Erstattung der Heilbehandlungskosten bei einem Zungenkarzinom (OLG Celle)

Das Oberlandesgericht Celle hatte sich mit der Frage der medizinischen Notwendigkeit und damit einhergehen der Erstattung der Heilbehandlungskosten bei einem Zungenkarzinom zu befassen. Der Versicherungsnehmer hatte dabei eine Alternativbehandlung in Anspruch genommen und nicht auf die von der Schulmedizin vorgesehene Strahlentherapie zurückgegriffen (Hinweisbeschluss v. 05.12.2023 – 8 U 138/23).

Behandlung eines lymphogenen metastasierten Zungenkarzinoms

Im Fall vor dem OLG Celle machte die Ehefrau des verstorbenen Versicherungsnehmers Ansprüche aus einer Krankheitskostenversicherung gegen den Versicherer geltend.

Der Versicherungsnehmer litt seit 2020 an einem lymphogenen metastasierten Zungengrundkarzinom. Nach einer Strahlentherapie unterzog sich der Versicherungsnehmer weiteren Behandlungen, darunter eine Radiofrequenz-Tiefenhyperthermine-Applikationen, eine Insulin-potenzierte Chemotherapie sowie eine Infusion von Dexrazoxan. Dies sind alternative Heilbehandlungen, bei denen es sich – im Gegensatz zur Strahlentherapie – nicht um schuldmedizinisch anerkannte Methoden handelte. Durch diese Behandlungen entstanden Kosten in Höhe von rund 17.650 Euro.

Der Versicherer lehnte den Antrag auf Erstattung der Heilbehandlungskosten bei einem Zungenkarzinom ab. Daraufhin begehrte die Ehefrau des zwischenzeitlich verstorbenen Versicherungsnehmers zunächst vor dem Landgericht Stade (Urt. v. 01.06.2023 – 3 O 317/21) die Erstattung der Heilbehandlungskosten bei einem Zungenkarzinom. Sie behauptete, die Behandlungen wären medizinisch notwendig und daher bedingungsgemäß durch den Versicherer zu erstatten. Dies stützt sie darauf, dass der Versicherungsnehmer an einer in der Regel tödlich verlaufenden Krankheit litt und zielführende schuldmedizinische Behandlungsmethoden nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten. Der Versicherer hingegen argumentierte, dass die durchgeführten Behandlungen weniger erfolgsversprechend als andere zur Verfügung stehende Methoden seien. Zudem wären die durchgeführten Methoden nicht schulmedizinisch anerkannt.

Das LG Stade wies die Klage nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens ab. Es sah die Behandlungen weder als notwendig noch geeignet an, um den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers zu verbessern. Zudem hätten andere wirksame Heilmethoden zur Verfügung gestanden. Die Ehefrau des Versicherungsnehmers legte daraufhin vor dem OLG Celle Berufung ein.

Notwendigkeit von Heilbehandlungskosten bei einem Zungenkarzinom

Das OLG Celle beabsichtigte, die Berufung der Ehefrau des Versicherungsnehmers vollständig zurückzuweisen. Es war der Ansicht, dass die streitgegenständlichen Behandlungen nicht medizinisch notwendig im Sinne der Versicherungsbedingungen waren. Außerdem handelte es sich vorliegend auch nicht um erfolgsversprechende Alternativmethoden.

Behandlungen versprechen keinen Erfolg

Der Versicherer ist nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen leistungspflichtig, wenn eine medizinisch notwendige Heilbehandlung vorliegt. Die medizinische Notwendigkeit einer Behandlung ist grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn sich die Behandlungsmethode dazu eignet, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken (vgl. BGH Urt. v. 30.10.2013 – IV ZR 307/12).

Der Sachverständige führte aus, dass die am Versicherungsnehmer durchgeführten Behandlungen weder effizienzbasiert noch nachweisbar erfolgsversprechend waren. Zudem würden sie dem medizinischen Standard widersprechen. Die durchgeführten Therapien boten daher vorliegend keine Erfolgsaussichten und waren nicht zur Behandlung des lymphogen metastasierten Zungengrundkarzinoms geeignet.

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Voraussetzungen der Erstattung alternativer Behandlungsmethoden

Der Versicherer leistet über die schulmedizinisch anerkannten Methoden hinaus auch für solche Behandlungen, die sich in der Praxis als ebenso erfolgsversprechend bewährt haben oder angewandt werden, wenn keine schulmedizinischen Methoden zur Verfügung stehen. Für die Erkrankung des Versicherungsnehmers stand jedoch eine schulmedizinische Behandlungsmethode in Form einer Strahlentherapie zur Verfügung, welche zudem eine höhere Wirksamkeit als die von Versicherungsnehmer durchgeführte Behandlung aufweist. Die schuldmedizinische Behandlungsmethode war der vom Versicherungsnehmer gewählten Methode somit vorliegend sogar überlegen.

Die Notwendigkeit einer Alternativbehandlung kann sich jedoch bereits daraus ergeben, dass sie eine durch Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg bietet. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die Schulmedizin nur noch palliative Therapien anbietet, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet. Vorliegend standen dem Versicherungsnehmer jedoch nicht nur palliative Maßnahmen der Schulmedizin zur Verfügung. Die Strahlentherapie bot einen Überlebensvorteil und besaß eine nicht lediglich palliative, sondern vielmehr kurative Wirkung. Daher lässt sich nicht feststellen, dass für den Versicherungsnehmer die Notwendigkeit der Durchführung einer Alternativmethode ergab. Vorliegend bestand daher keine Notwendigkeit zur Durchführung der streitgegenständlichen Behandlungen.

Fazit

Die Heilbehandlungskosten bei einem Zungenkarzinom sind in der Regel nicht gerade gering. Der vorliegende Beschluss des OLG Celle zeigt, dass Versicherungsnehmer nicht immer auf eine Kostenerstattung ihrer Krankenversicherung hoffen können. Allerdings sind, gerade wenn die Schulmedizin nur eine palliative Therapie anbietet, die Hürden für die Notwendigkeit einer Heilbehandlung geringer als sonst. Daher kann es durchaus empfehlenswert sein, sich im Falle einer Ablehnung der Erstattung der Heilbehandlungskosten bei einem Zungenkarzinom des Versicherers durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen. Gerne stehen hierfür Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.

Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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