Das OLG Hamm hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der Versicherungsnehmer gegenüber seiner privaten Krankenversicherung die Erstattung von Behandlungskosten nach Suizidversuch verlangen kann (Urt. v. 20.08.2014 – 20 U 47/14).
Die Versicherungsnehmerin beging in einem Hotelzimmer einen Suizidversuch. Sie wurde vom Hotelpersonal aufgefunden und notfallmäßig auf die Intensivstation eines Krankenhauses verbracht. Für die einwöchige stationäre Behandlung der Versicherungsnehmerin fielen Kosten in Höhe von rund 8.300 Euro an.
Die Versicherungsnehmerin begehrte vorliegend die Erstattung dieser Kosten von ihrer privaten Krankenversicherung. Diese lehnte eine Erstattung von Behandlungskosten nach Suizidversuch mit der Begründung ab, dass auf Vorsatz beruhende Krankheiten und Unfälle und deren Folgen nicht versichert sind (vgl. § 201 VVG). Die Versicherungsnehmerin berief sich darauf, dass sie nicht davon ausgegangen sei, den Suizidversuch zu überleben. Der Versicherer argumentierte, dass sich der Vorsatz nur auf den Unfall, nicht auch auf dessen Folgen beziehen müsse. Zudem sei eine Gesundheitsbeschädigung ein vom Vorsatz notwendigerweise erfasstes Durchgangsstadium für einen Suizidversuch.
Das LG Dortmund wies die Klage der Versicherungsnehmerin ab. Es begründetet seine Entscheidung damit, dass es sich bei dem Suizidversuch um einen vorsätzlich herbeigeführten Unfall und bei der anschließenden ärztlichen Behandlung um dessen Folgen handele (Az.: 2 O 309/13). Der Begriff des Unfalls sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Krankenversicherung auszulegen. Unter einem Unfall würde ein von außen kommendes Ereignis verstanden, für das allenfalls noch das Erfordernis der Plötzlichkeit der Einwirkung von außen, nicht aber die Unfreiwilligkeit der Gesundheitsbeschädigung gelten könne. Auf die Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit der herbeigeführten Verletzung komme es nicht an. Der Vorsatz beziehe sich nicht auf die vom Unfall verursachten Folgen.
Hiergegen wendete sich die Berufung der Versicherungsnehmerin. Die Versicherungsnehmerin behauptete, dass der fehlgeschlagene Suizidversuch Folge einer psychischen Erkrankung sei. Diese sei nicht vorsätzlich herbeigeführt worden. Somit könne vom Versicherer weiterhin eine Erstattung von Behandlungskosten nach Suizidversuch verlangen.
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Das OLG Hamm entschied, dass der Versicherungsnehmerin keinen Anspruch auf Erstattung von Behandlungskosten nach Suizidversuch zusteht. Das LG Dortmund nahm zurecht an, dass sich der Versicherer aufgrund der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles auf die Leistungsfreiheit berufen kann.
Bei dem Suizidversuch der Versicherungsnehmerin handelte es sich um einen Unfall im Sinne der PKV. Maßgebend ist hierbei nicht der Unfallbegriff der Unfallversicherung. Es reicht vielmehr aus, dass die Ursache der Gesundheitsstörung ein äußeres Ereignis ist. Die Einbeziehung von Heilbehandlungen als Folge eines Unfalls (vgl. § 192 Abs. 1 VVG) stellt lediglich klar, dass regelwidrige Störungen von Körperfunktionen nicht nur dann Versicherungsschutz genießen, wenn sie als Folge einer Erkrankung aufgetreten sind. Der Versicherungsschutz besteht darüber hinaus aber auch dann, wenn sie durch ein von außen kommendes Ereignis hervorgerufen wurden.
Das OLG Hamm führte weiter aus, dass die Versicherungsnehmerin den Unfall auch vorsätzlich herbeigeführt hat. Hierbei ist unerheblich, ob die Versicherungsnehmerin, wie von ihr vorgetragen, zum Suizid fest entschlossen gewesen ist und daher ihre Behandlungsbedürftigkeit als Folge nicht vorsätzlich herbeigeführt hat. Es entspricht der allgemeinen Auffassung, dass sich der für das Eingreifen des Leistungsausschlusses erforderliche Vorsatz lediglich auf die Krankheit oder den Unfall beziehen muss. Nicht abzustellen ist hingegen auf die Notwendigkeit medizinischer Behandlung oder damit verbundener Kosten.
Selbst wenn man verlangen würde, dass sich der Vorsatz der Versicherungsnehmerin auch auf das Herbeiführen eines behandlungsbedürftigen Zustandes erstrecken müsste, würde dies im Ergebnis jedoch keine abweichende Entscheidung rechtfertigen. Denn das LG Dortmund hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass im Falle eines Suizidversuchs der Verletzungsvorsatz ein notwendiges Durchgangsstadium des Vollendungsvorsatzes ist. Derjenige, der einen Suizidversuch begeht, nimmt eine schwere Gesundheitsbeschädigung als für den Eintritt seines Todes notwendiges Durchgangsstadium zumindest billigend in Kauf.
Die Versicherungsnehmerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Suizidversuch Folge einer bei ihr bestehenden psychischen Erkrankung sei. Eine Zurechnungsunfähigkeit, die den Vorsatzausschluss zur Folge hätte, war vorliegend nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund bestand vorliegend keine Pflicht des Versicherers zur Erstattung von Behandlungskosten nach Suizidversuch.
Die Entscheidung des OLG Hamm verdeutlicht die praktische Relevanz der Erstattung von Behandlungskosten nach Suizidversuch. Dabei ist aber stets auch zu klären, ob überhaupt ein Suizidversuch vorgelegen hat. Dies kann in der privaten Krankenversicherung ebenso wie in der Unfall- und Lebensversicherung durchaus streitig sein (siehe auch: Zahlt die Lebensversicherung nach einem Suizid?). Lehnt der Versicherer eine Erstattung von Behandlungskosten wegen eines behaupteten Suizidversuches ab, so kann es sich durchaus empfehlen die Leistungsablehnungen des Versicherers durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.
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