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Anzeigepflicht von Kopfschmerzen im Versicherungsantrag? (OLG Schleswig)

Das OLG Schleswig hatte zu entscheiden, ob eine Anzeigepflicht von Kopfschmerzen bei Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung besteht (OLG Schleswig Urt. v. 08.01.2024 – 16 U 107/22).

Rücktritt vom Versicherungsvertrag wegen Verletzung der Anzeigepflicht

Im Fall vor dem OLG Schleswig machte die Versicherungsnehmerin infolge von Berufsunfähigkeit Ansprüche gegenüber ihrer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend.

Beim Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung im Jahr 2014 galt es Fragen bezüglich Krankheitsbehandlungen sowie der Einnahme von Medikamenten innerhalb der letzten fünf Jahre zu beantworten. Die Versicherungsnehmerin beantwortete derartige Fragen mit „nein“. Allerdings war die Versicherungsnehmerin, wie sie ihrem Versicherungsmakler offenlegte, im Jahr 2010 aufgrund eines Busunfalls wegen (anhaltender) Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel arbeitsunfähig und litt außerdem an Rückenbeschwerden.

Die Versicherung sah daraufhin die Anzeigepflicht verletzt und erklärte im Rahmen der Leistungsprüfung den Rücktritt von der Berufsunfähigkeitsversicherung. Hiergegen klagte die Versicherungsnehmerin vor dem Landgericht Kiel. Dieses wies die Klage wegen Verletzung der Anzeigepflicht von Kopfschmerzen ab (vgl. LG Kiel, Urt. v. 17.05.2022 – Az.: 5 O 113/21). Gegen das erstinstanzliche Urteil legte die Versicherungsnehmerin Berufung beim Oberlandesgericht Schleswig ein. Die Versicherungsnehmerin berief sich darauf, dass der Rücktritt des Versicherers unwirksam sei und der Vertrag weiterhin fortbestehe.

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Keine Verletzung der Anzeigepflicht von Kopfschmerzen

Das OLG Schleswig sah keine Verletzung der Anzeigepflicht von Kopfschmerzen, sodass ein Rücktritt des Versicherers unbegründet war.

Wann liegt eine Verletzung der Anzeigepflicht vor?

Eine Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers besteht, sofern der Versicherer nach den entsprechenden Umständen in Textform gefragt hat. Dabei können einzelne Fragen unterschiedlich weit verstanden werden.

Die Versicherungsnehmerin wurde in dem vorliegenden Fall konkret nach Kopfschmerzen mit einer Schmerzdauer von mehr als fünf Stunden täglich, die häufiger als zweimal pro Woche auftreten gefragt. Insbesondere aufgrund eines dem Antragsformular vorangestellten Hinweises, dass die Beispiele die jeweiligen Erkrankungsbegriffe nicht abschließend regeln, bezieht sich diese Frage auch auf alle übrigen erheblichen Kopfschmerzen (siehe hierzu: OLG Saarbrücken zur Doppelbelehrung im Versicherungsantrag der BU-Versicherung). Die Kopfschmerzen infolge des Unfalls waren zwar nicht nur kurzfristig, sind jedoch zum Jahresende 2010 vollständig ausgeklungen. Das OLG Schleswig verweist hier darauf, dass in solchen Zweifelsfällen bezüglich der Erheblichkeit der Kopfschmerzen, lediglich angegeben werden muss, wonach zweifellos gefragt ist. Eine genaue Entscheidung über die Auslegung der konkreten Frage und die Reichweite der Anzeigepflicht musste das OLG Schleswig indes nicht vornehmen.

Keine grobe Fahrlässigkeit

Das OLG Schleswig hielt den Rücktritt des Versicherers jedenfalls deswegen für unbegründet, da der Versicherungsnehmerin zumindest keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen wird, wenn es also jedem hätte einleuchten müssen, dass eine Verletzung der Mitteilungspflicht vorliegt. Das OLG Schleswig führt hierzu an, dass die Versicherungsnehmerin die Kopfschmerzen infolge ihres Unfalls, als nicht von der im Antragsformular genannten Frage erfasst verstanden hat. Ihre Kopfschmerzen waren auf den einmaligen Zeitraum nach dem Busunfall begrenzt und zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vollständig ausgeheilt. Damit liegt keine besonders krasse Obliegenheitsverletzung, das heißt eine Fehleinschätzung der Versicherungsnehmerin bezüglich der Gefahrerheblichkeit der Kopfschmerzen vor (siehe hierzu: BGH Kenntnis des Versicherungsnehmers als Voraussetzung für eine Obliegenheitsverletzung in der BU-Versicherung).

Ferner hat die Versicherungsnehmerin die Kopfschmerzen gegenüber ihrem Versicherungsmakler offengelegt und dabei zurecht auf dessen Einschätzung vertraut. Das Verschulden des Versicherungsmaklers kann der Versicherungsnehmerin nicht zugerechnet werden. Der Versicherungsmakler hilft lediglich bei der Vertragsverhandlung und Vermittlung (siehe hierzu: BGH Versicherungsmakler ist treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers). Die Versicherungsnehmerin hat den Vertrag selbst unterschrieben und damit eine eigene Erklärung abgegeben.

Die Versicherung hätte den Vertrag unter anderen Bedingungen geschlossen

Zudem stellt das OLG Schleswig fest, dass hier schon deshalb kein Rücktrittsrecht des Versicherers vorlag, da der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis der nichtangezeigten Umstände geschlossen hätte. Der Versicherer hätte für den Vertrag nach eigenen Angaben einen Risikozuschlag in Höhe von 25% wegen der anhaltenden Kopfschmerzen sowie einen Leistungsausschluss für Wirbelsäulenerkrankungen vereinbart. Der Vertrag wäre also lediglich unter anderen Bedingungen zustande gekommen.

Fazit und Hinweise

Die Entscheidung des OLG Schleswig zeigt, dass Antragsfragen durchaus unterschiedlich weit verstanden werden können. Schließlich kommt es zur Beurteilung der Anzeigepflicht jedoch auf die Umstände des Einzelfalls, genauer auf die konkrete Ausgestaltung des Antragsformulars und dem Verständnis des Versicherungsnehmers an. Daher empfiehlt es sich nach einer ablehnenden Leistungsentscheidung des Versicherers durchaus einen im Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen.

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Zum Autor: Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. Während seiner Anwaltstätigkeit hat er bereits eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren im Versicherungsrecht geführt und erfolgreich für die Rechte von Versicherungsnehmern gestritten.

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