Das OLG Köln hatte sich mit der Frage der Wirksamkeit einer Klauselersetzung in der Krankentagegeldversicherung zu befassen (OLG Köln, Urt. v. 27.02.2024 – 9 U 40/23).
In dem Fall vor dem OLG Köln erhielt der Versicherungsnehmer aufgrund einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit Leistungen aus seiner Krankentaggeldversicherung. Seit dem 01.04.2017 erhielt er ein Krankentagegeld in Höhe von rund 200 Euro.
Die Versicherungsbedingungen der Krankentagegeldversicherung sahen eine Regelung zur Anpassung des Krankentagegeldes bei einer Reduzierung des Einkommens des Versicherungsnehmers vor. Die dem Vertrag ursprünglich zugrunde liegende Klausel hat der BGH indes als unwirksam betrachtet (Urt. v. 06.07.2016 – IV ZR 44/15).
Im Juni 2018 wurde der Versicherungsnehmer daher schriftlich über die Abänderung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen benachrichtigt. Gegenstand dieser Änderung war die Ersetzung einer für unwirksam erklärten Klausel zur Herabsetzung des Krankentagegeldes bei gesunkenem Nettoeinkommen durch eine klarere Regelung.
Nach einer Überprüfung des Krankentagegeldsatzes durch den Versicherer im Jahr 2020, stellte dieser fest, dass das Nettoeinkommen des Versicherungsnehmers niedriger war als das versicherte Krankentagegeld. Daher reduzierte der Versicherer das vertragliche Krankentagegeld auf der Grundlage der neuen Vertragsklausel mit Schreiben vom 11.03.2020 ab dem 01.05.2020 auf einen Betrag von rund 175 Euro.
Der Versicherungsnehmer widersprach der Reduzierung des Krankentagegeldsatzes mit Schreiben vom 16.03.2020 und forderte den Versicherer auf, den Vertrag unverändert fortzuführen. Er vertritt die Ansicht, dass die Ersetzung der Klausel durch den Versicherer unwirksam sei. Er beruft sich dabei auf die unzumutbare Härte der Klausel und vertritt die Auffassung, dass die neue Klausel inhaltsgleich zur vorherigen intransparenten Klausel sei.
Das Landgericht Köln (Urt. v. 11.01.2023 – 23 O 168 /21) entschied zu Gunsten des Versicherungsnehmers und erklärte, die Herabsetzung des Krankentagegeldes für unwirksam. Der Versicherer ging daraufhin vor dem OLG Köln in Berufung und macht geltend, zur Klauselersetzung berechtigt gewesen zu sein. Er ist der Auffassung, die neue Klausel sei wirksam Bestandteil der Krankenhaustagegeldversicherung geworden.
Das OLG Köln entschied, dass die unwirksame Klausel vorliegend wirksam durch die Neufassung ersetzt wurde und der Versicherer auf dieser Grundlage das Krankentagegeld reduzieren konnte.
Der Versicherer ist berechtigt, eine durch höchstrichterliche Rechtsprechung oder durch bestandskräftigen Verwaltungsakt für unwirksam erklärte Klausel, durch eine neue Regelung zu ersetzen. Darüber hinaus liegt die Berechtigung zur Klauselersetzung vor, wenn das Festhalten an dem Vertrag ohne die neue Regelung für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellt. Die Notwendigkeit ergibt sich hier vorliegend daraus, dass andernfalls eine vertragliche Regelungslücke besteht. Eine Regelungslücke liegt insbesondere dann vor, wenn Leistungspflichten und Ansprüche der Parteien oder andere wesentliche Vertragselemente betroffen sind. Die Klauselersetzung ist hier notwendig, damit die Versicherung auf eine Minderung des Nettoeinkommens des Versicherungsnehmers reagieren und das entsprechende Krankentagegeld anpassen kann.
Daneben müsse die neue Regelung zur Fortführung des Vertrages notwendig im Sinne des § 164 VVG sein. Auch dies sei in dem vorliegenden Fall jedoch gegeben. Würde die Klausel vorliegend ersatzlos wegfallen, bestünde die Gefahr, dass das Krankentagegeld den regulären Verdienst des Versicherungsnehmers deutlich übersteigt. Der Versicherungsnehmer hätte dadurch die Möglichkeit, ein höheres Einkommen zu erzielen, als er in gesunden Tagen tatsächlich erwirtschaften würde. Ein solcher „Überverdienst“ würde dem Sinn und Zweck der Krankentagegeldversicherung als Verdienstausfallversicherung widersprechen, so das OLG Köln.
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Das OLG Köln entschied zudem, dass die neue Klausel die Belange des Versicherungsnehmers angemessen berücksichtigt. An einer solchen angemessenen Berücksichtigung fehlt es jedenfalls dann, wenn schutzwürdige Interessen der Versicherungsnehmer unangemessen beeinträchtigt werden. Dies ist insbesondere bei einer Schlechterstellung des Versicherungsnehmers infolge der Neuregelung anzunehmen. Dabei ist auf die Wahrung des Vertragsziels abzustellen.
Die Neuregelung berücksichtigt hingegen die Belange des Versicherers im Hinblick auf das Vertragsziel in angemessener Weise. Ohne die Neuregelung würde ein Ungleichgewicht zu Lasten des Versicherers entstehen. Bereits die ursprüngliche Regelung sah vor, dass das Krankentagegeld das berufliche Nettoeinkommen nicht übersteigen durfte und das Krankentagegeld entsprechend herabgesetzt werden darf. Die Anpassung hat keinen Einfluss auf die dem Versicherungsnehmer bekannte Grundstruktur des Vertrages. Dem Versicherungsnehmer entsteht kein Nachteil, weil er nicht weniger erhält, als bereits nach ursprünglichen vertraglichen Vereinbarungen gewollt und vereinbart. Entgegen der Auffassung des Versicherungsnehmers ist dessen Besserstellung hier nicht erforderlich.
Das OLG Köln stuft die neue Klausel – entgegen der Auffassung des Versicherungsnehmers – nicht als inhaltsgleich ein. Die Unzulänglichkeiten der alten Klausel wurden durch die Neufassung beseitigt. Die neue Klausel enthält detaillierte Ergänzungen zum Bemessungszeitpunkt und -raum für den Nettoeinkommensvergleich sowie die Zusammensetzung des Nettoeinkommens bei selbstständigen Versicherungsunternehmern. Aufgrund der Konkretisierungen hat die Neuregelung keinen völlig gleichen Inhalt. Dem steht auch nicht entgegen, dass die neugefasste Klausel in ihrer Zielrichtung identisch zur vorherigen Regelung ist.
Das OLG Köln entschied, dass die neugefasste Regelung dem Transparenzgebot und damit der AGB-Kontrolle standhält. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann der Klausel mit gebotener Klarheit entnehmen, welcher Zeitraum für den Vergleich mit dem gesunkenen Nettoeinkommen maßgeblich sein soll, so das OLG Köln. Der Klausel ist auch verständlich entnehmbar, welcher Bemessungszeitraum für den Nettoeinkommensvergleich maßgeblich ist, wenn bei Kenntniserlangung durch die Versicherung bereits Arbeitsunfähigkeit bestand. Die neuformulierte Klausel ist also, anders als die vom BGH für unwirksam erklärte, transparent und inhaltlich hinreichend bestimmt.
Die Entscheidung des OLG Köln zeigt, das für unwirksam erklärte Vertragsklauseln durchaus durch neue Klauseln ersetzt werden können, die dann Regelungswirkung für den Versicherungsnehmer entfalten. Die Wirksamkeit einer Klauselersetzung hängt jedoch von ihrer Notwendigkeit sowie der Berücksichtigung der Belange von Versicherungsnehmer und des Versicherers ab. Es bedarf also eines angemessenen Interessensausgleich. Diesen zu ermitteln, ist nicht immer einfach und führt dazu, dass eine Klauselersetzung durchaus öfters Gegenstand rechtlicher Streitigkeiten ist (siehe Hierzu: OLG Köln Rückwirkende Reduzierung des Krankentagegeldes). Es kann daher durchaus empfehlenswert sein, sich bei einer nachträglichen Anpassung des Versicherungsvertrages, die wie in diesem Fall die Reduzierung von Versicherungsleistungen zur Folge hat, durch einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen. Gerne stehen hierfür auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte zur Verfügung.
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