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Kausalitätsnachweis bei unfallbedingter Invalidität (OLG Saarbrücken)

Das OLG Saarbrücken hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der Kausalitätsnachweis bei unfallbedingter Invalidität erbracht wurde (Urt. v. 05.08.2022 – 5 U 97/20).

Invaliditätsfeststellung durch ärztliches Attest

Im Fall vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken begehrte der Versicherungsnehmer infolge eines Unfalls Leistungen aus einer Unfallversicherung. Er war im Januar 2016 auf einem glatten Bahnsteig ausgerutscht und dabei auf die rechte Hand gestürzt. Dabei erlitt der Versicherungsnehmer einen Bänderriss an der Handwurzel und meldete den Unfall schließlich im September 2016 beim Versicherer.

Im März 2017 erstellte der behandelnde Arzt ein „Attest zur Vorlage bei der Unfallversicherung“. Darin heißt es „bei dem Unfall vom 21.01.2016 hat sich [der Versicherungsnehmer] eine Verletzung des rechten Handgelenkes zugezogen. Hieraus resultiert ein Dauerschaden, der ab sofort auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet gutachterlich beurteilt werden kann.“

Der Versicherer wies den Leistungsantrag mit Verwies darauf zurück, dass eine Verursachung des Bänderrisses durch den Unfall nicht nachgewiesen worden sei. Zudem wies der Versicherer auf eine nach dem Röntgenbefund vorliegende starke Arthrose und vorbestehende Beschwerden des Versicherungsnehmers am rechten Handgelenk hin.

Der Versicherungsnehmer erhob daraufhin zunächst vor dem Landgericht Saarbrücken Klage gegen den Versicherer (Az.: 14 O 309/19). Der Versicherer bestritt indem Verfahren das Vorliegen einer durch den Sturz des Versicherungsnehmers eingetretenen Primärverletzung. Die festgestellte Erkrankung müssten keineswegs zwingend durch einen Unfall verursacht worden sein. Beim Versicherungsnehmer hätten ohnehin seit vielen Jahren Beschwerden des Handgelenks vorgelegen (siehe hierzu: OLG Karlsruhe zur Mitwirkung von Vorerkrankungen in der Unfallversicherung). Zudem ist der Versicherer der Auffassung, das ärztliche Attest sei zur fristgerechten Feststellung des Invaliditätseintritts nicht geeignet, da es keine Aussage dazu treffe, ob die Invalidität binnen eines Jahres nach dem behaupteten Unfall eingetreten sei.

Das LG Saarbrücken folgte der Argumentation des Versicherers und wies die Klage ab, da das Attest nicht ausreichend sei, um den Kausalitätsnachweis bei unfallbedingter Invalidität zu erbringen. Hiergegen ging der Versicherungsnehmer in Berufung und das OLG Saarbrücken hatte über den Fall zu entscheiden.

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Kein Anspruch auf Invaliditätsleistung

Das OLG Saarbrücken entschied, dass vorliegend ein auf das Unfallereignis zurückzuführender Dauerschaden nicht nachgewiesen sei und daher kein Anspruch des Versicherungsnehmers aus der Unfallversicherung bestehe.

Inhalt der ärztlichen Invaliditätsfeststellung ausreichend

Die Ansprüche des Versicherungsnehmers scheitern nicht bereits am Fehlen einer inhaltlich ausreichenden Feststellung unfallbedingter Invalidität durch den Arzt. Die von Versicherungsnehmer vorgelegte ärztliche Invaliditätsfeststellung entspricht den sich aus den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) ergebenden Anforderungen. Demnach muss die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sein und innerhalb von 18 Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht werden. Das ist hier geschehen. Eine Berufung des Versicherers auf die Unzulänglichkeit des Attests des behandelnden Arztes und damit auf das Fehlen einer rechtzeitigen ärztlichen Feststellung verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), so das OLG Saarbrücken.

Kausalitätsnachweis bei unfallbedingter Invalidität nicht erbracht

Der gerichtlich bestellte Sachverständige konnte jedoch einen kausal auf das Unfallereignis zurückzuführenden Erstschaden nicht mit ausreichender Gewissheit feststellen. Die Beweislast zur Feststellung unfallbedingter Invalidität trägt der Versicherungsnehmer. Der Nachweis einer durch das Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung scheitert hier jedoch maßgeblich daran, dass erst mehr als ein halbes Jahr nach dem Unfall eine bildgebende Diagnostik durchgeführt wurde. Ein Erstbefund, der auf ein akutes Verletzungsereignis hinweisen könnte, konnte nicht gesichert und beurteilt werden.

Eine Bandverletzung im Bereich der Handwurzelknochen wurde lediglich als mögliche Unfallfolge beschrieben. Eine weitergehende oder konkretere Aussage hierzu wäre nur möglich, wenn eine zeitnah nach dem Unfall angefertigte Bildgebung vorgelegen hätte. Hieran fehlte es jedoch, sodass der diagnostizierte Zustand auch schon vor dem Unfall hätte bestehen können. Somit ist der Nachweis für einen strukturellen ersten Körperschaden an der rechten Hand nicht erbracht.

Ebenso wenig konnte beweissicher festgestellt werden, dass das Unfallereignis auf eine vorbestehende Arthrose nur akzentuierend oder aktivierend gewirkt hat, ohne einen zusätzlichen eigenständigen Schaden zu verursachen. Auch hier wäre die Kausalität des Unfallgeschehens für die Gesundheitsbeeinträchtigung zu bejahen, wenn bei dem Vorfall einwirkenden Kräfte zu dieser Aktivierung einer zuvor klinisch stummen Arthrose oder – bei schon vorbestehenden Beschwerden – zu deren Verschlimmerung geführt hätten. Dies ist jedoch vorliegend nicht erwiesen. Selbst unter der Annahme, die Schilderung des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Entwicklung seiner Beschwerden zutreffend seien, hat der Sachverständige lediglich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gesehen, dass das Unfallgeschehen die Entwicklung der vorbestehenden Arthrose im Sinne einer Akzentuierung beeinflusst hat. Dies genügt nicht für den Kausalitätsnachweis bei unfallbedingter Invalidität. Somit ist dem Versicherungsnehmer der Beweis eines unfallbedingten Gesundheitsschadens nicht gelungen.

Fazit

Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast zur Feststellung unfallbedingter Invalidität (siehe auch OLG Dresden: Nachweis der unfallbedingten Invalidität). Die Beurteilung der Invalidität führt in der Praxis wiederholt zu juristischen Auseinandersetzungen. Die Schwierigkeit der Beweisführung wurde in der Vergangenheit in ähnlichen Fällen, wie beispielswiese vor dem OLG Stuttgart (OLG Stuttgart: Beweis der Invalidität in der Unfallversicherung) verdeutlicht. Lehnt der Versicherer die Erbringung einer Invaliditätsleistungen ab, kann es daher durchaus empfehlenswert sein, sich durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow

Rechtsanwalt Reichow ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Er betreut vor Allem Verfahren im Versicherungsrecht, zur Haftung von Versicherungsvermittlern und Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterrecht. Nähere Angaben zu Jens Reichow finden Sie unter folgendem Anwaltsprofil:

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