Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte zu entscheiden, wie der Umfang des Auskunftsanspruchs nach § 15 DSGVO zu bemessen ist (BGH, Urteil v. 16.04.2024 – VI ZR 223/21).
Die Versicherungsnehmerin unterhielt bei dem Versicherer eine Rentenversicherung. Der Versicherungsvertrag wurde 2004 abgeschlossen und im Jahr 2016 von der Versicherungsnehmerin gekündigt. Nachfolgend begehrte die Versicherungsnehmerin von ihrem Versicherer Auskünfte, Abschriften von Erklärungen und Kopien von Daten in Bezug auf die Rentenversicherung. Die entsprechenden Informationen verlangte die Versicherungsnehmerin, um ein mögliches Widerrufsrecht überprüfen zu können. Sie berief sich dabei auf das Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO:
Der Versicherer kam dem Ersuchen der Versicherungsnehmerin zunächst teilweise nach und gab der Versicherungsnehmerin Auskünfte über ihre personenbezogenen Daten (Name, Anschrift, Geburtsdatum, E-Mail-Adresse, Bankverbindung, Staatsangehörigkeit, Familienstand, Gesundheitsdaten). Weitere Auskünfte des Versicherers betrafen die Summe der gezahlten Beiträge. Die Versicherungsnehmerin hielt diese Angaben in Bezug auf den Umfang des Auskunftsanspruchs nach § 15 DSGVO nicht für ausreichend und begehrte weitere Auskünfte über die Speicherung der:
Ihre Ansprüche machte die Versicherungsnehmerin zunächst vor dem Landgericht Stuttgart geltend. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht Stuttgart (LG Stuttgart, Urt. v. 04.11.2020 – 18 O 333/19) ging die Versicherungsnehmerin vor dem Oberlandesgericht Stuttgart in Berufung. Das Oberlandesgericht Stuttgart ließ die Berufung jedoch nur in Teilen zu (OLG Stuttgart, Urt. v. 17.06.2021 – 7 U 419/20). Dagegen ging die Versicherungsnehmerin vor dem Bundesgerichtshof in Revision. Der BGH setzte das Verfahren zunächst aus (BGH, Beschluss v. 31.05.2022 – VI ZR 223/21), um eine Entscheidung des EuGH über die dort anhängigen Verfahren C-487/21 bzw. C-307/22 abzuwarten. Die durch den EuGH entschiedenen Verfahren sind nachfolgend besprochen worden:
Der BGH gab der Revision so dann in Teilen statt. Zudem verwies er weitere Teile unter Aufhebung des Urteils des Oberlandesgerichts an dieses zurück.
Der BGH stellte zunächst fest, dass die Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf Überlassung von ihr persönlich verfassten Abschriften nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO habe.
Weiterhin lege Art. 15 Abs. 3 DSGVO die Modalitäten fest, die für die Erfüllung des Anspruchs auf Auskunft über personenbezogene Daten nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO erforderlich seien. Demnach sei dem Anspruchssteller eine Kopie der personenbezogenen Daten zu erstellen. Damit sei keine Kopie des gesamten Dokuments gemeint, sondern lediglich der speziellen personenbezogenen Daten. Anderes gelte aber bezüglich des Umfangs des Auskunftsanspruchs nach § 15 DSGVO, wenn die Kopie des gesamten Dokuments für die Vollständigkeit der Auskunft unerlässlich sei.
Der Anspruch der Versicherungsnehmerin auf Kopien von Buchungsvorgängen und den entsprechenden Erklärungen des Versicherers könne nicht nach den vom Oberlandesgericht vorgebrachten Argumenten bezüglich des Umfangs des Auskunftsanspruchs nach § 15 DSGVO abgelehnt werden. Zwar würden die Buchungsvorgänge nur passagenweise personenbezogene Daten der Versicherungsnehmerin enthalten, jedoch könne bei einer Erforderlichkeit der Kontextualisierung auch eine gesamte Kopie des Dokuments erfolgen. Da es sich bei dem Gesichtspunkt der Kontextualisierung um einen neuen Aspekt handele, der erst kürzlich vom EuGH entschieden worden sei (siehe oben), müsse der Versicherungsnehmerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dieser Teil des Anspruchs müsse demnach an das Oberlandesgericht Stuttgart zurückverwiesen werden.
Hingegen bestehe kein Anspruch der Versicherungsnehmerin auf Auskunft über erzielte Fondsgewinne, die Höhe der aus der Versicherungsprämie entnommenen Verwaltungs-, Vertriebs- und Abschlusskosten, riskiertes Kapital, die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und/oder des tatsächlichen Werts des Risikoschutzes. Ein Anspruch bestehe schon nicht, da die geforderten Auskünfte keinen Personenbezug zur Versicherungsnehmerin aufweisen würden.
Das Urteil des BGH zeigt, dass bezüglich des Umfangs des Auskunftsanspruchs nach § 15 DSGVO bestimmte Besonderheiten zu beachten sind. Grundsätzlich sind von dem Auskunftsrecht nicht die Kopie von gesamten Dokumenten erfasst, sondern nur solche Passagen, die personenbezogenen Daten enthalten. Ist die Kopie des gesamten Dokuments aber für den Zusammenhang unerlässlich, so kann dies vom Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO erfasst sein.
Verweigert der Versicherer dennoch die Übermittlung von Auskünften von personenbezogenen Daten oder erteilt diese nur ungenügend, so kann die Beratung durch einen Rechtsanwalt durchaus hilfreich sein. Weitere interessante Artikel sind wie nachfolgend zu finden: Auskunftsanspruch im Datenschutzrecht sowie Datenschutz/IT-Recht.
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.
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