll und damit abkürzend zu ergänzen.
Bei der Versorgung von Privatpatienten ist ein Psychologischer Psychotherapeut nicht zu einer Abklärung einer somatischen Erkrankung verpflichtet. Daher ist die fachlich begründete Ansicht eines Arztes über die Notwendigkeit und Dauer einer Psychotherapie im Allgemeinen eher verlässlich als die eines Psychologischen Psychotherapeuten. Vor diesem Hintergrund besteht ein berechtigtes Interesse des Versicherers an der Beschränkung der Kostenerstattung für Psychotherapie auf approbierte Ärzte.
Die Entscheidung des BGH zeigt, dass Versicherer die Kostenerstattung für Psychotherapie auf von ärztlichen Psychotherapeuten durchgeführte Behandlungen beschränken dürfen. Allerdings öffnet das Urteil des BGH durchaus Raum für eine Argumentation, dass sich der Versicherer im Einzelfall doch nicht auf einen Ausschluss der Kostenerstattung für Psychotherapie durch einen Psychologischen Psychotherapeuten berufen kann. Außerdem kommt es natürlich stets auf die konkret vereinbarte Klausel der Versicherungsbedingungen an. Trotz der Entscheidung des BGH ist daher stets der genaue Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Daher kann es auch weiterhin empfehlenswert sein, sich durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen. Gerne stehen hierfür Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.
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