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Ablauf der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung (BGH)

Der BGH hat entschieden, dass der Versicherer sich nach Ablauf der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung auch dann auf eine Leistungsfreiheit berufen kann, wenn er den Versicherungsnehmer mit der Leistungsablehnung nicht über den drohenden Ablauf der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung hingewiesen hat (BGH, Urteil vom 30.11.2005 – IV ZR 154/04).

Invalidität nach Autounfall?

Der Versicherungsnehmer unterhielt eine Unfallversicherung. Infolge eines Autounfalls im November 1999 verlangte er Invaliditätsleistungen vom Versicherer. Der Versicherungsnehmer behauptete, infolge des Verkehrsunfall eine plötzlich eintretende Kreislaufschwäche erlitten zu haben.

Laut den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB), die dem Vertrag zugrunde lagen, muss die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sowie spätestens vor Ablauf der Frist von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein.

Der Versicherer lehnte den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Invaliditätsleistungen ab. Dabei stützte der Versicherer sich darauf, dass der Unfall auf einer Kreislaufschwäche des Versicherungsnehmers beruhe, die bereits vor dem Unfallereignis vorlag. Diese sei als den Versicherungsschutz ausschließende Bewusstseinsstörung einzustufen. Darüber hinaus habe der Versicherungsnehmer eine Invaliditätsfeststellung und Geltendmachung innerhalb der Frist von 15 Monaten nicht veranlasst.

Hiergegen klagte der Versicherungsnehmer zunächst vor dem Landgericht Frankfurt. Dieses wies die Klage jedoch ab. (LG Frankfurt/Main, Urteil vom 25.09.2003 – 2/12 O 312/02). Auch die Berufung des Versicherungsnehmers vor dem Oberlandesgericht Frankfurt blieben ohne Erfolg (OLG Frankfurt, 17.06.2004 – 3 U 217/03).

Invaliditätsleistung trotz Fristversäumnis?

Der BGH entschied, dass sich der Versicherer auf das Fehlen einer fristgerechten ärztlichen Invaliditätsfeststellung berufen kann, auch wenn er den Versicherungsnehmer nicht rechtzeitig vor Ablauf der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung auf deren Fehlen hingewiesen hat. Dies kann dadurch begründet werden, dass dem Versicherer bis zu diesem Zeitpunkt keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein unfallbedingter Dauerschaden nahe liege.

Invaliditätsfeststellung bei Leistungsablehnung

Der BGH teilte zunächst nicht die Ansicht, dass es nach einer Leistungsablehnung des Versicherers nicht mehr auf die Einhaltung der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung ankäme. Dies gilt insbesondere, wenn der Versicherungsnehmer, wie auch hier, auf den Weg der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche verwiesen wurde. Das Erfordernis einer fristgerechten ärztlichen Invaliditätsfeststellung ist eine Anspruchsvoraussetzung, deren Nichtvorliegen nicht entschuldigt werden kann (siehe hierzu: OLG Dresden zum Inhalt der ärztlichen Invaliditätsfeststellung in der Unfallversicherung). Auch eine Leistungsablehnung durch den Versicherer ändert nichts daran, dass der Anspruch nicht entsteht, wenn die Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung nicht gewahrt wird (siehe hierzu: OLG Jena zur Auslegung eines ärztlichen Attests für die Invaliditätsfeststellung der Unfallversicherung).

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Hinweispflicht des Versicherers bezüglich Ablaufs der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung

Im Einzelfall kann eine Belehrung des Versicherers bezüglich der Einhaltung der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung geboten sein. Dies ist anzunehmen, wenn sich die Berufung des Versicherers auf den Ablauf der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung als rechtsmissbräuchlich erweist. Ein solcher Einzelfall liegt etwa dann vor, wenn der Versicherungsnehmer hinsichtlich der Rechtsfolgen eines Fristversäumnis einen Belehrungsbedarf äußert, der Versicherer eine solche Belehrung aber gleichwohl unterlässt.

Dies ist beispielsweise aber auch der Fall, wenn der Versicherungsnehmer Invaliditätsansprüche rechtzeitig geltend macht, seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahelegen, die ärztliche Invaliditätsfeststellung hingegen noch fehlt. Ebenso kommt in Betracht, dass der Versicherer nach Geltendmachung der Ansprüche von sich aus innerhalb der Frist ein ärztliches Gutachten zur Feststellung der Invalidität einholt, ohne den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er selbst für die Einhaltung der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung zu sorgen hat. Auch in diesem Fall hätte der Versicherer eine Pflicht zur Belehrung des Versicherungsnehmers über die Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung.

Ein solcher Ausnahmefall lag hier jedoch nach Ansicht des BGH nicht vor. Im Zeitpunkt der Leistungsablehnung war die Frist von 15 Monaten längst nicht abgelaufen. Daher ergab sich für den Versicherer kein Anlass, den Versicherungsnehmer zeitgleich mit der Leistungsablehnung auf den Ablauf dieser Frist hinzuweisen. Der BGH schloss sich daher den Vorinstanzen an, die die Klage mit Recht abgewiesen haben.

Fazit

Das Urteil des BGH verdeutlicht, dass Versicherungsnehmer selbst für die Einhaltung der Fristen in der Unfallversicherung verantwortlich sind (siehe hierzu: OLG Dresden zur Wirksamkeit der Fristen für Invaliditätsleistungen in der Unfallversicherung). Insbesondere die Frage, ob die Feststellung der Invalidität durch den Arzt rechtzeitig sowie ausreichend begründet erfolgte stellt häufig den Streitgegenstand juristischer Auseinandersetzungen dar (siehe hierzu: OLG Stuttgart zum Beweis der Invalidität in der Unfallversicherung). Bei Ablauf der Frist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung muss der Versicherer grundsätzlich nicht leisten. Ausnahmen hiervon ergeben sich möglicherweise bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten des Versicherers. Ob eine solche Ausnahmeregelung greift, ist jedoch stets anhand des Einzelfalls zu prüfen. Daher empfiehlt es sich, frühzeitig juristische Beratung durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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