Fluguntauglichkeit in der Krankentagegeldversicherung (OLG Frankfurt a. M.)

Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. hatte sich mit der Frage zu befassen, ob eine Fluguntauglichkeit in der Krankentagegeldversicherung zum Eintritt eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls führt (OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 01.03.24, Az.: 7 U 96/20).

Eintritt des Versicherungsfalls?

Der Versicherungsnehmer unterhielt bei dem Versicherer eine private Krankentagegeldversicherung. Eine Leistungspflicht des Versicherers wurde ab dem 43. Tag einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit vereinbart. Zusätzlich wurden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Tarifbedingungen in den Vertrag einbezogen. Unter anderem enthielt das Vertragswerk in § 1 Teil II Abs. 3 MB/KT Bestimmungen zu fliegendem Personal. Die genannte Klausel bestimmte, dass bei fliegendem Personal (Piloten, Kabine) die Fluguntauglichkeit gleichbedeutend mit einer Arbeitsunfähigkeit sei.

Der Versicherungsnehmer war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags als Flugkapitän tätig (siehe auch weitergehend: Zur krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eines Piloten (LG Dortmund)). Nachfolgend machte der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer einen Anspruch auf Krankentagegeld für den Zeitraum vom 25.10.2017 bis zum 15.12.2017 aufgrund einer Beinvenenthrombose geltend. Zuvor hatte der Versicherer bereits für den Zeitraum vom 07.09.2017 bis zum 25.10.2017 geleistet. Für den weiterführenden Zeitraum verweigerte der Versicherer aber die Leistung, da er angab, dass zu diesem Zeitraum keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorgelegen habe. Eine Fluguntauglichkeit wurde jedoch vom Luftfahrtbundesamt (im Weiteren: LBA) für den gesamten Zeitraum bestätigt.

Gegen diese Leistungsentscheidung des Versicherers erhob der Versicherungsnehmer Klage vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Das Landgericht gab der Klage überwiegend statt (LG Frankfurt am Main, Urt. v. 06.04.2020 – 2-30 O 288/19). Dagegen richtete sich die Berufung des Versicherers vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Entscheidung zugunsten des Versicherers?

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main gab der Berufung des Versicherers teilweise statt und bejahte einen Anspruch auf Krankentagegeld nur für den Zeitraum vom 26.10.2017 bis zum 03.12.2017.

Beweis der Fluguntauglichkeit!

Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. stellte zunächst fest, dass im Zuge der Beweisaufnahme festgestellt worden sei, dass der Versicherungsnehmer bis einschließlich 03.12.2017 fluguntauglich im Sinne der vereinbarten Bedingungen gewesen sei. Ein Beweis der Flugtauglichkeit in der Krankentagegeldversicherung könne zwar nicht allein durch die Bescheinigung des behandelnden Arztes bewiesen werden. Eine Bestätigung der Fluguntauglichkeit sei aber durch eine flugmedizinische Sachverständige Ärztin überzeugend erfolgt.

Es sei jedoch nicht der Auffassung des Versicherers zu folgen, der Versicherungsnehmer sei ab dem 01.08.2017 bereits austherapiert und spätestens ab dem 25.10.2017 wieder arbeitsfähig und damit flugtauglich gewesen. Entgegen dieser Annahme ende der Versicherungsfall nicht, wenn aus medizinischer Sicht keine Arbeitsunfähigkeit mehr vorliege. Sondern aufgrund der Gleichstellung der Arbeitsunfähigkeit mit der Flugtauglichkeit erst, wenn keine Fluguntauglichkeit mehr vorliege (siehe auch differenzierend: Fluguntauglichkeit gleichbedeutend mit Arbeitsunfähigkeit? (OLG Köln)).

Für eine Wiederherstellung der Flugtauglichkeit habe es nicht nur der Ausheilung der Erkrankung bedurft, auch eine behördliche Bescheinigung des LBA hätte vorliegen müssen. Das entsprechende Zeugnis sei aber erst ab dem 04.12.2017 ausgestellt worden.

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Fluguntauglichkeit in der Krankentagegeldversicherung

Nachfolgend beschäftigte sich das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. mit der Auslegung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Diese seien so auszulegen, dass ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehe. Zusätzlich komme es noch auf die spezielle Versicherung und den betroffenen Personenkreis an (siehe auch weitergehend: Krankentagegeldversicherung: Zur krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eines Piloten (LG Dortmund)).

Im vorliegenden Fall handele es sich bei dem betroffenen Personenkreis um Piloten. Dementsprechend sei im Hinblick auf das Fachwissen der Piloten davon auszugehen, dass sich der Begriff der Flugtauglichkeit in der Krankentagegeldversicherung auf die festgelegten Bedingungen beziehe, die ein Pilot aufweisen müsse, um zum Führen eines Flugzeugs berechtigt zu sein. Da Piloten in ihrem Beruf ein besonderes Maß an Verantwortung für ihre Mitmenschen tragen, bedürfe es neben der medizinischen Überprüfung noch einer behördlichen Genehmigung der Flugtauglichkeit. Ohne eine solche behördliche Genehmigung könne ein Berufspilot nicht fliegen und sei infolgedessen arbeitsunfähig. Infolgedessen stehe dem Versicherungsnehmer aufgrund einer Fluguntauglichkeit in der Krankentagegeldversicherung ein Anspruch auf vertragsgemäße Leistung bis einschließlich 03.12.2017 zu.

Fazit und Hinweise für die Praxis

Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. zeigt, dass bei einer Fluguntauglichkeit in der Krankentagegeldversicherung auch grundsätzlich von einer Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers auszugehen ist, da dieser ohne eine entsprechende behördliche Bestätigung der Flugtauglichkeit nicht in der Lage ist, seiner Tätigkeit nachzugehen. Hierzu muss jedoch die vorgenannte Klausel vereinbart worden sein.

Der vorliegende Fall zeigt, dass bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen auch immer auf den betroffenen Personenkreis und die konkrete Versicherungsbedingung geachtet werden sollte. Dieser Aspekt legt nahe, dass eine fachanwaltliche Überprüfung des Versicherungsvertrages und des Versicherungsfalls unabdingbar ist, um die Leistungsverpflichtung des Versicherers im Einzelfall zu überprüfen. Um Unsicherheiten und Probleme bei der Antragstellung von Anfang an zu vermeiden, sollte frühestmöglich ein Fachanwalt für Versicherungsrecht hinzugezogen werden.

Hinweis zum Verfahrensgang: Zu diesem Verfahren ist eine Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) unter dem Aktenzeichen anhängig. Die Zulassung der Revision ist in Hinblick auf die abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 17.12.2019, Az. 9 U 195/18) hinsichtlich der Auslegung der Klausel zur Fluguntauglichkeit gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO veranlasst gewesen.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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