Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (nachfolgend – vzbv – genannt) verklagt erneut einen Versicherungsmakler, dieses Mal vor dem Landgericht Leipzig (Az. 05 O 1092/24) wegen der Frage der Unabhängigkeit des Versicherungsmaklers.
Vor dem Klageverfahren hatte der vzbv den Versicherungsmakler wettbewerbsrechtlich abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie Kostenübernahme aufgefordert. Diese vorgerichtliche Abmahnung hatte der vzbv über seine Rechtsabteilung, dem „Team Rechtsdurchsetzung“, aussprechen lassen. Die Vorständin des vzbv ist Frau Ramona Pop, der Vorsitzender des Verwaltungsrates ist Herr Wolfgang Schuldzinski (Quelle: Impressum des Verbands). Der vzbv forderte den Versicherungsmakler unter anderen auf, als Versicherungsmakler nach § 34d Abs. 1 GewO nicht mehr mit dem Begriff „Unabhängigkeit“ in Verbindung mit der Tätigkeit als Versicherungsmakler zu werben.
Nachdem der Versicherungsmakler dem Begehren des vzbv nicht nachkam, erhob dieser über seine Prozessbevollmächtigen, die merlekerpartner rechtsanwälte PartG mbB, Klage vor dem Landgericht Leipzig (Az. 05 O 1092/24). Der vzbv begründet die mit der Klage verfolgte Unterlassungsforderung damit, dass der Versicherungsmakler durch die Bezeichnung seiner Tätigkeit als „unabhängig“ gegen § 5 Abs. 1 S.1, 2 Nr. 1 UWG verstoße. In der Bezeichnung als „unabhängig“ liege nach der Meinung des vzbv eine irreführende geschäftliche Handlung, die dazu geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Nach Ansicht des vzbv könne ein Versicherungsmakler keine unabhängige Beratung anbieten. Anders als ein Versicherungsberater könne ein Versicherungsmakler nicht unabhängig beraten, da er vom Versicherer einen wirtschaftlichen Vorteil erhalte und daher nicht hinreichend neutral und unabhängig agiere.
Im Zuge dessen verwies die merlekerpartner rechtsanwälte PartG mbB auf vorangegangene bzw. erstrittene Urteile des vzbv. Die genannten Urteile wurden auch bereits von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte besprochen:
Zudem berichtet der vzbv über dieses und weitere Verfahren öffentlich auf seiner Webseite:
Die Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow vertritt Versicherungsmakler bundesweit in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten. Unsere Rechtsanwälte unterstützen Sie dabei, zu Ihrem Recht zu kommen und stehen Ihnen zunächst gerne für einen kostenfreien Erstkontakt zur Verfügung.
Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte haben in diesem Wettbewerbsprozess die Rechtsverteidigung des Versicherungsmaklers übernommen. Nach Auffassung von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte kann der Versicherungsmakler durchaus mit einer „Unabhängigkeit des Versicherungsmaklers“ werben.
Belegt wird dies nach Auffassung von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte schon durch die Historie der Norm des § 34d GewO. So heißt es in der Drucksache 16/1935:
Den Versicherungsmaklern soll mit der Erlaubnis künftig zugleich die Befugnis eingeräumt werden, im Unternehmensbereich gegen gesondertes Honorar Beratungen über Versicherungsverträge durchzuführen, auch wenn diese rechtlich geprägt sind und mit einer konkreten Vermittlungstätigkeit nicht im Zusammenhang stehen. Die Rechtsberatungsbefugnis der Versicherungsmakler ist dabei gegenüber dem Beratungsumfang der Versicherungsberater eingeschränkt.
Dem Versicherungsmakler wird gerade durch diese Norm die Befugnis eingeräumt, gegen ein gesondertes Honorar über Versicherungsverträge zu beraten. Würde nun davon ausgegangen werden, dass ein Versicherungsmakler schon immer nicht hinreichend neutral und objektiv beraten kann, so würde die Einräumung einer solchen Kompetenz wenig Sinn ergeben, so die Auffassung von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.
Weitere Argumente für eine Zulässigkeit der Werbung mit dem Begriff der Unabhängigkeit in Verbindung mit der Tätigkeit als Versicherungsmakler lassen sich nach Ansicht von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte auch in der Historie des § 60 VVG finden. So heißt es in der Drucksache 16/1935:
Entsprechend der Regelung des Artikels 12 Abs. 1 Buchstabe e i in Verbindung mit Absatz 2 der Richtlinie sieht Absatz 1 die Verpflichtung des Versicherungsmaklers vor, den Kunden auf Grundlage einer objektiven und ausgewogenen Untersuchung zu beraten, denn dies kann der Kunde von einem Makler als seinem Interessenwahrer erwarten. Die objektive, ausgewogene Marktuntersuchung ist Voraussetzung für die Ermittlung der hinreichenden Zahl von Angeboten.
Der Gesetzgeber verlangt demnach eine objektive und ausgewogene Beratung des Versicherungsnehmers durch einen Versicherungsmakler. So stellt sich die berechtigte Frage: Wenn der Gesetzgeber eine objektive Beratung verlangt, so verlangt er doch im Zuge dessen gerade eine unabhängige Beratung des Versicherungsmaklers. Es muss nach dem gesetzlichen Leitbild also gerade eine Unabhängigkeit des Versicherungsmaklers bestehen.
Nach Auffassung von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte ist auch ratsam einen vertieften Blick in das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) zu werfen. Hier wird in § 94 WpHG eine konkrete Norm mit Sanktionierungsmöglichkeit geschaffen, um den Begriff der Unabhängigkeit zu schützen und so wiederum auch den Verbraucher zu schützen. Eine derart vergleichbare Vorschrift ist jedoch weder in der Gewerbeordnung (GewO) noch im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zu finden, noch besteht nach der Auffassung der von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte überhaupt ein Bedürfnis dafür, den Verbraucher noch weitergehender zu schützen. Denn nach der Auffassung von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte betrifft das Wertpapierhandelsgesetz bzw. § 94 WpHG nur den Kapitalanlagebereich, nicht jedoch die Versicherungsvermittlung/-beratung. Vor diesem Hintergrund überzeugt auch das Argument des vzbv nach Auffassung von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte nicht, dass der Rechtsgedanke des § 94 WpHG auf den Versicherungsmakler übertragbar sein soll.
Auch lässt sich nach Auffassung von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte die Rechtsmeinung des vzbv, der Versicherungsmakler dürfe nicht mit seiner Unabhängigkeit werben, mit § 59 VVG entkräften. Dieser lautet wie folgt:
§ 59 Begriffsbestimmungen
(1) Versicherungsvermittler im Sinn dieses Gesetzes sind Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Die §§ 1a, 6a, 7a, 7b und 7c gelten für Versicherungsvermittler entsprechend. Versicherungsvermittler ist auch, wer eine Vertriebstätigkeit im Sinne von § 1a Absatz 2 ausführt, ohne dass die Voraussetzungen des nachfolgenden Absatzes 2 oder 3 vorliegen.
(2) Versicherungsvertreter im Sinn dieses Gesetzes ist, wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.
(3) Versicherungsmakler im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler nach Satz 1.
(4) Versicherungsberater im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen im Versicherungsfall berät oder gegenüber dem Versicherer außergerichtlich vertritt, ohne von einem Versicherer einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder in anderer Weise von ihm abhängig zu sein. Die §§ 1a, 6a, 7a, 7b und 7c gelten für Versicherungsberater entsprechend.
Nach der Auffassung von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte fallen gleich zwei Argumente ohne jeden Zweifel auf. Zunächst findet eine klare Trennung von Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern statt. Dies erfolgt im Interesse des Verbrauchers, da dieser darauf vertrauen kann, dass der Versicherungsmakler als sein treuhändischer Sachverwalter auftritt und gerade nicht im Interessenkreis des Versicherers handelt (siehe hierzu insbesondere die nachstehende Urteilsbesprechung: „Versicherungsmakler ist treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers (BGH)“). Auch stellt § 59 Abs. 3 Satz 2 VVG klar, dass wer wie ein Versicherungsmakler handelt, auch wenn dies nur zum Anschein des Versicherungsnehmers ist, als Versicherungsmakler zu behandeln ist (sog. „Pseudomakler“). Der Versicherungsnehmer soll dann gerade auf die Maklereigenschaft vertrauen dürfen, da er mit dieser eine objektive und ausgewogene Beratung verbindet.
Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte sehen ein weiteres Argument in der Haftung des Versicherungsmaklers nach § 63 VVG. Denn begeht der Versicherungsmakler eine Verletzung seiner Beratungspflichten nach § 60 oder § 61 VVG, so ist er dem Versicherungsnehmer zum Schadensersatz verpflichtet. Demnach würde es für einen Versicherungsmakler wenig Sinn ergeben, entgegen dem Bedarf des Versicherungsnehmers und „im Interesse der höchsten Courtage“ zu beraten, da er sich so in jedem Fall schadensersatzpflichtig machen würde, wenn das Produkt nicht dem Bedarf des Versicherungsnehmers entspricht.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Punkte führt nach Auffassung von Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte alleine die Objektivität, zu welcher der Versicherungsmakler gesetzlich verpflichtet ist, zu einer Unabhängigkeit des Versicherungsmaklers. Es wird klar, dass die Figur des Versicherungsmaklers geschaffen wurde, damit der Verbraucher einen Sachwalter an seiner Seite hat, der seine Interessen wahrnimmt. Der Verbraucher soll sich gerade auf die objektive Beratung und Vertretung seiner Interessen durch den Versicherungsmakler verlassen können. Es stellt sich demnach die berechtige Frage, warum ein Versicherungsmakler sich dann nicht auf diese geforderte Objektivität und damit auf eine Unabhängigkeit des Versicherungsmaklers berufen darf.
Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte wird weiter über dieses Verfahren berichten und über den Kanzlei-Newsletter über weitere wichtige Aspekte der Tätigkeit des Versicherungsmaklers hinweisen.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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