Der BGH entschied mit seinem Urteil vom 07.03.2007, welche Anforderungen an die ärztliche Feststellung der Invalidität in der Unfallversicherung zu stellen sind (BGH Urteil v. 07.03.2007 – Az.: IV ZR 137/06).
Der Versicherungsnehmer hatte eine Unfallversicherung abgeschlossen, auf die die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 95) Anwendung fanden. Nachfolgend erlitt der Versicherungsnehmer einen Verkehrsunfall, bei dem er Prellungen, Schürfungen und eine Hüftpfannenfraktur erlitt. Nach Angaben des Versicherungsnehmers litt er zusätzlich auch seit dem Unfall an Schmerzattacken, Kopfschmerzen, Schwindel und Konzentrationsstörungen. Auch habe er nach seinen Angaben eine Depression entwickelt. Die psychischen Beschwerden seien als Folge der organischen Verletzung zu werten.
Die Invalidität wurde binnen 15 Monaten nach dem Unfallereignis ärztlich festgestellt. Die Invaliditätsbescheinigung des Arztes nannte als Ursache für die Invalidität ständige Cephalgie, Gedächtnisreduzierung sowie Schmerzen in der linken Hüfte und Lendenwirbelsäule. Eine Depression wurde nicht erwähnt. Eine zeitgleich gestellte Diagnose eines anderen Arztes attestierte dem Versicherungsnehmer eine Depression. Eine Invaliditätsfeststellung sowie das Vorliegen eines Dauerschadens wurden im Zuge dessen jedoch nicht schriftlich festgestellt.
Nach Auffassung des Versicherungsnehmers sei von einer Invalidität von 50% auszugehen. Der Versicherer erkannte hingegen nur eine Invalidität von 10% aufgrund des Hüftschadens an. Weiter Leistungen lehnte er ab und berief sich dabei auf die AUB 95, die „krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen“ vom Versicherungsschutz ausnahmen, unabhängig davon, wodurch diese verursacht worden seien.
Der Versicherungsnehmer verfolgte sein Anliegen sodann weiter und erhob Klage vor dem Landgericht Baden-Baden. Das Landgericht Baden-Baden wies die Klage des Versicherungsnehmers ab. Dagegen richtete sich seine Berufung des Versicherungsnehmers vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe. Das Oberlandesgericht Karlsruhe erkannte eine Invalidität des Versicherungsnehmers zu 50% an. Dagegen richtete sich die Revision des Versicherers vor dem Bundesgerichtshof.
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Der Bundesgerichtshof gab der Revision des Versicherers statt und lehnte einen Anspruch des Versicherungsnehmers auf eine weiterführende Invaliditätsleistung ab. Es könne dahinstehen, ob über den Hüftgelenkschaden hinaus eine weitere Invalidität vorliege, da die Anforderungen an die ärztliche Feststellung der Invalidität in der Unfallversicherung nicht erfüllt seien.
Allein das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Invalidität reicht nicht aus, um einen Anspruch des Versicherungsnehmers auf eine Invaliditätsleistung zu begründen. Zusätzlich bedürfe es der Beachtung bestimmter Fristen (siehe auch: Die Fristen in der Unfallversicherung). Nach den Versicherungsbedingungen müsse die Invalidität binnen eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgesellt worden sein. Dies diene dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht.
An die Feststellung der Invalidität seien daher aber keine hohen Anforderungen zu stellen. Einerseits müsse sich die Feststellung nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern. Zudem brauche die Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens nicht einmal richtig zu sein und müsse dem Versicherer auch nicht innerhalb der Frist zuzugehen, sofern sie nur fristgerecht getroffen worden ist.
Die Invaliditätsfeststellung müsse aber die für sie angenommene, durch einen Arzt bestätigte Ursache und Art der Gesundheitsbeschädigung enthalten. Dem Versicherer solle so die Chance gegeben werden, den Versicherungsfall auf Grundlage ärztlicher Feststellungen zu überprüfen. Deshalb können nur die in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung beschriebenen unfallbedingten Dauerschäden Grundlage des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein.
Diese Anforderungen an die ärztliche Feststellung der Invalidität seien durch die beiden ärztlichen Stellungnahmen nicht als erfüllt anzusehen. Das ärztliche Gutachten zur Invaliditätsfeststellung nenne die Depression nicht. Die Stellungnahme des Arztes, der dem Versicherungsnehmer eine Depression attestierte, beschreibe hingegen keinen Dauerschaden und ziehe nicht den zwingenden Schluss auf eine Invalidität. Die Depression als einen die Invalidität begründenden Dauerschaden sei damit nicht ärztlich festgestellt worden, so der BGH. Der Versicherer habe daher keinen Anlass gehabt, über die körperlichen Unfallfolgen hinaus eine Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit abzuklären.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt, dass für die Geltendmachung eines Anspruchs aus der Unfallversicherung auch den Anforderungen an die ärztliche Feststellung der Invalidität genügt werden muss. Dafür muss das ärztliche Attest den Dauerschaden und seine Ursache und Auswirkung auf den Versicherungsnehmer konkret beschreiben. So soll dem Versicherer die Chance gegeben werden, den Versicherungsfall auf Grundlage ärztlicher Feststellungen zu überprüfen und eine Abgrenzung zu nicht erfassten Spätschäden vorzunehmen.
Ob ein ärztliches Attest die Anforderungen an die ärztliche Feststellung der Invalidität wahrt, ist dabei natürlich oftmals eine Frage des konkreten Einzelfalles. Lehnt der Versicherer eine Invaliditätsleistung ab, weil nach seiner Ansicht ein eingereichtes Attest nicht ausreichend sei, so kann es sich durchaus anbieten, die Leistungsablehnung des Versicherers durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt rechtlich prüfen zu lassen. Gerne berät Sie dabei auch die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.
Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:
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