Kostenerstattung für eine Invisalign-Behandlung (LG Darmstadt)

Das LG Darmstadt hatte über die Frage zu entscheiden, wann eine Kostenerstattung für eine Invisalign-Behandlung verlangt werden kann (Urt. v. 24.09.2020 – 23 O 124/20).

Versicherungsnehmerin begehrt Kostenerstattung für eine Invisalign-Behandlung

Die Versicherungsnehmerin unterhält eine private Krankenversicherung beim Versicherer. Gemäß der allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) leistet der Versicherer für die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherer ist nur zur Leistung verpflichtet, wenn die von ihm geforderten Nachweise erbracht sind.

Die Versicherungsnehmerin litt an einem Kreuzbiss sowie frontalem Engstand. Sie wandte sich mit einem Heil- und Kostenplan einer Zahnklinik in Höhe von rund 7.900 Euro mit der Bitte um Leistungszusage an den Versicherer. Geplant war die Durchführung einer Kieferregulierung mittels Invisalign. Der Versicherer lehnte eine Leistung jedoch ab. Er hielt die Planung für unvollständig. Eine Behandlung mit Invisalign allein reiche nicht aus, um gegen den Kreuzbiss vorzugehen.

Daraufhin übersandte die Versicherungsnehmerin dem Versicherer weitere Unterlagen. Darunter waren auch Unterlagen n zur Anamnese und Diagnose, weitere Informationen zum Befund sowie zwei Röntgenaufnahmen. Zudem erhielt der Versicherer den abgeänderten Heil- und Kostenplan.

Der Versicherer lehnte seine Leistungspflicht jedoch erneut ab. Die geplanten Behandlungsmaßnahmen seien nicht medizinisch notwendig. Weder stehe das zu Grunde liegende Leiden fest, noch sei es im Rahmen der vorgelegten Planung fundiert und nachvollziehbar diagnostisch erfasst. Die geplante Invisalign-Behandlung stelle keine adäquate und geeignete Therapie zur Behandlung und Behebung des Leidens dar.

Die Parteien stritten sodann vor dem Landgericht Darmstadt um die Kostenerstattung für eine Invisalign-Behandlung. Die Versicherungsnehmerin berief sich dabei weiterhin auf die medizinische Notwendigkeit der vorgesehenen Maßnahme.

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Erstattungspflicht des Versicherers

Das LG Darmstadt entschied, dass der Versicherungsnehmerin ein Anspruch auf Kostenerstattung für eine Invisalign-Behandlung zusteht. Die Behandlung war medizinisch notwendig und stellte eine geeignete Methode dar.

Medizinischen Notwendigkeit der Invisalign-Behandlung

Das LG Darmstadt entschied, dass die Invisalign-Behandlung medizinisch notwendig war.

Ob eine Heilbehandlung medizinisch notwendig ist, bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Die hier vorliegende ärztliche Verordnung zur Durchführung der Behandlung begründet damit nicht zwangsläufig ihre medizinische Notwendigkeit. Bei der Bestimmung der medizinischen Notwendigkeit ist ein gewisser Behandlungskorridor eröffnet, der auch mehrere Behandlungsmethoden als medizinisch vertretbar erscheinen lässt. Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung ist im Allgemeinen dann auszugehen, wenn sich eine Behandlungsmethode dazu eignet, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken (siehe hierzu BGH: Erfolgsaussichten einer Behandlung bei unheilbaren Krankheiten).

Der Versicherer berief sich vorliegend auf einen unzureichenden Heil- und Behandlungsplan, aus dem keine medizinische Notwendigkeit der Invisalign-Behandlung hervorging. Hier waren im Behandlungsplan weder eine konkrete Diagnose noch ein Therapieziel enthalten. Hierzu erklärte das LG Darmstadt, dass man die Beschreibung einer Diagnose und eines Therapiezieles im Behandlungsplan durchaus erwarten könne. Dennoch genügt es, dass die Diagnose derjenigen entspricht, die man aufgrund der vorliegenden Behandlungsunterlagen erwarten könne. Insoweit soll die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit nicht von der im ärztlichen Befund genannten Diagnose oder Therapie abhängen. Stattdessen ist ein objektiver Maßstab anzuwenden.

Die dargelegten Therapieziele, darunter die Überstellung des Kreuzgebisses sowie die Auflösung des unteren frontalen Engstandes, würde man üblicherweise, wie hier, in einer Behandlung zusammenfassen. Bei anderen Behandlungsmethoden gebe es gegebenenfalls einen abweichenden Behandlungsplan.

Vertretbarkeit der Behandlungsmethode

Das LG Darmstadt erklärte, dass die streitgegenständliche im Heil- und Kostenplan zugrunde gelegte Invisalign-Behandlung eine vertretbare Behandlungsmethode ist.

Der Versicherer ist eintrittspflichtig, wenn die Eignung der Methode nach medizinischen Erkenntnissen feststeht. Die Kreuzbissüberstellung sei zwar lange Zeit umstritten gewesen. Mittlerweile sei aber gezeigt worden, dass sie funktioniere. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Möglichkeiten der Invisalign-Behandlung zeigen, dass diese den Besonderheiten der bei der Versicherungsnehmerin gestellten Diagnose gerecht wird. Da bei der Versicherungsnehmerin lediglich ein Zahn auslösend für den Kreuzbiss sei, handele es sich im Prinzip nur um einen Zahn, der überstellt werde. In diesem Fall sei die Invisalign-Behandlung erfolgversprechend.

Das LG Darmstadt erklärte, dass die Versicherungsnehmerin, entgegen der Auffassung des Versicherers, sämtliche nach den AVB erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat. Es wäre bloße Förmelei, von der Versicherungsnehmerin eine nochmalige korrigierte Fassung des streitgegenständlichen Heil- und Behandlungsplanes zu verlangen, so das LG Darmstadt.

Fazit

Ob der Versicherungsnehmer im Rahmen der privaten Krankenversicherung einen Anspruch auf Kostenerstattung für eine Invisalign-Behandlung hängt also von der medizinischen Notwendigkeit und damit vom Einzelfall ab.  Daher kann es sich durchaus für Versicherungsnehmer eine Leistungsablehnung des Versicherers durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Gerne stehen dafür Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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