Kostenerstattung für die Auswechslung von Brustimplantaten gegenüber Krankenversicherung (BGH)

Der BGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der Versicherer nach einer Kapselfibrose und einer Implantatdislokation zu einer Kostenerstattung für die Auswechslung von Brustimplantaten verpflichtet ist (Urt. v. 17.02.2016 – IV ZR 353/14).

Implantatdislokation und Kapselfibrose erfordern Auswechslung von Brustimplantaten

Vorliegend verlangt die Versicherungsnehmerin Leistungen aus einer privaten Krankenversicherung wegen einer durchgeführten Auswechslung von Brustimplantaten. Die Versicherungsnehmerin hatte bereits vor Vertragsabschluss aus kosmetischen Gründen eine Brustvergrößerung vornehmen lassen. Diese wurde bei Antragsstellung gegenüber dem Versicherer nicht angegeben. Der Versicherungsvertrag sah im Versicherungsfall den Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlungen und sonst vereinbarte Leistungen vor. Laut den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) „[ist ein] Versicherungsfall […] die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen“. Ferner besteht „keine Leistungspflicht […] für auf Vorsatz beruhende Krankheiten und Unfälle einschließlich deren Folgen […]“.

In der Folgezeit kam es bei der Versicherungsnehmerin zu einer Implantatdislokation. Dadurch entwickelte sich eine, durch das Implantat verursachte, schmerzhafte Kapselfibrose. Dies erforderte einen Austausch der Brustimplantate. Die Auswechslung verursachte Behandlungskosten in Höhe von rund 4.600 Euro. Daraufhin begehrte die Versicherungsnehmerin die Kostenerstattung für die Auswechslung von Brustimplantaten.

Der Versicherer verweigerte die Kostenerstattung für die Auswechslung von Brustimplantaten mit der Begründung, die Versicherungsnehmerin habe in die ursprüngliche Brustvergrößerung trotz eingehender Risikoaufklärung eingewilligt. Daher habe sie die bei diesem Eingriff häufig auftretenden Komplikationen, darunter auch eine Kapselfibrose oder eine unerwünschte Formveränderung, bedingt vorsätzlich herbeigeführt. Der Versicherer berief sich ferner darauf, dass bereits mit der erstmaligen Einbringung der Implantate als Fremdkörper ein anormaler Zustand und damit eine Krankheit vorgelegen habe. Außerdem wäre er nicht einstandspflichtig, da der Eingriff schon vor Vertragsschluss vorgenommen wurde.

Die Versicherungsnehmerin klagte daraufhin auf Kostenerstattung für die Auswechslung von Brustimplantaten. Ihre Klage hatte sowohl vor dem Landgericht Mannheim (Az.: 1 O 56/12) als auch vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe (Az.: 12 U 18/13) keinen Erfolg.

Aufhebung und Zurückweisung durch den BGH

Der BGH entschied, dass es sich bei der Brustvergrößerung durch Implantate nicht um eine bedingungsgemäße Krankheit handelt. Etwas anderes gilt hingegen für die daraus resultierende Implantatdislokation sowie die Kapselfibrose. Darüber hinaus lässt sich allein aus der Aufklärung über mögliche Risiken des ärztlichen Eingriffs keine vorsätzliche Herbeiführung der Komplikationen nach der Brustoperation herleiten.

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Brustvergrößerung ist keine bedingungsgemäße Krankheit

Der BGH war der Ansicht, dass die Brustvergrößerung, entgegen der Annahme des OLG Karlsruhe, keine bedingungsgemäße Krankheit begründet.  Unter einer bedingungsgemäßen Krankheit ist ein objektiv, nach ärztlichem Urteil bestehender anormaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand zu verstehen. Die Einstufung als anormal ergibt sich aus einem Vergleich mit der normalen biologischen Beschaffenheit des Menschen. Die Einstufung als regelwidrig hingegen aus der ergänzenden medizinischen Bewertung eines anormalen Zustandes.

Das OLG Karlsruhe war noch der Auffassung, dass Brustimplantate zu einem anormalen, regelwidrigen Körperzustand und damit zu einer bedingungsmäßigen Krankheit führen. Dabei könne dahinstehen, ob generell der Zustand nach einer Schönheitsoperation als anormaler Zustand und damit im versicherungsrechtlichen Sinne als Krankheit einzustufen sei. Jedenfalls werde, wenn die Operation die Einbringung eines Fremdkörpers in Form eines Brustimplantates zum Ziel habe, ein dauerhaft regelwidriger und anormaler Zustand geschaffen. Anders als die Einbringung von anderen Fremdkörpern, beispielsweise Herzschrittmachern oder Prothesen, geschehe dies nicht aus medizinischen, sondern nur aus kosmetischen Gründen.

Diese Ansicht teilte der BGH jedoch nicht. Eine Krankheit ist nämlich auch dadurch gekennzeichnet, dass sie eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt und deshalb die Notwendigkeit einer Heilbehandlung begründet. Daher entschied der BGH, dass die mittels eines ärztlichen Eingriffs vorgenommene Brustvergrößerung nach allgemeinem Sprachgebrauch keine Krankheit darstellt. Zwar schafft die Implantation eines Fremdkörpers einen medizinisch anormalen Zustand. Jedoch hält der Nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sei diese jedoch nicht medizinisch regelwidrig im Sinne einer Erkrankung.

Der BGH erklärt, dass der Zustand von einem Arzt unter Beachtung medizinischer Regeln und Sorgfaltsanforderungen herbeigeführt wird. Zudem führt der normale, komplikationsfreie Verlauf nicht zur Störung körperlicher oder geistiger Funktionen. Die Brustvergrößerung an sich begründet darüber hinaus keinen weiteren Behandlungsbedarf. Wer sie vornehmen lässt, will sich damit nicht in die Situation eines Kranken begeben. Daher hat also eine Krankheit nicht allein durch die Einbringung der Implantate, sondern vielmehr erst mit Eintritt der Kapselfibrose vorgelegen.

Vorsatz bezüglich der Kapselfibrose und Implantatdislokation?

Der BGH lehnte den Vorsatz der Versicherungsnehmerin bezüglich der Kapselfibrose und der Implantatdislokation ab. Er sah hier keinen Anlass zu der Annahme, dass die Versicherungsnehmerin alle ihr durch ärztliche Aufklärung bekannt gewordenen möglichen Krankheitsfolgen billigend in Kauf genommen hätte.

Das OLG Karlsruhe nahm an, dass sich der Vorsatz der versicherten Person nach § 201 VVG lediglich auf die Krankheit, nicht auf deren Folgen erstrecke. Bedingter Vorsatz sei hier ausreichend. Die Kapselfibrose war demnach eine zumindest bedingt vorsätzlich herbeigeführte Krankheit. Das OLG Karlsruhe begründete diese Annahme damit, dass der Versicherungsnehmerin bekannt war, dass die Kapselfibrose mit einer gewissen Häufigkeit auftrete. Bei der Folgeerkrankung, die die Auswechslung von Brustimplantaten begründetet, handelte es sich somit um eine nicht fernliegende Folge des ursprünglichen Eingriffs. Aufgrund der vorherigen ärztlichen Aufklärung würde die Versicherungsnehmerin diese billigend in Kauf nehmen, so das OLG Karlsruhe.

Der BGH hielt dieser Begründung des OLG Karlsruhe entgegen, dass zum Vorsatz nicht nur das Wissen, sondern auch das Wollen gehört. Zwar weiß die Patientin in diesem Fall, dass es zu Komplikationen kommen kann. Jedoch ist vom Wissen um die Risiken nicht darauf zu schließen, dass der Patient deren Eintritt auch in Kauf genommen hätte. Erforderlich sei vielmehr im Einzelfall zu klären, was der Patient gedacht hat, so der BGH. Vorliegend war nicht ersichtlich, dass sich die Versicherungsnehmerin mit den möglichen, in einer gewissen Häufigkeit auftretenden Krankheitsfolgen der Brustvergrößerung im Sinne einer billigenden Inkaufnahme abfindet. Dem steht hier insbesondere entgegen, dass sich Patienten einem solchen Eingriff in der Regel in der Hoffnung unterziehen, dieser werde erfolgreich und komplikationsfrei verlaufen.

Vor diesem Hintergrund hob der BGH das Urteil des OLG Karlsruhe auf und verwies die Sache zur Erhebung weiterer Feststellungen an das OLG Karlsruhe zurück.

Fazit

Die Entscheidung des BGH zeigt, dass eine Schönheitsoperation für sich keine bedingungsgemäße Krankheit begründet. Die Realisierung von aus dem Eingriff resultierenden medizinischen Risiken kann jedoch durchaus als Krankheit eingestuft werden. Allein die ärztliche Aufklärung über die Möglichkeit dieses Risikoeintritts begründete vorliegend keinen, den Versicherungsschutz ausschließenden Vorsatz der Versicherungsnehmerin. Dabei weist der BGH darauf hin, dass Patienten in der Regel davon ausgehen, dass sich die Risiken einer Operation, über die sie im Vorfeld aufgeklärt worden sind, bei Ihnen nicht realisieren. Das besteht nach einer Kapselfibrose und einer Implantatdislokation durchaus die Möglichkeit der Kostenerstattung für die Auswechslung von Brustimplantaten zu verlangen.

Die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit hängt in der Praxis immer von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Daher empfiehlt es sich, die Beratung durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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