Versicherung zahlt nicht bei Autodiebstahl Rechtsanwalt

Indizien für vorgetäuschten Fahrzeugeinbruch (LG Bochum)

Das Landgericht Bochum hatte darüber zu entscheiden wann Indizien ausreichen können, u von einem vorgetäuschten Fahrzeugeinbruch ausgehen zu können und einen Versicherungsschutz in der Kaskoversicherung auszuschließen (Urt. v. 29.03.2023 – 4 O 228/21).

Vorgetäuschter Fahrzeugeinbruch

In dem Fall vor dem LG Bochum begehrte der Versicherungsnehmer Leistungen aus einer Kasko-Versicherung. Er unterhält beim Versicherer eine Kraftfahrtversicherung unter Einschluss einer Teilkasko-Versicherung.

Der Versicherungsnehmer behauptete, dass aus dem versicherten Fahrzeug Teile gestohlen wurden. Konkret behauptete er, am 04.10.2020 mit seinem Fahrzeug zum Zwecke einer Montagetour auf dem Weg zu seinem Arbeitgeber, bei dem er als Lkw-Fahrer beschäftigt war, gewesen zu sein. Auf dem Weg dorthin bemerkte er einen Reifenschaden an seinem Fahrzeug, weshalb er umgehend angehalten und dieses abgestellt habe. Er entschied sich, das Fahrzeug während der Montagezeit dort zu belassen und die weitere Vorgehensweise im Laufe der Montageabwesenheit zu veranlassen. Am 07.10.2020 habe der Versicherungsnehmer einen Anruf der Bochumer Polizei erhalten, die ihm mitteilte, dass in seinen Pkw eingebrochen worden sei. Dabei seien unter anderem ein Digitaltacho, ein Lenkrad-Airbag, ein Display-Navi und ein Klimabedienteil entwendet worden. Zugriff hätten sich die Diebe verschafft, indem sie das Seitenfenster der rechten vorderen Fahrzeugtür einschlugen.

Der Versicherer zweifelte an dem geschilderten Sachverhalt und lehnte die Schadensregulierung ab. Nachdem auch ein außergerichtliches Forderungsschreiben nicht zu einer Regulierung des Versicherungsfalles führte, erhob er vor dem LG Bochum Klage.

Der Versicherer behauptet unter Berufung auf ein Privatsachverständigengutachten über die Auslesung der Fehlerspeicher, dass die „entwendeten“ Komponenten schon lange vor dem vom Versicherungsnehmer angegebenen Zeitraum mit einem nachgewiesenen Schlüssel ausgebaut worden seien. Dies ergebe sich aus entsprechenden Fehlermeldungen, die bereits vor dem behaupteten Fahrzeugeinbruchs in der Elektronik des Fahrzeugs hinterlegt waren.

Außerdem sei das behauptete Bild eines Fahrzeugeinbruchs über das Einschlagen der Scheibe mit einem anschließenden Öffnen der Fahrzeugtüren nicht stimmig. Das Fahrzeug verfüge über die sogenannte „Safelock-Funktion“, sodass die Täter, sofern das Fahrzeug ordnungsgemäß verschlossen wurde, nach dem Einschlagen der Scheibe nicht mehr durch das Öffnen der Tür hätten eindringen können. Dies widerspreche der Darstellung des Versicherungsnehmers und liefere Indizien für einen vorgetäuschten Fahrzeugeinbruch.

Rechtsanwalt für Versicherungsrecht

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Fehlerspeicherprotokolle und Sachverständigengutachten als Indizien für vorgetäuschten Fahrzeugeinbruch

Das LG Bochum wies die Klage des Versicherungsnehmers ab. Nach Auffassung des LG Bochum seien die Fehlerspeichereinträge, sowie die Beurteilung durch einen Sachverständigen als Indizien für einen vorgetäuschten Fahrzeugeinbruch hinreichend.

Auslesung der Fehlerspeicherprotokolle

Das vom Versicherer eingeholte Gutachten zur Ermittlung der Schadenshöhe ergab, dass die streitgegenständlichen Komponenten bereits am 23.09.2020 beziehungsweise 03.10.2020, das heißt außerhalb des vom Versicherungsnehmer angegebenen möglichen Tatzeitraums ausgebaut wurden. Dies basiert auf der Auslesung der Fehlerspeichereinträge, die nebst Begleitdaten im Zusammenhang mit dem Ausbau der angeblich entwendeten Komponenten in der Elektronik des Fahrzeugs gespeichert werden. Die Fehlermeldungen sind in den Fehlerspeicherprotokollen bereits am 23.09.2020 und 03.10.2020 gespeichert. Schon diese technischen Daten deuten darauf hin, dass der Ausbau der angeblich gestohlenen Teile zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte.

Widersprüchlicher Klagevortrag

Nach dem Ergebnis des Gutachtens lassen sich technische Indizien feststellen, die nicht mit dem vom Versicherungsnehmer geschilderten Geschehen in Einklang zu bringen sind. Der Versicherungsnehmer behauptete, die Diebe hätten sich gewaltsam Zugang zum Fahrzeug verschafft, indem sie das Fahrzeugfenster einschlugen. Dies stand einerseits im Widerspruch zu den technischen Daten des Fahrzeugs, beispielsweise der „Safelock-Funktion“, die ein Öffnen der Tür nach dem Einschlagen der Scheibe verhindert hätte.

Andererseits wurden im Fahrzeug gespeicherte Daten, wie die Motordrehzahl herangezogen. Beim Ausbau des Kombiinstruments konnte anhand der Fehlerspeicherprotokolle eine Motordrehzahl ausgelesen werden. Dies bedeutet, dass der Ausbau bei laufendem Motor, das heißt, bei Vorhandensein des Fahrzeugschlüssels erfolgte. Darin liegt ein weiterer Widerspruch zum Vortrag des Versicherungsnehmers, nach dem die Täter durch das Einschlagen der Seitenscheibe in das Fahrzeug eingedrungen sein sollen. Dies ließe sich nicht plausibel erklären, wenn doch vor Ort ein Fahrzeugschlüssel vorhanden war, so das LG Bochum.

Es zeigt sich, dass der Ausbau der Fahrzeugteile vorliegend zu einem anderen Zeitpunkt stattgefunden haben mussten. Vor diesem Hintergrund erachtete das LG Bochum die Darstellung des Versicherungsnehmers als unglaubwürdig und ging von einem vorgetäuschten Fahrzeugeinbruch aus.

Fazit und Hinweise

Die Entscheidung des LG Bochum unterstreicht die Relevanz technischer Beweise und Sachverständigengutachten in juristischen Auseinandersetzungen. Im Versicherungsrecht geht es oftmals um Fälle, in denen es auf die Glaubwürdigkeit der Beteiligten ankommt. Die zentrale Frage ist hierbei häufig, ob der zu einer finanziellen Forderung gegen den Versicherer führende Schadensfall tatsächlich eingetreten ist (siehe auch OLG Dresden: Beweis eines Autodiebstahls in der Kfz-Versicherung und OLG Saarbrücken: Nachweis der Entwendung in der Kfz-Versicherung). Hierbei können technische Beweismittel, insbesondere wie hier, die Auslesung der Fehlerprotokolle aus der Fahrzeugelektronik eine entscheidende Rolle spielen, da sie Aufschluss darüber liefern können, ab wann Teile eines Fahrzeugs tatsächlich nicht mehr vorhanden waren. Die rechtlichen Konsequenzen hängen dabei von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. Daher ist es empfehlenswert, sich bei Problemen oder rechtlichen Fragen durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen (siehe auch: Versicherung zahlt nicht nach Autodiebstahl?).

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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