Der Bundesgerichtshof entschied mit seinem Urteil vom 02.11.2009, welche Voraussetzungen an den Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Invalidität bei vorherig vorhandenen Gebrechen zu stellen sind (BGH, Urteil v. 19. 10. 2016 – Az.: IV ZR 521/14).
Die Versicherungsnehmerin war als Übungsleiterin in einem Sportverein tätig. Sie unterhielt auch eine Unfallversicherung, der die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 2000) zugrunde lagen. Am 02.11.2009 kam es bei ihrer Tätigkeit als Übungsleiterin bei einem Kinderturnen zu einem Sturz. Durch ein MRT wurden bei der Versicherungsnehmerin eine Bandscheibenprotrusion und eine Spinalkanalstenose festgestellt.
Sodann machte sie Ansprüche auf Zahlung einer Invaliditätsleistung in Höhe von 34.000 Euro aus der Unfallversicherung geltend. Der Versicherer lehnte die Leistung aus der Unfallversicherung jedoch ab und bestritt den Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Invalidität der Versicherungsnehmerin. Bezüglich der Spinalkanalstenose gab er an, diese habe bereits vor dem Unfallereignis bestanden (siehe auch: Unfallursächlichkeit bei Vorschädigung an der Schulter (OLG Koblenz)). Die Bandscheibenprotrusion sei hingegen nicht als bedingungsgemäße Unfallfolge zu werten.
Die Versicherungsnehmerin erhob daraufhin Klage vor dem Landgericht Tübingen. Das Landgericht Tübingen wies die Klage der Versicherungsnehmerin nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ab (LG Tübingen, Urteil v. 28.02.14 – Az.: 4 O 60/12). Dagegen richtete sich die Berufung der Versicherungsnehmerin vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, Urteil v. 27.11.14 – Az.: 7 U 69/14). Nach Zurückweisung der Berufung verfolgte die Versicherungsnehmerin ihr Klagebegehren im Rahmen einer Revision beim Bundesgerichtshof weiter.
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Die Revision der Versicherungsnehmerin hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Oberlandesgericht Stuttgart.
Der Bundesgerichtshof führte an, dass das Oberlandesgericht Stuttgart die Kausalität des von ihm festgestellten Unfallgeschehens für den bei der Versicherungsnehmerin eingetretenen Dauerschaden mit der von ihm gegebenen Begründung nicht hätte verneinen dürfen. Ein Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Invalidität sei nach der Äquivalenztheorie zu beurteilen. Kausalität bestehe danach, wenn der Unfall nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele. Dabei sei eine Mitursächlichkeit ausreichend, da schon die AUB 2000 bestimmen würden, dass bei Mitwirkung unfallfremder Faktoren kein Ausschluss, sondern nur eine entsprechende Anspruchsminderung vorgenommen werde.
Weiterhin müsse nach der Adäquanztheorie das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges der eingetretenen Art geeignet sein.
Eine andere Ansicht vertrete die Meinung, dass bereits vorhandene Vorschäden einen solchen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Invalidität beseitigen würden. Es werde dabei der Begriff der Gelegenheitsursache verwendet, der beschreibt, dass jede andere Ursache die Gesundheitsbeeinträchtigung ebenso hätte herbeiführen können. Von dieser Meinung nahm der Bundesgerichtshof jedoch Abstand. Der Begriff, der aus dem Sozialversicherungsrecht stamme, sei nicht auf die private Unfallversicherung anwendbar. Hier sei schon eine ausreichende Adäquanz gegeben, wenn eine nicht gänzlich außerhalb aller Wahrscheinlichkeiten liegende Mitwirkung vorliege. Daher schließe das Vorhandensein von Vorschäden eine Kausalität zwischen Unfall und Invalidität nicht grundsätzlich aus. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer würde vielmehr aus den AUB 2000 schließen, dass eine Mitwirkung unfallfremder Faktoren wie gesundheitlicher Vorschädigungen zu einer Anspruchsminderung führe.
Ein Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Invalidität wäre deshalb zu bejahen, wenn die bei dem Vorfall auf die Versicherungsnehmerin einwirkenden Kräfte die Aktivierung der zuvor klinisch stummen Facettengelenksarthrose bewirkt und damit die geltend gemachten Dauerbeschwerden ausgelöst haben. Das müsse das Oberlandesgericht Stuttgart feststellen.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt, dass ein Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Invalidität auch bei bereits zuvor bestandenen Gebrechen des Versicherungsnehmers bestehen kann. Nach einer erfolgten Leistungsablehnung durch den Versicherer kann es daher durchaus ratsam sein, sich durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen und die Leistungsablehnung des Versicherers prüfen zu lassen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.
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