Das OLG Köln hatte sich mit der Frage zu befassen, wann eine medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung besteht (Urt. v. 21.12.2012 – 20 U 186/12).
In dem Fall vor dem Oberlandesgericht Köln begehrte die Versicherungsnehmerin gegenüber ihrer privaten Krankenversicherung die anteilige Erstattung von Kosten ihres stationären Krankenhausaufenthalts.
Die Versicherungsnehmerin wies ein depressives Krankheitsbild auf. Sie litt zudem an Bluthochdruckanfällen. Die Versicherungsnehmerin ließ sich stationär behandeln und unterzog sich währenddessen psychotherapeutischen Behandlungen.
Die Versicherungsnehmerin verlangte gegenüber ihrem Krankenversicherer die Erstattung der Kosten für den stationären Klinikaufenthalt. Der Versicherer sah jedoch keine medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung lehnte daher eine Kostenerstattung ab. Bei der Versicherungsnehmerin wurden vor ihrem Aufenthalt in der Klinik ambulante psychiatrische Therapien weder durchgeführt noch angestrebt. Auch stationär wurden keine medikamentösen Behandlungen vorgenommen. Stattdessen wurden psychotherapeutische und allgemeine Therapiemaßnahmen ohne spezifischen Wirksamkeitsnachweis ergriffen. Diese Maßnahmen hätten auch ambulant durchgeführt werden können, so der Versicherer.
Die Versicherungsnehmerin klagte daher auf Kostenerstattung. Ihre Klage hatte in der ersten Instanz vor dem Landgericht Köln (Az.: 23 O 386/10) keinen Erfolg. Daraufhin legte sie vor dem OLG Köln Berufung ein.
Das OLG Köln wies die Berufung der Versicherungsnehmerin zurück. Es begründetet diese Entscheidung damit, dass sich weder aus dem Befund noch aus der Diagnose ableiten ließ, dass eine medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung bestanden hätte und ambulante Therapiemaßnahmen nicht erfolgversprechend gewesen wären.
Eine stationäre Heilbehandlung ist nur dann medizinisch notwendig, wenn die spezifischen Einrichtungen der Klinik zur Behandlung des bestehenden Leidens besser geeignet sind als die Möglichkeiten der ambulanten Behandlung. Die medizinische Notwendigkeit einer stationären Heilbehandlung ist anhand eines Vergleichs mit der ambulanten Behandlungsform zu prüfen. Unter medizinischen Gesichtspunkten muss feststehen, dass eine ambulante Behandlung nicht ausreicht und die die stationäre Krankenhausbehandlung deshalb notwendig war.
Die Auffassung, dass sich ein Primat der ambulanten gegenüber der stationären Heilbehandlung nicht mehr rechtfertigen lasse, teilt das OLG Köln nicht. Zwar trifft es zu, dass Kostengesichtspunkte weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinnzusammenhang in die maßgeblichen Versicherungsbedingungen im Krankenversicherungsrecht hineingelesen werden können. Eine medizinisch notwendige Heilbehandlung verliert das Merkmal der „Notwendigkeit“ daher im Einzelfall nicht deshalb, weil sie teurer ist als eine nach Einschätzung des Versicherers gleichwertige, aber kostengünstigere Behandlung.
Diese Grundsätze betreffen jedoch ausschließlich die Frage, ob von zwei medizinisch gleichwertigen Behandlungsmethoden der Versicherungsnehmer der kostengünstigeren den Vorzug geben muss. Demgegenüber ist im Streitfall entscheidungserheblich, in welchem Verhältnis nach den maßgeblichen Versicherungsbedingungen die Formen der ambulanten und der stationären Behandlung zueinanderstehen. Dass die ambulante und die stationäre Behandlung nicht gleichrangig sind, folgt aus den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), die die medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlung von der medizinisch notwendigen Heilbehandlung abgrenzen. Dies kann bei verständiger Würdigung nur in dem Sinne aufgefasst werden, dass sich für eine Behandlung im stationären Rahmen eine besondere Notwendigkeit ergeben muss. Vor dem Hintergrund der Belastungen eines Krankenhausaufenthalts für den Versicherungsnehmer und des insoweit bestehenden erhöhten Infektionsrisikos ist auch nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine stationäre Behandlung regelmäßig erst dann erforderlich, wenn eine ambulante Behandlung nicht bzw. nicht mehr ausreichend erfolgsversprechend ist.
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Die Versicherungsnehmerin hat den ihr obliegenden Beweis der medizinischen Notwendigkeit einer stationären Behandlung nicht gebracht. Weder aus dem Befund noch aus der Diagnose lässt sich ableiten, dass eine stationäre Behandlung notwendig war. Zudem ist nicht ersichtlich, dass eine ambulante Therapie nicht erfolgversprechend gewesen wäre. Die bei der Versicherungsnehmerin stationär vorgenommenen Maßnahmen hätten auch ambulant durchgeführt werden können.
Es lässt sich darüber hinaus nicht ableiten, dass die depressive Episode ein Ausmaß erreicht hat, in dem ambulante Therapiemaßnahmen nicht ausreichend gewesen wären. Auch die Bluthochdruckanfälle waren nach der Einschätzung eines Sachverständigen ambulant diagnostizierbar und behandelbar. Sie gaben daher keine Veranlassung für eine sofortige stationäre Behandlung.
Zwar war die psychotherapeutische Behandlung im Rahmen des stationären Aufenthalts leichter verfügbar als bei einer ambulanten Therapie. Insofern sei die Behandlung sinnvoll und effektiv, möglicherweise auch wirksamer als eine ambulante Behandlung. Dies reicht jedoch zur Feststellung der medizinischen Notwendigkeit einer stationären Behandlung nicht aus. Allein die leichtere Verfügbarkeit kann die medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung nicht begründen. Vor diesem Hintergrund konnte ein objektives Bedürfnis nach den spezifischen Einrichtungen des klinischen Krankenhausbetriebes zur Behandlung des bestehenden Leidens nicht festgestellt werden.
Der Fall vor dem OLG Köln zeigt, dass die medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung nicht unkritisch ist. Nur weil ein Arzt eine stationäre Behandlung durchführt, kann nicht auch zwingend von einem Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Krankenversicherung ausgegangen werden. Auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte hatten daher in der Vergangenheit bereits Fälle begleitet, in welchen die medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung streitig war (siehe hierzu auch: Hallesche Krankenversicherung auf Gegenseitigkeit stimmt Vergleich in Streit um Erstattung von Heilbehandlungskosten nach Krankenhausaufenthalt zu!). Ob eine medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung gegeben ist, bedarf daher einer genauen Prüfung des Einzelfalles. Daher kann es durchaus empfehlenswert sein, eine Leistungsablehnung des Versicherers durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt rechtlich prüfen zu lassen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.
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