Das LG Nürnberg-Fürth hatte sich mit der Frage der medizinischen Notwendigkeit einer HIFU-Behandlung zu befassen. Hier stufte das Gericht die Heilbehandlung als medizinisch notwendig ein, sodass der Versicherer zur Erstattung der Kosten verpflichtet wurde (Endurteil v. 05.04.2024 – 8 O 5013/21).
Vorliegend streiten die Parteien um Ansprüche aus einer privaten Krankenversicherung auf Ersatz von Aufwendungen für die Behandlung eines Prostatakarzinoms. Dieses wurde im Januar 2020 ärztlich festgestellt und im Juni 2020 mit hochfrequentem fokussiertem Ultraschall behandelt (sog. HIFU-Behandlung).
Der Versicherungsnehmer zahlte insgesamt rund 8.700 Euro für diese Behandlung. Er reichte die Rechnung beim Versicherer ein und verlangte die Erstattung Heder Kosten der Kosten der HIFU-Behandlung. Der Versicherer lehnte dies jedoch vollständig ab. Hiergegen klagte der Versicherungsnehmer vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth.
Der Versicherer ist der Auffassung, dass die medizinische Notwendigkeit einer HIFU-Behandlung nicht gegeben sei. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Behandlungsmaßnahme zu einem Erfolg geführt habe. Der Versicherer behauptete darüber hinaus, dass kein medizinischer Ansatz vorhanden sei, der die Wirkungsweise der HIFU-Behandlung erklären könne. Langfristige Resultate und die kurative Wirksamkeit seien vollständig offen.
Der Versicherungsnehmer hingegen behauptet, dass es sich bei der HIFU-Therapie um eine von der Schulmedizin überwiegend anerkannte Behandlungsmethode handle. Sie bewähre sich in der Praxis und sei ebenso erfolgsversprechend wie andere Methoden. Zudem sei sie beim Versicherungsnehmer auch erfolgreich gewesen. Die medizinische Notwendigkeit einer HIFU-Behandlung sei seiner Ansicht nach daher gegeben.
Das LG Nürnberg-Fürth hat entschieden, dass der Versicherer zur Erstattung der Kosten einer HIFU-Behandlung verpflichtet ist. Bei der Behandlung des Prostatakarzinoms handelte es sich um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung, deren Kosten der Versicherer gemäß dem Versicherungsvertrag zu erstatten hat.
Gemäß der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ist „die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen“ ein Versicherungsfall, der die Leistungspflicht des Versicherers auslöst. Der Versicherungsnehmer unterliegt der Beweislast hinsichtlich der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung.
„Der Begriff der medizinisch notwendigen Heilbehandlung umfasst jegliche ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abzielt. Dem ist eine ärztliche Tätigkeit gleich zu achten, die auf eine Verhinderung der Verschlimmerung einer Krankheit gerichtet ist. Bei der Prüfung, ob die Heilbehandlung als medizinisch notwendig anzusehen ist, ist ein objektiver Maßstab anzulegen.“
Die objektive Anknüpfung bedeutet hier, dass es für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht auf die Auffassung des Versicherungsnehmers und nicht allein auf die des behandelnden Arztes ankommt. Demgemäß liegt eine „medizinisch notwendige“ Heilbehandlung dann vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen. Davon ist im Allgemeinen dann auszugehen, wenn eine Behandlungsmethode angewandt worden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken, so das LG Nürnberg-Fürth.
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Laut Angaben des Sachverständigen kamen grundsätzlich verschiedene Behandlungsmethoden in Betracht. Bei allen verfügbaren Behandlungsmethoden ist es dennoch möglich, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt die Erkrankung weiter ausbreitet. Es gibt also laut Angaben des Sachverständigen keinen „Sieger“ zwischen den Behandlungsmethoden. Unterschiede bestehen allein in der Lebensqualität, jedoch kann hinsichtlich des Erfolgs der Methode kein Unterschied festgestellt werden.
Der Versicherer wandte ein, dass es an aussagekräftigen Studienansätzen für die HIFU-Behandlung fehle, weshalb eine ausreichende Untersuchung des Verfahrens noch nicht vorliege. Dem hält das LG Nürnberg-Fürth entgegen, dass der Annahme einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung nicht entgegensteht, dass die Behandlungsmethode noch nicht in der wissenschaftlichen Literatur nach wissenschaftlichem Standard dokumentiert und bewertet worden ist. Zwar können solche Veröffentlichungen für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit von Bedeutung sein. Allerdings kann die fehlende medizinische Notwendigkeit der HIFU-Behandlung nicht auf eine fehlende Veröffentlichung gestützt werden.
Bedeutsam für die Beurteilung der Behandlungsmethode kann es schließlich sein, ob diese vor dem Zeitpunkt ihrer Durchführung beim Versicherungsnehmer bereits anderweitig erprobt worden ist. Haben Behandlungen schon zuvor in einer Anzahl stattgefunden, die Aussagen jedenfalls darüber zulässt, ob die Behandlung die mit ihr erstrebte Wirkung wahrscheinlich zu erreichen geeignet ist, kann darin ein besonders aussagekräftiger Umstand für die Beurteilung der Notwendigkeit der Heilbehandlung zu erkennen sein.
Hier hatten bereits etliche Behandlungen mit der HIFU-Methode stattgefunden. Die erstrebte Wirkung der Linderung der Erkrankung kann mit der HIFU-Behandlung im gleichen Maße erfolgreich erreicht werden, wie mit den anderen vorhandenen Behandlungsmethoden.
Die Auswertung des ärztlichen Gutachtens ergab daher, dass die vom Versicherungsnehmer gewählte Methode zur Behandlung eines Prostatakarzinoms grundsätzlich zur Heilung dieser Erkrankung geeignet ist. Vor diesem Hintergrund erging das LG Nürnberg-Fürth von einer medizinischen Notwendigkeit der HIFU-Behandlung aus und sprach dem Versicherungsnehmer einen Erstattungsanspruch gegen den Versicherer zu.
Die Kosten medizinischer Heilbehandlungen sind oftmals nicht gerade gering. Nicht jede Ablehnung der Kostenübernahme des Versicherers ist jedoch berechtigt, wie das Urteil des LG Nürnberg-Fürth zeigt. Die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung hat nämlich stets anhand des Einzelfalls zu erfolgen. Daher kann es durchaus sinnvoll sein frühzeitig die Beratung durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen und eine Leistungsablehnung des Versicherers anwaltlich prüfen zu lassen.
Auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte begleiteten bereits Verfahren bzgl. der Übernahme von Behandlungskosten durch den Versicherer. Hierbei konnten Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte auch bereits Vergleichszahlungen des Versicherers erwirken (siehe hierzu: Hallesche Krankenversicherung auf Gegenseitigkeit stimmt Vergleich in Streit um Erstattung von Heilbehandlungskosten nach Krankenhausaufenthalt zu). Gerne stehen daher auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte für Rückfragen zur Verfügung.
Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:
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