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Hinweispflicht gegenüber Versicherten auf Fristen in der Unfallversicherung? (BGH)

Der Bundesgerichtshof befasste sich in seinem Urteil vom 22.05.2019 mit der Frage, ob eine Hinweispflicht gegenüber Versicherten auf Fristen in der Unfallversicherung besteht (BGH, Urteil v. 22.05.2019 – Az.: IV ZR 73/18).

Unfallversicherung für die Ehefrau

Der ursprüngliche Versicherungsnehmer hatte für seine Ehefrau eine Unfallversicherung nach den AUB 2000 abgeschlossen. Die AUB 2000 unterhielten unter anderem folgende Bestimmungen:

Ziff. 2.1.1.1 und 2.2.1.1: „Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität).

Die Invalidität ist – innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und – innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden.“

Ziff. 12.1 „Ist die Versicherung gegen Unfälle abgeschlossen, die einem anderen zustoßen (Fremdversicherung), steht die Ausübung der Rechte aus dem Vertrag nicht der versicherten Person, sondern Ihnen zu. Sie sind neben der versicherten Person für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich.“

Die versicherte Ehefrau stürzte sodann am 01.03.2013 aus einem Fenster im zweiten Obergeschoss des von ihr und dem Versicherungsnehmer bewohnten Hauses. Dabei erlitt sie schwere Verletzungen. Auf die Schadensmeldung des Versicherungsnehmers übersandte der Versicherer ihm am 08.03.2013 ein Schreiben, in dem er unter anderem auf die Frist von 15 Monaten für die ärztliche Feststellung der Invalidität hinwies. Sodann lehnte der Versicherer mit Schreiben vom 24.04.2013 die Leistungspflicht ab. Als Grund gab er an, bei dem Sturz der Versicherungsnehmerin habe es sich um einen Suizidversuch gehandelt.

Die Versicherte wurde sodann selbst Versicherungsnehmerin, da ihr Ehemann verstarb. Im Jahr 2016 forderte sie den Versicherer erneut durch eine anwaltliche Zahlungsaufforderung zur Leistung auf. Nach erneuter Ablehnung durch den Versicherer erhob sie Klage vor dem Landgericht Heidelberg. Das Landgericht Heidelberg wies die Klage der Versicherungsnehmerin ab (LG Heidelberg, Urteil v. 11.04.2017 – Az.: 2 O 394/16). Dagegen ging sie vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe in Berufung. Das Oberlandesgericht Karlsruhe gab der Berufung in Teilen statt und sprach der Versicherungsnehmerin ein Krankenhaustagesgeld zu (vgl. Hinweispflichten eines Unfallversicherers im Versicherungsfall (OLG Karlsruhe)). Sodann verfolgte die Versicherungsnehmerin ihre Forderungen im Übrigen vor dem Bundesgerichtshof weiter.

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Keine fristgerechte ärztliche Invaliditätsfeststellung!

Der Bundesgerichtshof wies die Revision zurück. Die Versicherungsnehmerin sei zwar zu gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs legitimiert, es fehle aber an einer fristgerechten ärztlichen Feststellung der Invalidität.

Hinweispflicht gegenüber Versicherten auf Fristen in der Unfallversicherung?

Der Versicherer habe den ursprünglichen Versicherungsnehmer auf die entsprechenden Fristen mit Schreiben vom 08.03.2013 hingewiesen und sei damit seiner Hinweispflicht auf Fristen in der Unfallversicherung nachgekommen. Eine darüber hinaus bestehende Hinweispflicht gegenüber Versicherten auf Fristen in der Unfallversicherung existiere hingegen nicht. Dies gelte auch, wenn der Versicherte anstelle des Versicherungsnehmers den Versicherungsfall melde. Zunächst lasse sich für eine gegenteilige Auffassung keine spezielle gesetzliche Normierung finden, während der Gesetzgeber für andere Versicherungsformen sehr wohl spezielle Regelungen für versicherte Personen getroffen habe. Ein Versehen des Gesetzgebers diesbezüglich sei nicht ersichtlich.

Wille des Gesetzgebers?

Fortlaufend spreche auch der Sinn und Zweck des § 186 VVG gegen eine Belehrungspflicht des Dritten bei einer Versicherung für fremde Rechnung. Es obliege gerade dem Versicherungsnehmer, die Rechte gegenüber dem Versicherer zu verfolgen. Dies entspreche dem gesetzlichen Regelfall, dass dem Versicherten die formell-materielle Befugnis zur Geltendmachung seiner Rechte fehle. Demnach bestehe auch in so einem Fall keine Hinweispflicht gegenüber Versicherten auf Fristen in der Unfallversicherung.

Auch die Regelung des § 30 VVG, dass der Versicherte ebenfalls den Versicherungsfall anzuzeigen habe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Zweck der Norm bestehe vielmehr darin, dem Versicherer eine zeitnahe Prüfung sowie schnelle und zuverlässige Klärung des Eintritts des Versicherungsfalles zu ermöglichen, da dieser oftmals deutlich vor dem Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt des Versicherungsfalls habe.

Fazit

Das Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt, dass eine Hinweispflicht gegenüber Versicherten auf Fristen in der Unfallversicherung grundsätzlich nicht besteht. Wurde der Versicherungsnehmer entsprechend belehrt, kommt es für das Versäumnis der Frist dann nicht darauf an, ob er auch den Versicherten darüber aufgeklärt hat.

Die Versäumung von Fristen in der Unfallversicherung kann weitereichende rechtliche Folgen haben. Beteiligte einer Unfallversicherung sind daher gut beraten, sich möglichst frühzeitig mit den Fristen in der Unfallversicherung vertraut zu machen. Einen weiterführenden Artikel finden Sie unter Die Fristen in der Unfallversicherung. Kommt es zu Unklarheiten bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Unfallversicherung, so kann es sich auch empfehlen die Beratung durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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